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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Hypnose und Suggestion

Bewegung, Farbe, Licht und Wärme unterscheiden, die auch nicht voneinander
trennbar sind.

Der Geist ist das Gottühnliche im Menschen und das, was ihn vom
Tier unterscheidet, Religion, Gewissen, Wissenschaften, Kunst, ferner Hochmut,
Stolz, Demut, Selbstbewußtsein, das freie Wollen sind an den Geist gebunden,
der allein zur Sprache befähigt ist. Niedrig stehende Menschen haben von
diesem Geist sehr wenig, und den Tieren fehlt er ganz. Was man eine
Sprache der Tiere nennt, ist nur ein Mitteilnngsvermögcn durch Laute,
unsern Telegraphenzeichen vergleichbar; das Lunten der Telegraph englvcken ist
aber keine Sprache, Die Tiere wiirdeu in der Nntnr nicht leben können,
wenn sie nicht statt mit Geist mit dem Instinkt begabt wären, der ihnen ihr
Thun, und Handeln in bestimmter Weise vorschreibt. Der Vogel baut, noch
bevor die Eier gelegt werden, an einem bestimmten Ort und in bestimmter
Form sein Nest, Sind die Eier legereif, so steht das Nest fertig da, und so
wird der ganzen Tierwelt ihr Handeln vorgeschrieben, ein freier Wille fehlt;
auch wenn die Jungen dem Einfluß ihrer Eltern entzogen sind, sodaß eine
Belehrung ausgeschlossen ist, handeln sie genan wie diese. Das junge Tier
ist ein in seiner Art vollkommnes, zum Leben in, der Natur geeignetes Wesen,
Beim Menschen liegen die Verhältnisse wesentlich anders; ein Kind, das allein
in die Natur gesetzt wird, wäre ein hilfloses Geschöpf, nicht einmal den Ge¬
brauch des Feuers wurde es kennen.

Die Seele tritt in Erscheinung als Gedächtnis, Begehren, Zuneigung,
Liebe, Ehrfurcht, Abneigung, Mißfallen, Zorn, Freude, Friede, Zuversicht,
Ruhe, Hoffen, Trauer, Sehnsucht, Niiruhe, Abscheu, Überdruß, Haß, Neid,
Angst, Lust, Wohlgefallen, allgemein ausgedrückt als die Empfindung, das
Gemüt, shmbolisch als "Herz" bezeichnet; anch die höhern Tiere haben eine
Seele,

Die Leibesseele, auch Nervengeist, Siderischer Leib, Astralleib, geistiger
Leib genannt, übersetzt die Eindrücke, die die Sinnesorgane dnrch die Materie
bekommen, ins Seelische und zeigt umgekehrt seelische und geistige Eindrücke
in körperlicher Form, Durch die Sinnesorgane werden die Vorgänge in der
Natur aufgenommen, dnrch die Leibesseele kommen sie in uus zum Bewußt¬
sein, so anch das Gefühl von Hunger, Durst, Sättigung, Frost, Hitze, Schmerz,
Wollust, Die Leibesseele aber übersetzt auch seelische und geistige Vorgänge
ins Körperliche; sie bewirkt bei einem Willensimpuls die zur Ausführung
nötigen Muskelbewegnngen, ebenso ruft sie vasomotorische und sekretorische
Erscheinungen hervor. Der geistige Affekt der Scham bewirkt körperliches Er¬
sten, Angst ruft Erblassen und Zittern hervor, seelischer Schmerz Thränen¬
fluß, ekelhafte Vorstellung Erbrechen, seelische Vorgänge verändern die Gesichts¬
züge, die Vorstellung einer leckern Speise kann Speichelfluß erregen, Furcht
beschleunigt die Hcrzbewegung, heftiger Schrecken kann eine Ohnmacht zur
Folge haben. Eine Erkrankung der Leibesseele bewirkt die Erscheinungen der
Neurasthenie und Hhsterie,


Hypnose und Suggestion

Bewegung, Farbe, Licht und Wärme unterscheiden, die auch nicht voneinander
trennbar sind.

Der Geist ist das Gottühnliche im Menschen und das, was ihn vom
Tier unterscheidet, Religion, Gewissen, Wissenschaften, Kunst, ferner Hochmut,
Stolz, Demut, Selbstbewußtsein, das freie Wollen sind an den Geist gebunden,
der allein zur Sprache befähigt ist. Niedrig stehende Menschen haben von
diesem Geist sehr wenig, und den Tieren fehlt er ganz. Was man eine
Sprache der Tiere nennt, ist nur ein Mitteilnngsvermögcn durch Laute,
unsern Telegraphenzeichen vergleichbar; das Lunten der Telegraph englvcken ist
aber keine Sprache, Die Tiere wiirdeu in der Nntnr nicht leben können,
wenn sie nicht statt mit Geist mit dem Instinkt begabt wären, der ihnen ihr
Thun, und Handeln in bestimmter Weise vorschreibt. Der Vogel baut, noch
bevor die Eier gelegt werden, an einem bestimmten Ort und in bestimmter
Form sein Nest, Sind die Eier legereif, so steht das Nest fertig da, und so
wird der ganzen Tierwelt ihr Handeln vorgeschrieben, ein freier Wille fehlt;
auch wenn die Jungen dem Einfluß ihrer Eltern entzogen sind, sodaß eine
Belehrung ausgeschlossen ist, handeln sie genan wie diese. Das junge Tier
ist ein in seiner Art vollkommnes, zum Leben in, der Natur geeignetes Wesen,
Beim Menschen liegen die Verhältnisse wesentlich anders; ein Kind, das allein
in die Natur gesetzt wird, wäre ein hilfloses Geschöpf, nicht einmal den Ge¬
brauch des Feuers wurde es kennen.

Die Seele tritt in Erscheinung als Gedächtnis, Begehren, Zuneigung,
Liebe, Ehrfurcht, Abneigung, Mißfallen, Zorn, Freude, Friede, Zuversicht,
Ruhe, Hoffen, Trauer, Sehnsucht, Niiruhe, Abscheu, Überdruß, Haß, Neid,
Angst, Lust, Wohlgefallen, allgemein ausgedrückt als die Empfindung, das
Gemüt, shmbolisch als „Herz" bezeichnet; anch die höhern Tiere haben eine
Seele,

Die Leibesseele, auch Nervengeist, Siderischer Leib, Astralleib, geistiger
Leib genannt, übersetzt die Eindrücke, die die Sinnesorgane dnrch die Materie
bekommen, ins Seelische und zeigt umgekehrt seelische und geistige Eindrücke
in körperlicher Form, Durch die Sinnesorgane werden die Vorgänge in der
Natur aufgenommen, dnrch die Leibesseele kommen sie in uus zum Bewußt¬
sein, so anch das Gefühl von Hunger, Durst, Sättigung, Frost, Hitze, Schmerz,
Wollust, Die Leibesseele aber übersetzt auch seelische und geistige Vorgänge
ins Körperliche; sie bewirkt bei einem Willensimpuls die zur Ausführung
nötigen Muskelbewegnngen, ebenso ruft sie vasomotorische und sekretorische
Erscheinungen hervor. Der geistige Affekt der Scham bewirkt körperliches Er¬
sten, Angst ruft Erblassen und Zittern hervor, seelischer Schmerz Thränen¬
fluß, ekelhafte Vorstellung Erbrechen, seelische Vorgänge verändern die Gesichts¬
züge, die Vorstellung einer leckern Speise kann Speichelfluß erregen, Furcht
beschleunigt die Hcrzbewegung, heftiger Schrecken kann eine Ohnmacht zur
Folge haben. Eine Erkrankung der Leibesseele bewirkt die Erscheinungen der
Neurasthenie und Hhsterie,


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[0477] Hypnose und Suggestion Bewegung, Farbe, Licht und Wärme unterscheiden, die auch nicht voneinander trennbar sind. Der Geist ist das Gottühnliche im Menschen und das, was ihn vom Tier unterscheidet, Religion, Gewissen, Wissenschaften, Kunst, ferner Hochmut, Stolz, Demut, Selbstbewußtsein, das freie Wollen sind an den Geist gebunden, der allein zur Sprache befähigt ist. Niedrig stehende Menschen haben von diesem Geist sehr wenig, und den Tieren fehlt er ganz. Was man eine Sprache der Tiere nennt, ist nur ein Mitteilnngsvermögcn durch Laute, unsern Telegraphenzeichen vergleichbar; das Lunten der Telegraph englvcken ist aber keine Sprache, Die Tiere wiirdeu in der Nntnr nicht leben können, wenn sie nicht statt mit Geist mit dem Instinkt begabt wären, der ihnen ihr Thun, und Handeln in bestimmter Weise vorschreibt. Der Vogel baut, noch bevor die Eier gelegt werden, an einem bestimmten Ort und in bestimmter Form sein Nest, Sind die Eier legereif, so steht das Nest fertig da, und so wird der ganzen Tierwelt ihr Handeln vorgeschrieben, ein freier Wille fehlt; auch wenn die Jungen dem Einfluß ihrer Eltern entzogen sind, sodaß eine Belehrung ausgeschlossen ist, handeln sie genan wie diese. Das junge Tier ist ein in seiner Art vollkommnes, zum Leben in, der Natur geeignetes Wesen, Beim Menschen liegen die Verhältnisse wesentlich anders; ein Kind, das allein in die Natur gesetzt wird, wäre ein hilfloses Geschöpf, nicht einmal den Ge¬ brauch des Feuers wurde es kennen. Die Seele tritt in Erscheinung als Gedächtnis, Begehren, Zuneigung, Liebe, Ehrfurcht, Abneigung, Mißfallen, Zorn, Freude, Friede, Zuversicht, Ruhe, Hoffen, Trauer, Sehnsucht, Niiruhe, Abscheu, Überdruß, Haß, Neid, Angst, Lust, Wohlgefallen, allgemein ausgedrückt als die Empfindung, das Gemüt, shmbolisch als „Herz" bezeichnet; anch die höhern Tiere haben eine Seele, Die Leibesseele, auch Nervengeist, Siderischer Leib, Astralleib, geistiger Leib genannt, übersetzt die Eindrücke, die die Sinnesorgane dnrch die Materie bekommen, ins Seelische und zeigt umgekehrt seelische und geistige Eindrücke in körperlicher Form, Durch die Sinnesorgane werden die Vorgänge in der Natur aufgenommen, dnrch die Leibesseele kommen sie in uus zum Bewußt¬ sein, so anch das Gefühl von Hunger, Durst, Sättigung, Frost, Hitze, Schmerz, Wollust, Die Leibesseele aber übersetzt auch seelische und geistige Vorgänge ins Körperliche; sie bewirkt bei einem Willensimpuls die zur Ausführung nötigen Muskelbewegnngen, ebenso ruft sie vasomotorische und sekretorische Erscheinungen hervor. Der geistige Affekt der Scham bewirkt körperliches Er¬ sten, Angst ruft Erblassen und Zittern hervor, seelischer Schmerz Thränen¬ fluß, ekelhafte Vorstellung Erbrechen, seelische Vorgänge verändern die Gesichts¬ züge, die Vorstellung einer leckern Speise kann Speichelfluß erregen, Furcht beschleunigt die Hcrzbewegung, heftiger Schrecken kann eine Ohnmacht zur Folge haben. Eine Erkrankung der Leibesseele bewirkt die Erscheinungen der Neurasthenie und Hhsterie,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/477>, abgerufen am 22.07.2024.