Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.Die englische Lokalverwaltung lokale Bedürfnisse und Schaffung lokaler Einrichtungen gegeben, an dem jeder Nachdem die politischen Verhältnisse schon im fünfzehnten Jahrhundert Die englische Lokalverwaltung lokale Bedürfnisse und Schaffung lokaler Einrichtungen gegeben, an dem jeder Nachdem die politischen Verhältnisse schon im fünfzehnten Jahrhundert <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0443" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235615"/> <fw type="header" place="top"> Die englische Lokalverwaltung</fw><lb/> <p xml:id="ID_1904" prev="#ID_1903"> lokale Bedürfnisse und Schaffung lokaler Einrichtungen gegeben, an dem jeder<lb/> Territorialverbaud mitbestimmend teilnehmen dürfte, und das sich von den<lb/> Organen der Krone unabhängig, bald auch ihnen überlegen fühlte. Beide Ein¬<lb/> richtungen stehn miteinander in lebendiger Verbindung, vor allem durch die<lb/> hierbei thätigen Personen: es sind die Ritter der Grafschaften und die an¬<lb/> sässigen Bürger der Städte, die einmal in ihren Territorien als Justiees of<lb/> Peace die öffentliche Gewalt ausüben in Gericht und Verwaltung, sodann als<lb/> Delegierte ihrer Gesellschaftsklasse und ihrer Kommune im Parlament das<lb/> allgemeine Landrecht fortbilden helfen, sowie die örtlich notwendigen Vorschriften<lb/> auf Ansuchen der betreffenden Verbände festsetzen,"</p><lb/> <p xml:id="ID_1905" next="#ID_1906"> Nachdem die politischen Verhältnisse schon im fünfzehnten Jahrhundert<lb/> die Könige vom Parlament abhängig gemacht und das Band zwischeu der<lb/> Lokalverwaltuug und der Zentralgewalt gelockert hatten, trat die bekannte<lb/> Reaktion unter den kräftigen Tndors und den gewaltthätigen Stuarts ein.<lb/> Für die strenge Beaufsichtigung der Friedensrichter wird jetzt in einer besondern<lb/> Abteilung des Privh Council, der Sternkammer, ein eignes Organ geschaffen,<lb/> und eine Einteilung des Landes in Provinzen mit eignen königlichen Regie¬<lb/> rungsbehörden bedroht die Grundverfassung des Landes, Zum Zweck der<lb/> Armenpflege wird das Kirchspiel organisiert und zur Aufbringung ihrer Kosten<lb/> die Armenstcuer eingeführt, aus der das ganze spätere Kommunalsteuerwescn<lb/> erwachsen ist. Mit den Resten der Fendalgerichtsbnrkeit, von denen in den,<lb/> Evnrt Leeds noch einige fortbestanden, wird vollends aufgeräumt, und in einer<lb/> neuen Städteordnung dem Absolutismus ein Werkzeug geschaffen, das später<lb/> große politische Bedeutung erlangen sollte. Die Stadtverwaltung wurde nämlich<lb/> einem Ausschuß (selvvt doel^) übertragen, der sich durch Kooptation ergänzte<lb/> nud so zur privilegierten Oligarchie wurde. Da nnn die Parlamentsmitglieder<lb/> Abgeordnete der Körperschaften waren, so bekam der König durch diese select<lb/> Bodies die Parlamentswahlen in seine Hand. Ähnlich wurde mit den Land¬<lb/> gemeinden, den Kirchspielen, Verfahren, indem an die Stelle der demokratischen<lb/> »pou voher^, der Gemeindeversammlung, eine Lölövt vsstr^, ein sich ebenfalls<lb/> durch Kooptation ergänzender Ausschuß trat, doch nicht so allgemein wie, in den<lb/> Städten, Dieses Gebaren bedeutete einen Vrnch mit dem ungeschriebnen<lb/> Staatsgrundgesetz von der lokalen Autonomie, die keine Gefahr für den Staat<lb/> war, da sie niemals politische, sondern immer nur Verwaltnngsautonomie sein<lb/> wollte. Daraus, schreibt Redlich, erkläre sich die tiefe Erregung, die das Volk<lb/> ergriff, als die Stuarts das Shstem aufs äußerste trieben, n, a, auch zur<lb/> religiösen Verfolgung und zuletzt zu Katholisiernngsversucheu ausnützten. Das<lb/> Endergebnis der hieraus entstehenden Kämpfe war die zweite Revolution und<lb/> die Einsetzung eines Königtums, das ans einem Vertrage und ans Parlaments¬<lb/> akten beruhte. Damit war die konstitutionelle, d, i, die an die Befolgung der<lb/> Landesgesetze gebundnc Monarchie für immer festgestellt und zugleich die Lösung<lb/> des Verwaltungsproblems unvermeidlich geworden, „Die große politische Frage,<lb/> ob der Wille des Königs oder der Wille der verfassungsmäßig vereinigten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0443]
Die englische Lokalverwaltung
lokale Bedürfnisse und Schaffung lokaler Einrichtungen gegeben, an dem jeder
Territorialverbaud mitbestimmend teilnehmen dürfte, und das sich von den
Organen der Krone unabhängig, bald auch ihnen überlegen fühlte. Beide Ein¬
richtungen stehn miteinander in lebendiger Verbindung, vor allem durch die
hierbei thätigen Personen: es sind die Ritter der Grafschaften und die an¬
sässigen Bürger der Städte, die einmal in ihren Territorien als Justiees of
Peace die öffentliche Gewalt ausüben in Gericht und Verwaltung, sodann als
Delegierte ihrer Gesellschaftsklasse und ihrer Kommune im Parlament das
allgemeine Landrecht fortbilden helfen, sowie die örtlich notwendigen Vorschriften
auf Ansuchen der betreffenden Verbände festsetzen,"
Nachdem die politischen Verhältnisse schon im fünfzehnten Jahrhundert
die Könige vom Parlament abhängig gemacht und das Band zwischeu der
Lokalverwaltuug und der Zentralgewalt gelockert hatten, trat die bekannte
Reaktion unter den kräftigen Tndors und den gewaltthätigen Stuarts ein.
Für die strenge Beaufsichtigung der Friedensrichter wird jetzt in einer besondern
Abteilung des Privh Council, der Sternkammer, ein eignes Organ geschaffen,
und eine Einteilung des Landes in Provinzen mit eignen königlichen Regie¬
rungsbehörden bedroht die Grundverfassung des Landes, Zum Zweck der
Armenpflege wird das Kirchspiel organisiert und zur Aufbringung ihrer Kosten
die Armenstcuer eingeführt, aus der das ganze spätere Kommunalsteuerwescn
erwachsen ist. Mit den Resten der Fendalgerichtsbnrkeit, von denen in den,
Evnrt Leeds noch einige fortbestanden, wird vollends aufgeräumt, und in einer
neuen Städteordnung dem Absolutismus ein Werkzeug geschaffen, das später
große politische Bedeutung erlangen sollte. Die Stadtverwaltung wurde nämlich
einem Ausschuß (selvvt doel^) übertragen, der sich durch Kooptation ergänzte
nud so zur privilegierten Oligarchie wurde. Da nnn die Parlamentsmitglieder
Abgeordnete der Körperschaften waren, so bekam der König durch diese select
Bodies die Parlamentswahlen in seine Hand. Ähnlich wurde mit den Land¬
gemeinden, den Kirchspielen, Verfahren, indem an die Stelle der demokratischen
»pou voher^, der Gemeindeversammlung, eine Lölövt vsstr^, ein sich ebenfalls
durch Kooptation ergänzender Ausschuß trat, doch nicht so allgemein wie, in den
Städten, Dieses Gebaren bedeutete einen Vrnch mit dem ungeschriebnen
Staatsgrundgesetz von der lokalen Autonomie, die keine Gefahr für den Staat
war, da sie niemals politische, sondern immer nur Verwaltnngsautonomie sein
wollte. Daraus, schreibt Redlich, erkläre sich die tiefe Erregung, die das Volk
ergriff, als die Stuarts das Shstem aufs äußerste trieben, n, a, auch zur
religiösen Verfolgung und zuletzt zu Katholisiernngsversucheu ausnützten. Das
Endergebnis der hieraus entstehenden Kämpfe war die zweite Revolution und
die Einsetzung eines Königtums, das ans einem Vertrage und ans Parlaments¬
akten beruhte. Damit war die konstitutionelle, d, i, die an die Befolgung der
Landesgesetze gebundnc Monarchie für immer festgestellt und zugleich die Lösung
des Verwaltungsproblems unvermeidlich geworden, „Die große politische Frage,
ob der Wille des Königs oder der Wille der verfassungsmäßig vereinigten
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