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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Anfänge der hsllcindischon Laiidschaftsmalerei

manieriert, denn für die Physiognomien fehlt ihm der Sinn seines großen
Nachfolgers Jakob van Ruisdael.

Gödens Stärke ist das Wasser und der Strand; Wald, Weide und Dünen
haben die folgenden Landschafter besser erfaßt. Sodann der Himmel mit seinen
Wolken, der feuchte Nebel und das Sonnenlicht, bald verschleiert, bald glitzernd
in zitternden Funken, bald voll hervorbrechend und mit breiten Lichtflächen
Erde und Wasser bedeckend. Alles das geben zahlreiche Bilder seit 1640 un¬
übertrefflich wieder. Der Ton ist jetzt vollkommen einheitlich, transparent;
zunächst bräunlich blond, dann seit 1650 kühlgrau, bisweilen ins Grünliche
spielend und mit dein warmen Gelb des Sonnenlichts gemischt. Das ist
Goyen im Alter und in seiner Vollendung. Ein Ausdruck des Geistigen in
dem schlichten Naturbilde der nordischen Flnchlandschaft, worin es ihm keiner
zuvorgethan hat. Den Aufbau bestimmt gewöhnlich eine den Himmel vom
Erdreich und Wasser trennende Diagonale, sodaß der Schwerpunkt der Gegen¬
stände mit tiefen Schatten ans der einen Bildseite liegt, oft mit der stärksten
Helligkeit in der Mitte, die die Ferne weithin aufklärt und den Blick mit sich
zieht, ein Reiz und ein magisches Locken, das wenige so zu üben verstanden
haben wie Goben.

Selten fehlt auf einem der Bilder dieser Periode das Wasser, bei vielen
bestimmt es den Eindruck hauptsächlich. In Dresden sieht man zwei Fluß-
ufer mit Dörfern als "Winter" und "Sommer," im breitovalen Format, von
1643, beide ganz blond und ohne das Grün des ältern Bildes dieser Samm¬
lung. In Amsterdam ein Dorf mit nach rechts ansteigendem Profil an einem
breiten Fluß, der die Mitte einnimmt, hinter diesen: links in der Ferne eine
Stadt (Ur. 405, umfangreichstes der dortigen Bilder, von 1645). Ein ähnlich
komponiertes, spätes Bild in Augsburg hat rechts eine Herberge und davor
viele Figuren, links die Ebne mit einem Fluß; in der Mitte steht ein Zieh¬
brunnen (1653). In Frankfurt finden nur das jetzt eingepolderte "Haarlemer
Meer" mit Schiffen und ganz fern die Türme der Stadt, 1656 (neben drei
kleinern Landbildern von 1628,1629,1643), in München eine Marine von 1640
"ut die Ansicht Leydens von 1643. Die Eremitage besitzt sieben Bilder aus
den vierziger Jahren, der Louvre ein Flußufer von 1653 und vier Wasser¬
bilder aus den vierziger Jahren, darunter eine Ansicht Dordrechts von der
Maas ans genommen in einer mehrfach wiederholten Komposition mit der
Stadt zur Rechten des Beschauers. Berlin besitzt eine Flußlandschaft von
1646 mit der Stadt Arnheim und eine Ansicht von Nymwegen von 1649:
rechts erhebt sich die terrassenförmig aufgebaute Stadt mit ihren Mauern und
Türmen,'links fließt die Waal. Diesen Anblick hat Goben mit etwas ge¬
änderten Standpunkt öfter gegeben, z. B 1641 im Amsterdamer Neichsmnsenm
(Ur. 407) mit sehr viel Wasser und Himmel, und schon 1636, mehr auf die
etwas näher gerückte Stadt beschränkt, in einem Bilde der einstigen Sammlung
Gainsborongh. Am häufigsten hat er Dordrecht dargestellt (dessen Kathedrale
mit ihrem eckigen, abgestumpften Turm außerdem noch am Horizont zahlreicher


Die Anfänge der hsllcindischon Laiidschaftsmalerei

manieriert, denn für die Physiognomien fehlt ihm der Sinn seines großen
Nachfolgers Jakob van Ruisdael.

Gödens Stärke ist das Wasser und der Strand; Wald, Weide und Dünen
haben die folgenden Landschafter besser erfaßt. Sodann der Himmel mit seinen
Wolken, der feuchte Nebel und das Sonnenlicht, bald verschleiert, bald glitzernd
in zitternden Funken, bald voll hervorbrechend und mit breiten Lichtflächen
Erde und Wasser bedeckend. Alles das geben zahlreiche Bilder seit 1640 un¬
übertrefflich wieder. Der Ton ist jetzt vollkommen einheitlich, transparent;
zunächst bräunlich blond, dann seit 1650 kühlgrau, bisweilen ins Grünliche
spielend und mit dein warmen Gelb des Sonnenlichts gemischt. Das ist
Goyen im Alter und in seiner Vollendung. Ein Ausdruck des Geistigen in
dem schlichten Naturbilde der nordischen Flnchlandschaft, worin es ihm keiner
zuvorgethan hat. Den Aufbau bestimmt gewöhnlich eine den Himmel vom
Erdreich und Wasser trennende Diagonale, sodaß der Schwerpunkt der Gegen¬
stände mit tiefen Schatten ans der einen Bildseite liegt, oft mit der stärksten
Helligkeit in der Mitte, die die Ferne weithin aufklärt und den Blick mit sich
zieht, ein Reiz und ein magisches Locken, das wenige so zu üben verstanden
haben wie Goben.

Selten fehlt auf einem der Bilder dieser Periode das Wasser, bei vielen
bestimmt es den Eindruck hauptsächlich. In Dresden sieht man zwei Fluß-
ufer mit Dörfern als „Winter" und „Sommer," im breitovalen Format, von
1643, beide ganz blond und ohne das Grün des ältern Bildes dieser Samm¬
lung. In Amsterdam ein Dorf mit nach rechts ansteigendem Profil an einem
breiten Fluß, der die Mitte einnimmt, hinter diesen: links in der Ferne eine
Stadt (Ur. 405, umfangreichstes der dortigen Bilder, von 1645). Ein ähnlich
komponiertes, spätes Bild in Augsburg hat rechts eine Herberge und davor
viele Figuren, links die Ebne mit einem Fluß; in der Mitte steht ein Zieh¬
brunnen (1653). In Frankfurt finden nur das jetzt eingepolderte „Haarlemer
Meer" mit Schiffen und ganz fern die Türme der Stadt, 1656 (neben drei
kleinern Landbildern von 1628,1629,1643), in München eine Marine von 1640
»ut die Ansicht Leydens von 1643. Die Eremitage besitzt sieben Bilder aus
den vierziger Jahren, der Louvre ein Flußufer von 1653 und vier Wasser¬
bilder aus den vierziger Jahren, darunter eine Ansicht Dordrechts von der
Maas ans genommen in einer mehrfach wiederholten Komposition mit der
Stadt zur Rechten des Beschauers. Berlin besitzt eine Flußlandschaft von
1646 mit der Stadt Arnheim und eine Ansicht von Nymwegen von 1649:
rechts erhebt sich die terrassenförmig aufgebaute Stadt mit ihren Mauern und
Türmen,'links fließt die Waal. Diesen Anblick hat Goben mit etwas ge¬
änderten Standpunkt öfter gegeben, z. B 1641 im Amsterdamer Neichsmnsenm
(Ur. 407) mit sehr viel Wasser und Himmel, und schon 1636, mehr auf die
etwas näher gerückte Stadt beschränkt, in einem Bilde der einstigen Sammlung
Gainsborongh. Am häufigsten hat er Dordrecht dargestellt (dessen Kathedrale
mit ihrem eckigen, abgestumpften Turm außerdem noch am Horizont zahlreicher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/581>, abgerufen am 22.07.2024.