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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Holland und Deutschland

sich zu teuer gestellt habe. Dazu kommt noch die Wahrheit des Wortes, daß
mau sich Freunde machen soll mit dem ungerechten Mammon. Die Inhaber
deutscher Papiere in Amerika haben kein Interesse an der Schädigung unsrer
äußern Politik, überhaupt nicht an widerwärtigen Zwistigkeiten mit Deutsch¬
land. Vielleicht hat man drittens auch darüber Grund, sich zu freuen, daß
die deutsche Regierung der andrängenden Geldwirtschaft die Wege verlegen
will, um zu derselbe" beherrschenden Stellung zu gelangen, die sie anderswo
schon einnimmt.

Der schwelende Dunst übermäßiger Geldansmnmluug lagert auch jetzt noch
über dem Leben der Holländer und hindert den frischen Zug, der das beste
Kennzeichen innerer, wirklich wahrer Freiheit ist. Noch leben die Nachkommen
der Plutokratie, die einstmals der Staatskunst der Oranier die Wege verbaute,
und mit denselben Mitteln wie diese sperren sie sich gegen den andrängenden
preußischen Militarismus. Als ob er nicht die schwellendste Frucht am Baume
unsers Lebens wäre! Vor Jahr und Tag haben die Holländer wie die
Franzosen nach deutschem Beispiel die allgemeine Wehrpflicht bei sich ein¬
geführt, und in der neusten Zeit hört man von starken Rüstungen zur See,
die von der Negierung in Aussicht genommen sind. Ohne Zweifel vortreff¬
liche Dinge, und sie dienen vor allem zu geeigneter Beruhigung vieler patrio¬
tischer Gemüter, die sich schon lange bekümmert nach einem Halt in der Welt
umsehen. Was aber den außen stehenden Beobachter betrifft, der die Bündnis¬
fähigkeit der Niederländer nach allen Richtungen erwägt, so kommt es diesem
weniger auf eine etwas größere Anzahl von schlachtfnhigen Panzern, auch
nicht so sehr auf die Art des Wehrsystems, wie auf den Geist an, der in das
aufgestellte Gefäß gefüllt wird. Wir in Deutschland müssen in erster Linie
unsre Aufmerksamkeit darauf gerichtet halten, ob es der Regierungsgewalt in
Holland erstens darum zu thun ist, und zweitens, ob es ihr gelingt, den Geist
der Feindseligkeit und des Mißtrauens niederzuhalten, der noch immer die
holländische von der deutschen Welt trennt. Besonders groß ist dieser Geist
in der niederländischen Geldaristokratie, bis vor kurzem war er sogar noch
ausschlaggebend.

Seitdem hat die Vermählung der jungen Königin von Holland mit dem
Herzog Heinrich von Mecklenburg-Schwerin die Gemüter jenseits der Grenze
wieder in einige Schwingung gebracht. In vergangnen Zeiten waren dergleichen
dynastische Annäherungen in den meisten Fällen von entscheidenden Gewicht,
während sie in unsrer Zeit den frühern Umfang ihrer Bedeutung verloren
haben sollen. In welchem Maße dies der Fall ist, mag dahingestellt sein,
jedenfalls spielen sie auch jetzt noch eine große Rolle. Die Bedeutung, die
dem gegebnen Falle beigemessen werden soll, hängt allein von Holland ub.
Die Presse hat sich im ganzen zustimmend geäußert, woraus mit Recht ge¬
folgert werden mag, daß die früher allgemein geltende Stimmung gegen
Deutschland in weiteren Umbiegen begriffen ist. Dagegen kommt eine augen¬
blickliche Mißstimmung im Volke wegen der Zurückweisung des Präsidenten


Holland und Deutschland

sich zu teuer gestellt habe. Dazu kommt noch die Wahrheit des Wortes, daß
mau sich Freunde machen soll mit dem ungerechten Mammon. Die Inhaber
deutscher Papiere in Amerika haben kein Interesse an der Schädigung unsrer
äußern Politik, überhaupt nicht an widerwärtigen Zwistigkeiten mit Deutsch¬
land. Vielleicht hat man drittens auch darüber Grund, sich zu freuen, daß
die deutsche Regierung der andrängenden Geldwirtschaft die Wege verlegen
will, um zu derselbe» beherrschenden Stellung zu gelangen, die sie anderswo
schon einnimmt.

Der schwelende Dunst übermäßiger Geldansmnmluug lagert auch jetzt noch
über dem Leben der Holländer und hindert den frischen Zug, der das beste
Kennzeichen innerer, wirklich wahrer Freiheit ist. Noch leben die Nachkommen
der Plutokratie, die einstmals der Staatskunst der Oranier die Wege verbaute,
und mit denselben Mitteln wie diese sperren sie sich gegen den andrängenden
preußischen Militarismus. Als ob er nicht die schwellendste Frucht am Baume
unsers Lebens wäre! Vor Jahr und Tag haben die Holländer wie die
Franzosen nach deutschem Beispiel die allgemeine Wehrpflicht bei sich ein¬
geführt, und in der neusten Zeit hört man von starken Rüstungen zur See,
die von der Negierung in Aussicht genommen sind. Ohne Zweifel vortreff¬
liche Dinge, und sie dienen vor allem zu geeigneter Beruhigung vieler patrio¬
tischer Gemüter, die sich schon lange bekümmert nach einem Halt in der Welt
umsehen. Was aber den außen stehenden Beobachter betrifft, der die Bündnis¬
fähigkeit der Niederländer nach allen Richtungen erwägt, so kommt es diesem
weniger auf eine etwas größere Anzahl von schlachtfnhigen Panzern, auch
nicht so sehr auf die Art des Wehrsystems, wie auf den Geist an, der in das
aufgestellte Gefäß gefüllt wird. Wir in Deutschland müssen in erster Linie
unsre Aufmerksamkeit darauf gerichtet halten, ob es der Regierungsgewalt in
Holland erstens darum zu thun ist, und zweitens, ob es ihr gelingt, den Geist
der Feindseligkeit und des Mißtrauens niederzuhalten, der noch immer die
holländische von der deutschen Welt trennt. Besonders groß ist dieser Geist
in der niederländischen Geldaristokratie, bis vor kurzem war er sogar noch
ausschlaggebend.

Seitdem hat die Vermählung der jungen Königin von Holland mit dem
Herzog Heinrich von Mecklenburg-Schwerin die Gemüter jenseits der Grenze
wieder in einige Schwingung gebracht. In vergangnen Zeiten waren dergleichen
dynastische Annäherungen in den meisten Fällen von entscheidenden Gewicht,
während sie in unsrer Zeit den frühern Umfang ihrer Bedeutung verloren
haben sollen. In welchem Maße dies der Fall ist, mag dahingestellt sein,
jedenfalls spielen sie auch jetzt noch eine große Rolle. Die Bedeutung, die
dem gegebnen Falle beigemessen werden soll, hängt allein von Holland ub.
Die Presse hat sich im ganzen zustimmend geäußert, woraus mit Recht ge¬
folgert werden mag, daß die früher allgemein geltende Stimmung gegen
Deutschland in weiteren Umbiegen begriffen ist. Dagegen kommt eine augen¬
blickliche Mißstimmung im Volke wegen der Zurückweisung des Präsidenten


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[0275] Holland und Deutschland sich zu teuer gestellt habe. Dazu kommt noch die Wahrheit des Wortes, daß mau sich Freunde machen soll mit dem ungerechten Mammon. Die Inhaber deutscher Papiere in Amerika haben kein Interesse an der Schädigung unsrer äußern Politik, überhaupt nicht an widerwärtigen Zwistigkeiten mit Deutsch¬ land. Vielleicht hat man drittens auch darüber Grund, sich zu freuen, daß die deutsche Regierung der andrängenden Geldwirtschaft die Wege verlegen will, um zu derselbe» beherrschenden Stellung zu gelangen, die sie anderswo schon einnimmt. Der schwelende Dunst übermäßiger Geldansmnmluug lagert auch jetzt noch über dem Leben der Holländer und hindert den frischen Zug, der das beste Kennzeichen innerer, wirklich wahrer Freiheit ist. Noch leben die Nachkommen der Plutokratie, die einstmals der Staatskunst der Oranier die Wege verbaute, und mit denselben Mitteln wie diese sperren sie sich gegen den andrängenden preußischen Militarismus. Als ob er nicht die schwellendste Frucht am Baume unsers Lebens wäre! Vor Jahr und Tag haben die Holländer wie die Franzosen nach deutschem Beispiel die allgemeine Wehrpflicht bei sich ein¬ geführt, und in der neusten Zeit hört man von starken Rüstungen zur See, die von der Negierung in Aussicht genommen sind. Ohne Zweifel vortreff¬ liche Dinge, und sie dienen vor allem zu geeigneter Beruhigung vieler patrio¬ tischer Gemüter, die sich schon lange bekümmert nach einem Halt in der Welt umsehen. Was aber den außen stehenden Beobachter betrifft, der die Bündnis¬ fähigkeit der Niederländer nach allen Richtungen erwägt, so kommt es diesem weniger auf eine etwas größere Anzahl von schlachtfnhigen Panzern, auch nicht so sehr auf die Art des Wehrsystems, wie auf den Geist an, der in das aufgestellte Gefäß gefüllt wird. Wir in Deutschland müssen in erster Linie unsre Aufmerksamkeit darauf gerichtet halten, ob es der Regierungsgewalt in Holland erstens darum zu thun ist, und zweitens, ob es ihr gelingt, den Geist der Feindseligkeit und des Mißtrauens niederzuhalten, der noch immer die holländische von der deutschen Welt trennt. Besonders groß ist dieser Geist in der niederländischen Geldaristokratie, bis vor kurzem war er sogar noch ausschlaggebend. Seitdem hat die Vermählung der jungen Königin von Holland mit dem Herzog Heinrich von Mecklenburg-Schwerin die Gemüter jenseits der Grenze wieder in einige Schwingung gebracht. In vergangnen Zeiten waren dergleichen dynastische Annäherungen in den meisten Fällen von entscheidenden Gewicht, während sie in unsrer Zeit den frühern Umfang ihrer Bedeutung verloren haben sollen. In welchem Maße dies der Fall ist, mag dahingestellt sein, jedenfalls spielen sie auch jetzt noch eine große Rolle. Die Bedeutung, die dem gegebnen Falle beigemessen werden soll, hängt allein von Holland ub. Die Presse hat sich im ganzen zustimmend geäußert, woraus mit Recht ge¬ folgert werden mag, daß die früher allgemein geltende Stimmung gegen Deutschland in weiteren Umbiegen begriffen ist. Dagegen kommt eine augen¬ blickliche Mißstimmung im Volke wegen der Zurückweisung des Präsidenten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/275>, abgerufen am 23.07.2024.