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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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sprang er in den Abgrund, der ein der Seite der MervciUe gähnt. Nur auf
wunderbare Weise konnte dieser Künstlertranm ins Leben gerufen sein, der die
Mervcille, das schönste Beispiel der religiösen und militärischen Architektur des
Mittelalters, krönt.

Läßt man zum Abschied den Blick von der nahen Terrasse auf all die
umgebende Schönheit schweifen, runder auf den Wald von Pfeilern und Spitzen,
tief unten hinab auf den Fels und das brandende Meer, ans die enggedrängten
Häuser und Gärten der Stadt im festen Bande der Mauer, dahinter auf die
sandigen Flüchen, durch die sich gleißend der Coucsnon schlängelt, in der Ferne
auf die duftigen blauen Hügel der normannischen und bretonischen Küste, dann
versteht man den Stolz des Normannen auf dieses Kleinod. Spöttisch erklärt
er den neidischen Bretonern


Wär Normnndie nicht gutes Land,
Hätt Michel sich nicht hingewandt.

Man fühlt mit dem englischen Dichter Wissen, der begeistert ausruft:
Eine Nacht in deinen hohen Mauern, o Mont Se. Michel, ist für mich mehr
als in Arabiens Hallen ganze Hause" märchenhafter Schütze. Deine Türme
verteidigen dich noch; deine Felspyramide, Thron deines Ruhms, steigt noch
zum Himmel empor; deine reiche gotische Mithra krönt noch deine Stirn wie
w vergangnen Zeiten -- --


Lebmohl, lebivohl, Denkmal geweiht durch die Zeit!
Lebwohl, du wilde blaue normännische Bai!

(Llemens Franke


Auf der Alm
(Schluß)

is der Förster den Gehcimrcit erblickte, blieb er stehn, ließ die Bahre
an sich vorbei, herrschte das Volk um: Jetzt arabes enk furt, gehts
heim! "vorauf das Gefolge die Flucht ergriff, und trat zu dein Ge¬
heimrat heran, dem er kräftig die Hand schüttelte.

Dos ist eine su--de>--le Geschicht, dös! sagte er. Wau" sinds
ankommen, Herr Geheimrat?

--
Gestern abend, antwortete dieser. Was ist denn geschehn? Und wie stehts
Joseph?

Aber ^ ^ schlimm net sein. In der Schulter sitzt der Schuß-
sclin Bewußtsein ist er bereits vom Blutverlust. Der Doktor wird wohl
' ^" unterwegs sein von Berchtesgcideu. Diese Nacht, gegen zwei, schellts an
wer Wohnung. Ich spring auf und schau zum Fenster hinaus. Was giebts,
> "n us? Drunten steht der Mcixl, ich hab ihn erkennen können im Mondlicht. -


sprang er in den Abgrund, der ein der Seite der MervciUe gähnt. Nur auf
wunderbare Weise konnte dieser Künstlertranm ins Leben gerufen sein, der die
Mervcille, das schönste Beispiel der religiösen und militärischen Architektur des
Mittelalters, krönt.

Läßt man zum Abschied den Blick von der nahen Terrasse auf all die
umgebende Schönheit schweifen, runder auf den Wald von Pfeilern und Spitzen,
tief unten hinab auf den Fels und das brandende Meer, ans die enggedrängten
Häuser und Gärten der Stadt im festen Bande der Mauer, dahinter auf die
sandigen Flüchen, durch die sich gleißend der Coucsnon schlängelt, in der Ferne
auf die duftigen blauen Hügel der normannischen und bretonischen Küste, dann
versteht man den Stolz des Normannen auf dieses Kleinod. Spöttisch erklärt
er den neidischen Bretonern


Wär Normnndie nicht gutes Land,
Hätt Michel sich nicht hingewandt.

Man fühlt mit dem englischen Dichter Wissen, der begeistert ausruft:
Eine Nacht in deinen hohen Mauern, o Mont Se. Michel, ist für mich mehr
als in Arabiens Hallen ganze Hause» märchenhafter Schütze. Deine Türme
verteidigen dich noch; deine Felspyramide, Thron deines Ruhms, steigt noch
zum Himmel empor; deine reiche gotische Mithra krönt noch deine Stirn wie
w vergangnen Zeiten — —


Lebmohl, lebivohl, Denkmal geweiht durch die Zeit!
Lebwohl, du wilde blaue normännische Bai!

(Llemens Franke


Auf der Alm
(Schluß)

is der Förster den Gehcimrcit erblickte, blieb er stehn, ließ die Bahre
an sich vorbei, herrschte das Volk um: Jetzt arabes enk furt, gehts
heim! »vorauf das Gefolge die Flucht ergriff, und trat zu dein Ge¬
heimrat heran, dem er kräftig die Hand schüttelte.

Dos ist eine su—de>—le Geschicht, dös! sagte er. Wau» sinds
ankommen, Herr Geheimrat?


Gestern abend, antwortete dieser. Was ist denn geschehn? Und wie stehts
Joseph?

Aber ^ ^ schlimm net sein. In der Schulter sitzt der Schuß-
sclin Bewußtsein ist er bereits vom Blutverlust. Der Doktor wird wohl
' ^" unterwegs sein von Berchtesgcideu. Diese Nacht, gegen zwei, schellts an
wer Wohnung. Ich spring auf und schau zum Fenster hinaus. Was giebts,
> "n us? Drunten steht der Mcixl, ich hab ihn erkennen können im Mondlicht. -


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/205>, abgerufen am 01.09.2024.