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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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sagt, sehr herab gestimmt durch das, was er zu seinem Thema ausführt. Wir
stehn da vor mancher Unverständlichkeit, deren ersprießliche Aufklärung man
vielleicht von einer weitern Auseinandersetzung innerhalb des Vereins für
Sozialpolitik über die, wie Professor Fuchs sagt, Aufsehen erregenden Ergeb¬
nisse der Arbeiten von Dr. Andreas Voigt erwarten darf. Wir können hier
nur auf die Hauptgedanken kurz hinweisen. Adickes schreibt:

"Da die private, d. h. die auf streng wirtschaftlicher Grundlage arbeitende
Bauthütigkeit unentbehrlich ist, um die für den Bau kleiner Wohnungen er¬
forderlichen großen Kapitalien heranzuziehn und die Wohnungen selbst so billig
als zulässig herzustellen, so muß für die Thätigkeit der öffentlichen Verbände
zunächst der Gesichtspunkt maßgebend sein, daß Maßregeln, welche die private
Bauthätigkeit hemmen und stören können, nur soweit getroffen werden, als
sie im einzelnen Falle durch das öffentliche Interesse zur Behebung oder Ver¬
hinderung schwerwiegender Übelstände geboten sind; im übrigen aber muß für
die Thätigkeit von Staat und Gemeinde der Gedanke bestimmend sein, daß sie
unter Bekämpfung der ungesunden und verteuernden Grund- und Boden-,
Bau- und Häuserspekulation die Grundlagen schaffen, uns denen die gesunde
Private Bauthätigkeit sich in ausgiebiger Weise entwickeln kann!" Als er¬
wiesen nimmt er dabei an, daß -- "wie von verschiednen Seiten ausgeführt
wird" -- die private Bauthätigkeit "zur Zeit" das Bedürfnis nach kleinen
Wohnungen nur in ungenügendem Maße befriedige, und den dauernden Haupt¬
grund dafür sieht er in der Überhandnähme der "Mietkasernen." Die Ver¬
waltung einer solchen Mietkaserne sei für einen Privaten ein so schwieriges,
ohne eine gewisse Hartherzigkeit kaum auszuübendes Geschäft, "daß der Kreis
der Personen, welcher zu dieser Thätigkeit bereit wäre, kein großer sein und
sich meistens aus Persönlichkeiten zusammensetzen wird, welche in der Art ihrer
Verwaltung und in der Wahl ihrer Verwaltungsmittel unbedenklich sind."
Für diesen beschränkten Kreis von Personen sei der Besitz von Mietkasernen
dann freilich recht gewinnbringend, und namentlich bei aufsteigenden Zeiten
wäre die Möglichkeit, die Mieter zu steigern und dann das Haus zu einem
der gesteigerten Rente entsprechenden Kaufpreise zu verkaufen, eine recht ver¬
lockende Gelegenheit schnellen Gewinns.

Aus diesen überaus vagen Annahmen heraus folgert er dann unvermittelt
weiter, daß wenn bei zeitweiligen Versagen der Bauthätigkeit in Zeiten einer
Verteuerung des Bauens durch vorübergehende Umstände "ein Eingreifen mit
öffentlichen Mitteln angezeigt sein mag," es vor allem darauf ankomme, "daß
durch eine umfassende planmäßige Thätigkeit der zuständigen öffentlichen Ge¬
walten das System der Mietkasernen bekämpft und durch die Ermöglichung
alter weiträumigern Bebauung es einer größern Zahl von Menschen ermöglicht
wird, in den Besitz kleiner Hänser zu gelangen, welche in Bezug auf den Er¬
werb und die Verwaltung nicht solche Schwierigkeiten wie die Mietkasernen
machen und daher auch von weitern Kreisen unbedenklich und gern erworben
werden."


sagt, sehr herab gestimmt durch das, was er zu seinem Thema ausführt. Wir
stehn da vor mancher Unverständlichkeit, deren ersprießliche Aufklärung man
vielleicht von einer weitern Auseinandersetzung innerhalb des Vereins für
Sozialpolitik über die, wie Professor Fuchs sagt, Aufsehen erregenden Ergeb¬
nisse der Arbeiten von Dr. Andreas Voigt erwarten darf. Wir können hier
nur auf die Hauptgedanken kurz hinweisen. Adickes schreibt:

„Da die private, d. h. die auf streng wirtschaftlicher Grundlage arbeitende
Bauthütigkeit unentbehrlich ist, um die für den Bau kleiner Wohnungen er¬
forderlichen großen Kapitalien heranzuziehn und die Wohnungen selbst so billig
als zulässig herzustellen, so muß für die Thätigkeit der öffentlichen Verbände
zunächst der Gesichtspunkt maßgebend sein, daß Maßregeln, welche die private
Bauthätigkeit hemmen und stören können, nur soweit getroffen werden, als
sie im einzelnen Falle durch das öffentliche Interesse zur Behebung oder Ver¬
hinderung schwerwiegender Übelstände geboten sind; im übrigen aber muß für
die Thätigkeit von Staat und Gemeinde der Gedanke bestimmend sein, daß sie
unter Bekämpfung der ungesunden und verteuernden Grund- und Boden-,
Bau- und Häuserspekulation die Grundlagen schaffen, uns denen die gesunde
Private Bauthätigkeit sich in ausgiebiger Weise entwickeln kann!" Als er¬
wiesen nimmt er dabei an, daß — „wie von verschiednen Seiten ausgeführt
wird" — die private Bauthätigkeit „zur Zeit" das Bedürfnis nach kleinen
Wohnungen nur in ungenügendem Maße befriedige, und den dauernden Haupt¬
grund dafür sieht er in der Überhandnähme der „Mietkasernen." Die Ver¬
waltung einer solchen Mietkaserne sei für einen Privaten ein so schwieriges,
ohne eine gewisse Hartherzigkeit kaum auszuübendes Geschäft, „daß der Kreis
der Personen, welcher zu dieser Thätigkeit bereit wäre, kein großer sein und
sich meistens aus Persönlichkeiten zusammensetzen wird, welche in der Art ihrer
Verwaltung und in der Wahl ihrer Verwaltungsmittel unbedenklich sind."
Für diesen beschränkten Kreis von Personen sei der Besitz von Mietkasernen
dann freilich recht gewinnbringend, und namentlich bei aufsteigenden Zeiten
wäre die Möglichkeit, die Mieter zu steigern und dann das Haus zu einem
der gesteigerten Rente entsprechenden Kaufpreise zu verkaufen, eine recht ver¬
lockende Gelegenheit schnellen Gewinns.

Aus diesen überaus vagen Annahmen heraus folgert er dann unvermittelt
weiter, daß wenn bei zeitweiligen Versagen der Bauthätigkeit in Zeiten einer
Verteuerung des Bauens durch vorübergehende Umstände „ein Eingreifen mit
öffentlichen Mitteln angezeigt sein mag," es vor allem darauf ankomme, „daß
durch eine umfassende planmäßige Thätigkeit der zuständigen öffentlichen Ge¬
walten das System der Mietkasernen bekämpft und durch die Ermöglichung
alter weiträumigern Bebauung es einer größern Zahl von Menschen ermöglicht
wird, in den Besitz kleiner Hänser zu gelangen, welche in Bezug auf den Er¬
werb und die Verwaltung nicht solche Schwierigkeiten wie die Mietkasernen
machen und daher auch von weitern Kreisen unbedenklich und gern erworben
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/547>, abgerufen am 03.07.2024.