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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Der Kampf um den Zolltarif
2

eit unser erster Artikel über den Kampf an den Zolltarif in die
Druckerei ging, haben mehrere berufne Vereinigungen theoretisch
und praktisch interessierter Männer darüber verhandelt; so die
Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, der deutsche
Handelstag und die Delegierteuversammlung des Zentralver-
bauds deutscher Industrieller. So wenig auch der Bundesrat dadurch sachlich
neues erfahren haben wird, und so viel darüber auch schon in der Tages¬
presse geschrieben ist, so haben die Verhandlungen und Beschlüsse der ge¬
nannten Körperschaften unsers Erachtens doch die taktische Notwendigkeit einer
Revision des Entwurfs vom 2<>. Juli namentlich wegen der Festlegung von
Minimalzollsätzen noch klarer gezeigt. Sollte sich der Bundesrat nicht zur
Streichung dieses unglückseligen Nestes des Doppeltarifgedankcus entschließen,
so würde er zu Verhandlungen im Reichstag provozieren, die an Verworren¬
heit, Unsachlichkeit, Aufregung und Verbitterung wahrscheinlich noch nie da¬
gewesenes leisten würden. Nicht nnr daß er dadurch die agrarischen Parteien
autorisieren, ja geradezu zwinge" würde, auf der Festsetzung der Zölle in einer
in ihrem Sinne "ausreichenden" Höhe, das heißt ans der Lösung einer unlös¬
baren Frage zu besteh", nicht nnr, daß er auf der andern Seite die Gefahr
einer Obstruktion dadurch wesentlich verschärfen, ja eigentlich erst heraufbe¬
schwören würde, er würde damit zugleich die Frage zur Diskussion stellen, ob
nicht für den neuen Zolltarif überhaupt, also auch für die Jndustriezölle die
Form des Doppeltarifs gewühlt werden solle. Davor sollte er sich hüten.
Die Geister des "Unsinns," die er damit riefe, wieder los zu werden, würde
ihm schwer, eine rechtzeitige brauchbare Neuordnung unsrer Handelspolitischeu
Beziehungen aber überhaupt unmöglich werden.

Besonders bezeichnend für diese Gefährlichkeit der Lage ist die Erklärung,
die die Delegierteuversaimuluug des Zeutralverbands deutscher Industrieller
am 1. Oktober nbgegebeu hat. Sie lautet:


Grenzboten IV 1301 14


Der Kampf um den Zolltarif
2

eit unser erster Artikel über den Kampf an den Zolltarif in die
Druckerei ging, haben mehrere berufne Vereinigungen theoretisch
und praktisch interessierter Männer darüber verhandelt; so die
Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, der deutsche
Handelstag und die Delegierteuversammlung des Zentralver-
bauds deutscher Industrieller. So wenig auch der Bundesrat dadurch sachlich
neues erfahren haben wird, und so viel darüber auch schon in der Tages¬
presse geschrieben ist, so haben die Verhandlungen und Beschlüsse der ge¬
nannten Körperschaften unsers Erachtens doch die taktische Notwendigkeit einer
Revision des Entwurfs vom 2<>. Juli namentlich wegen der Festlegung von
Minimalzollsätzen noch klarer gezeigt. Sollte sich der Bundesrat nicht zur
Streichung dieses unglückseligen Nestes des Doppeltarifgedankcus entschließen,
so würde er zu Verhandlungen im Reichstag provozieren, die an Verworren¬
heit, Unsachlichkeit, Aufregung und Verbitterung wahrscheinlich noch nie da¬
gewesenes leisten würden. Nicht nnr daß er dadurch die agrarischen Parteien
autorisieren, ja geradezu zwinge» würde, auf der Festsetzung der Zölle in einer
in ihrem Sinne „ausreichenden" Höhe, das heißt ans der Lösung einer unlös¬
baren Frage zu besteh», nicht nnr, daß er auf der andern Seite die Gefahr
einer Obstruktion dadurch wesentlich verschärfen, ja eigentlich erst heraufbe¬
schwören würde, er würde damit zugleich die Frage zur Diskussion stellen, ob
nicht für den neuen Zolltarif überhaupt, also auch für die Jndustriezölle die
Form des Doppeltarifs gewühlt werden solle. Davor sollte er sich hüten.
Die Geister des „Unsinns," die er damit riefe, wieder los zu werden, würde
ihm schwer, eine rechtzeitige brauchbare Neuordnung unsrer Handelspolitischeu
Beziehungen aber überhaupt unmöglich werden.

Besonders bezeichnend für diese Gefährlichkeit der Lage ist die Erklärung,
die die Delegierteuversaimuluug des Zeutralverbands deutscher Industrieller
am 1. Oktober nbgegebeu hat. Sie lautet:


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[0113] [Abbildung] Der Kampf um den Zolltarif 2 eit unser erster Artikel über den Kampf an den Zolltarif in die Druckerei ging, haben mehrere berufne Vereinigungen theoretisch und praktisch interessierter Männer darüber verhandelt; so die Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, der deutsche Handelstag und die Delegierteuversammlung des Zentralver- bauds deutscher Industrieller. So wenig auch der Bundesrat dadurch sachlich neues erfahren haben wird, und so viel darüber auch schon in der Tages¬ presse geschrieben ist, so haben die Verhandlungen und Beschlüsse der ge¬ nannten Körperschaften unsers Erachtens doch die taktische Notwendigkeit einer Revision des Entwurfs vom 2<>. Juli namentlich wegen der Festlegung von Minimalzollsätzen noch klarer gezeigt. Sollte sich der Bundesrat nicht zur Streichung dieses unglückseligen Nestes des Doppeltarifgedankcus entschließen, so würde er zu Verhandlungen im Reichstag provozieren, die an Verworren¬ heit, Unsachlichkeit, Aufregung und Verbitterung wahrscheinlich noch nie da¬ gewesenes leisten würden. Nicht nnr daß er dadurch die agrarischen Parteien autorisieren, ja geradezu zwinge» würde, auf der Festsetzung der Zölle in einer in ihrem Sinne „ausreichenden" Höhe, das heißt ans der Lösung einer unlös¬ baren Frage zu besteh», nicht nnr, daß er auf der andern Seite die Gefahr einer Obstruktion dadurch wesentlich verschärfen, ja eigentlich erst heraufbe¬ schwören würde, er würde damit zugleich die Frage zur Diskussion stellen, ob nicht für den neuen Zolltarif überhaupt, also auch für die Jndustriezölle die Form des Doppeltarifs gewühlt werden solle. Davor sollte er sich hüten. Die Geister des „Unsinns," die er damit riefe, wieder los zu werden, würde ihm schwer, eine rechtzeitige brauchbare Neuordnung unsrer Handelspolitischeu Beziehungen aber überhaupt unmöglich werden. Besonders bezeichnend für diese Gefährlichkeit der Lage ist die Erklärung, die die Delegierteuversaimuluug des Zeutralverbands deutscher Industrieller am 1. Oktober nbgegebeu hat. Sie lautet: Grenzboten IV 1301 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/113>, abgerufen am 13.11.2024.