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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Der Kampf um den Zolltarif
4
(Schluß)

orenz von Stein sagt in seinem Lehrbuch der Finanzwissen¬
schaft, °'°) das allgemeine Verhältnis des "Freihandelsprinzips"
zu dem "Schntzzollprinzip" beruhe wesentlich darauf, daß der
Freihandel der natürliche Wächter für den Schutzzoll sei. Ohne
das Prinzip des Freihandels laufe jede Verwaltungspolitik die
größte Gefahr, ihre berechtigte Grenze zu überschreiten und die Konsumtion
der Produktion zum Opfer zu bringen. Es sei unmöglich, jemals das Prinzip
des Freihandels für das Zollwesen vollständig zur Herrschaft kommen zu lassen,
aber es wäre ein großer Mangel, ohne dasselbe ein Zollsystem aufzustellen.
Kein Land der Welt könne durch den Freihandel beherrscht werden, aber kein
^and könne ihn entbehren. Jeder Tarif erscheine äußerlich als ein Kompromiß
Zwischen Schutzzoll und Freihaudel, aber in Wahrheit sei er das organische,
freilich unfertige Produkt beider. Wie viel weiter -- sagt er zum Schluß --
wäre unser endloser Streit, wenn man diese organischen Funktionen von
Schutzzoll und Freihandel an Stelle ihrer gegenseitigen akademischen Negation
^lieu wollte.

Davon mag manches nicht unanfechtbar sein. Aber wenn einem etwas
^in bisherigen Kampf um den Zolltarif in Deutschland zum Bewußtsein
unen "rußte, so war es die trostlose Unfruchtbarkeit des akademischen
s^'? d"'' "Schutzzollsystem" auf der einen und das "Freihandels-
l^'in auf der andern Seite. So wenig man ein System des Individualismus
^ ein System des Sozialismus gegeneinander ausspielen sollte, weil Jn-
"vwualismus und Sozialismus gar nicht politische "Systeme" siud. souderu
)e, die beide immer und überall berechtigt bleiben und in der Politik
S"r Geltung gebracht werden müssen, ebenso wenig soll man Freihandelssystem
und Schutzzollsystem gegeneinander setzen. Jedem der beiden Prinzipe das der



Fünfte Auflage, 1886. Leipzig, F. A. Brockhaus,
Grenzboten IV 190128


Der Kampf um den Zolltarif
4
(Schluß)

orenz von Stein sagt in seinem Lehrbuch der Finanzwissen¬
schaft, °'°) das allgemeine Verhältnis des „Freihandelsprinzips"
zu dem „Schntzzollprinzip" beruhe wesentlich darauf, daß der
Freihandel der natürliche Wächter für den Schutzzoll sei. Ohne
das Prinzip des Freihandels laufe jede Verwaltungspolitik die
größte Gefahr, ihre berechtigte Grenze zu überschreiten und die Konsumtion
der Produktion zum Opfer zu bringen. Es sei unmöglich, jemals das Prinzip
des Freihandels für das Zollwesen vollständig zur Herrschaft kommen zu lassen,
aber es wäre ein großer Mangel, ohne dasselbe ein Zollsystem aufzustellen.
Kein Land der Welt könne durch den Freihandel beherrscht werden, aber kein
^and könne ihn entbehren. Jeder Tarif erscheine äußerlich als ein Kompromiß
Zwischen Schutzzoll und Freihaudel, aber in Wahrheit sei er das organische,
freilich unfertige Produkt beider. Wie viel weiter — sagt er zum Schluß —
wäre unser endloser Streit, wenn man diese organischen Funktionen von
Schutzzoll und Freihandel an Stelle ihrer gegenseitigen akademischen Negation
^lieu wollte.

Davon mag manches nicht unanfechtbar sein. Aber wenn einem etwas
^in bisherigen Kampf um den Zolltarif in Deutschland zum Bewußtsein
unen „rußte, so war es die trostlose Unfruchtbarkeit des akademischen
s^'? d"'' „Schutzzollsystem" auf der einen und das „Freihandels-
l^'in auf der andern Seite. So wenig man ein System des Individualismus
^ ein System des Sozialismus gegeneinander ausspielen sollte, weil Jn-
"vwualismus und Sozialismus gar nicht politische „Systeme" siud. souderu
)e, die beide immer und überall berechtigt bleiben und in der Politik
S"r Geltung gebracht werden müssen, ebenso wenig soll man Freihandelssystem
und Schutzzollsystem gegeneinander setzen. Jedem der beiden Prinzipe das der



Fünfte Auflage, 1886. Leipzig, F. A. Brockhaus,
Grenzboten IV 190128
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[0225] [Abbildung] Der Kampf um den Zolltarif 4 (Schluß) orenz von Stein sagt in seinem Lehrbuch der Finanzwissen¬ schaft, °'°) das allgemeine Verhältnis des „Freihandelsprinzips" zu dem „Schntzzollprinzip" beruhe wesentlich darauf, daß der Freihandel der natürliche Wächter für den Schutzzoll sei. Ohne das Prinzip des Freihandels laufe jede Verwaltungspolitik die größte Gefahr, ihre berechtigte Grenze zu überschreiten und die Konsumtion der Produktion zum Opfer zu bringen. Es sei unmöglich, jemals das Prinzip des Freihandels für das Zollwesen vollständig zur Herrschaft kommen zu lassen, aber es wäre ein großer Mangel, ohne dasselbe ein Zollsystem aufzustellen. Kein Land der Welt könne durch den Freihandel beherrscht werden, aber kein ^and könne ihn entbehren. Jeder Tarif erscheine äußerlich als ein Kompromiß Zwischen Schutzzoll und Freihaudel, aber in Wahrheit sei er das organische, freilich unfertige Produkt beider. Wie viel weiter — sagt er zum Schluß — wäre unser endloser Streit, wenn man diese organischen Funktionen von Schutzzoll und Freihandel an Stelle ihrer gegenseitigen akademischen Negation ^lieu wollte. Davon mag manches nicht unanfechtbar sein. Aber wenn einem etwas ^in bisherigen Kampf um den Zolltarif in Deutschland zum Bewußtsein unen „rußte, so war es die trostlose Unfruchtbarkeit des akademischen s^'? d"'' „Schutzzollsystem" auf der einen und das „Freihandels- l^'in auf der andern Seite. So wenig man ein System des Individualismus ^ ein System des Sozialismus gegeneinander ausspielen sollte, weil Jn- "vwualismus und Sozialismus gar nicht politische „Systeme" siud. souderu )e, die beide immer und überall berechtigt bleiben und in der Politik S"r Geltung gebracht werden müssen, ebenso wenig soll man Freihandelssystem und Schutzzollsystem gegeneinander setzen. Jedem der beiden Prinzipe das der Fünfte Auflage, 1886. Leipzig, F. A. Brockhaus, Grenzboten IV 190128

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/225>, abgerufen am 13.11.2024.