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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die fehlerhafte Organisation der Sparkassen für den Hyxothckarkredit

Volksstammes durch ein Riesenreich hinausläuft, zeigt, daß auch solche scheinbar
kleinen Unternehmungen nicht bloß jahrelang dauern, die Kräfte eines Riesen¬
reichs ganz in Anspruch nehmen können, sondern auch dessen wirtschaftlichem
Leben mittelbar recht tiefe Wunden schlagen tonnen. Schließlich zeigt dieser
Krieg, daß auch ein kleines Volk nicht immer schnell vernichtet werden kann.
Das alles wird sich bei einem künftigen europäischen Krieg in ganz andrer
Weise fühlbar machen. Sogar das Geldwesen der Neutralen wird durch einen
solchen Krieg stark beeinflußt werden. Sicherlich werden, wenn z. B. Ru߬
land und Frankreich mit England in einen Krieg geraten sollten, der doch
wohl nicht in so kurzer Zeit sein Ende finden wird, die Geldverhültnisse
Deutschlands mächtig beeinflußt werden. Der Kapitalverbrauch durch den
Krieg in unsern Nachbarstaaten wird eine Geldteuerung in unserm Lande
hervorrufen. Hat dies doch schon in unserm Lande der Burenkrieg bewirkt.
Natürlich wird man zu solchen Zeiten der Geldteuerung, der Geldkrisis oder
des Notstands zunächst seinen Spargroschen angreifen, um sich zu helfen,
vielleicht auch, um sich in neue, hohen Gewinn versprechende Unternehmungen
zu stürzen. Man wird also die Spareinlagen bei den Sparkassen abheben.
Wenn dies auch zunächst nur allmählich geschieht, so werden doch dann neue
Spareinlagen der Sparkasse nicht gebracht werden. Denn wer wird zu Zeiten
der Not imstande sein zu sparen? Indes das Abheben der Spareinlagen
wird bei dem länger anhaltenden Notstand einen immer größern Umfang an¬
nehmen und immer dringender werden. Man hat doch schließlich nur deshalb
gespart und sein Geld auf die Sparkasse getragen, daß man im Falle der Not
eben etwas zum Zusetzen hat.

Die Sparkassen werden dann natürlich ihre Wertpapiere verkaufen, diese
werden zwar gesunken sein und sich nur mit Verlust verkaufen lassen, aber
die Sparkassen werden sich dadurch immer noch die nötigen Gelder, wenn auch
unter Verlust ihrer ersparten Reserven verschaffen können. Wenn aber die
Wertpapiere aufgebraucht sind, und die Sparkasse dazu übergehn muß, die
ansgeliehenen Hypothekenkapitalien zu kündigen, so wird sie kaum noch Geld
erhalten oder sich dadurch verschaffen können. Die Sparkasse hat in der
Regel die Hypotheken nur in ihrer Gemeinde verliehen, sie hat vielleicht die
Hälfte oder ein Viertel der ersten Hypotheken der Häuser der Gemeinde.
Wenn sie nun diesem Bruchteil der angesessenen Grundbesitzer -- er mag so
groß oder so klein sein, wie er wolle -- die Hypotheken kündigt, so wird dieser
Bruchteil bei der dann herrschenden Geldknappheit oder Geldnot sicherlich nicht
imstande sein, die Hypothekenkapitalien zurückzuzahlen oder auch nur neue Geld¬
geber zu finden.

Die Grundbesitzer -- in Städten also die Hausbesitzer -- werden durch
das Kundigen der Sparkassenhypotheken ihrem wirtschaftlichen Ruin entgegen¬
gebracht und bankerott werden, denn sie werden die gekündigten Hypotheken¬
kapitalien nicht zurückzahlen können. Die Grundstücke werden zur Subhastation
gebracht werden müssen, aber die Sparkassen werden auch dnrch die Zwangs-


Die fehlerhafte Organisation der Sparkassen für den Hyxothckarkredit

Volksstammes durch ein Riesenreich hinausläuft, zeigt, daß auch solche scheinbar
kleinen Unternehmungen nicht bloß jahrelang dauern, die Kräfte eines Riesen¬
reichs ganz in Anspruch nehmen können, sondern auch dessen wirtschaftlichem
Leben mittelbar recht tiefe Wunden schlagen tonnen. Schließlich zeigt dieser
Krieg, daß auch ein kleines Volk nicht immer schnell vernichtet werden kann.
Das alles wird sich bei einem künftigen europäischen Krieg in ganz andrer
Weise fühlbar machen. Sogar das Geldwesen der Neutralen wird durch einen
solchen Krieg stark beeinflußt werden. Sicherlich werden, wenn z. B. Ru߬
land und Frankreich mit England in einen Krieg geraten sollten, der doch
wohl nicht in so kurzer Zeit sein Ende finden wird, die Geldverhültnisse
Deutschlands mächtig beeinflußt werden. Der Kapitalverbrauch durch den
Krieg in unsern Nachbarstaaten wird eine Geldteuerung in unserm Lande
hervorrufen. Hat dies doch schon in unserm Lande der Burenkrieg bewirkt.
Natürlich wird man zu solchen Zeiten der Geldteuerung, der Geldkrisis oder
des Notstands zunächst seinen Spargroschen angreifen, um sich zu helfen,
vielleicht auch, um sich in neue, hohen Gewinn versprechende Unternehmungen
zu stürzen. Man wird also die Spareinlagen bei den Sparkassen abheben.
Wenn dies auch zunächst nur allmählich geschieht, so werden doch dann neue
Spareinlagen der Sparkasse nicht gebracht werden. Denn wer wird zu Zeiten
der Not imstande sein zu sparen? Indes das Abheben der Spareinlagen
wird bei dem länger anhaltenden Notstand einen immer größern Umfang an¬
nehmen und immer dringender werden. Man hat doch schließlich nur deshalb
gespart und sein Geld auf die Sparkasse getragen, daß man im Falle der Not
eben etwas zum Zusetzen hat.

Die Sparkassen werden dann natürlich ihre Wertpapiere verkaufen, diese
werden zwar gesunken sein und sich nur mit Verlust verkaufen lassen, aber
die Sparkassen werden sich dadurch immer noch die nötigen Gelder, wenn auch
unter Verlust ihrer ersparten Reserven verschaffen können. Wenn aber die
Wertpapiere aufgebraucht sind, und die Sparkasse dazu übergehn muß, die
ansgeliehenen Hypothekenkapitalien zu kündigen, so wird sie kaum noch Geld
erhalten oder sich dadurch verschaffen können. Die Sparkasse hat in der
Regel die Hypotheken nur in ihrer Gemeinde verliehen, sie hat vielleicht die
Hälfte oder ein Viertel der ersten Hypotheken der Häuser der Gemeinde.
Wenn sie nun diesem Bruchteil der angesessenen Grundbesitzer — er mag so
groß oder so klein sein, wie er wolle — die Hypotheken kündigt, so wird dieser
Bruchteil bei der dann herrschenden Geldknappheit oder Geldnot sicherlich nicht
imstande sein, die Hypothekenkapitalien zurückzuzahlen oder auch nur neue Geld¬
geber zu finden.

Die Grundbesitzer — in Städten also die Hausbesitzer — werden durch
das Kundigen der Sparkassenhypotheken ihrem wirtschaftlichen Ruin entgegen¬
gebracht und bankerott werden, denn sie werden die gekündigten Hypotheken¬
kapitalien nicht zurückzahlen können. Die Grundstücke werden zur Subhastation
gebracht werden müssen, aber die Sparkassen werden auch dnrch die Zwangs-


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[0356] Die fehlerhafte Organisation der Sparkassen für den Hyxothckarkredit Volksstammes durch ein Riesenreich hinausläuft, zeigt, daß auch solche scheinbar kleinen Unternehmungen nicht bloß jahrelang dauern, die Kräfte eines Riesen¬ reichs ganz in Anspruch nehmen können, sondern auch dessen wirtschaftlichem Leben mittelbar recht tiefe Wunden schlagen tonnen. Schließlich zeigt dieser Krieg, daß auch ein kleines Volk nicht immer schnell vernichtet werden kann. Das alles wird sich bei einem künftigen europäischen Krieg in ganz andrer Weise fühlbar machen. Sogar das Geldwesen der Neutralen wird durch einen solchen Krieg stark beeinflußt werden. Sicherlich werden, wenn z. B. Ru߬ land und Frankreich mit England in einen Krieg geraten sollten, der doch wohl nicht in so kurzer Zeit sein Ende finden wird, die Geldverhültnisse Deutschlands mächtig beeinflußt werden. Der Kapitalverbrauch durch den Krieg in unsern Nachbarstaaten wird eine Geldteuerung in unserm Lande hervorrufen. Hat dies doch schon in unserm Lande der Burenkrieg bewirkt. Natürlich wird man zu solchen Zeiten der Geldteuerung, der Geldkrisis oder des Notstands zunächst seinen Spargroschen angreifen, um sich zu helfen, vielleicht auch, um sich in neue, hohen Gewinn versprechende Unternehmungen zu stürzen. Man wird also die Spareinlagen bei den Sparkassen abheben. Wenn dies auch zunächst nur allmählich geschieht, so werden doch dann neue Spareinlagen der Sparkasse nicht gebracht werden. Denn wer wird zu Zeiten der Not imstande sein zu sparen? Indes das Abheben der Spareinlagen wird bei dem länger anhaltenden Notstand einen immer größern Umfang an¬ nehmen und immer dringender werden. Man hat doch schließlich nur deshalb gespart und sein Geld auf die Sparkasse getragen, daß man im Falle der Not eben etwas zum Zusetzen hat. Die Sparkassen werden dann natürlich ihre Wertpapiere verkaufen, diese werden zwar gesunken sein und sich nur mit Verlust verkaufen lassen, aber die Sparkassen werden sich dadurch immer noch die nötigen Gelder, wenn auch unter Verlust ihrer ersparten Reserven verschaffen können. Wenn aber die Wertpapiere aufgebraucht sind, und die Sparkasse dazu übergehn muß, die ansgeliehenen Hypothekenkapitalien zu kündigen, so wird sie kaum noch Geld erhalten oder sich dadurch verschaffen können. Die Sparkasse hat in der Regel die Hypotheken nur in ihrer Gemeinde verliehen, sie hat vielleicht die Hälfte oder ein Viertel der ersten Hypotheken der Häuser der Gemeinde. Wenn sie nun diesem Bruchteil der angesessenen Grundbesitzer — er mag so groß oder so klein sein, wie er wolle — die Hypotheken kündigt, so wird dieser Bruchteil bei der dann herrschenden Geldknappheit oder Geldnot sicherlich nicht imstande sein, die Hypothekenkapitalien zurückzuzahlen oder auch nur neue Geld¬ geber zu finden. Die Grundbesitzer — in Städten also die Hausbesitzer — werden durch das Kundigen der Sparkassenhypotheken ihrem wirtschaftlichen Ruin entgegen¬ gebracht und bankerott werden, denn sie werden die gekündigten Hypotheken¬ kapitalien nicht zurückzahlen können. Die Grundstücke werden zur Subhastation gebracht werden müssen, aber die Sparkassen werden auch dnrch die Zwangs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/356>, abgerufen am 22.07.2024.