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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Das preußische Finanzministerium und seine Aufgaben im nächsten Jahrzehnt

stimmter Art getroffen wird, da muß grundsätzlich der Staat mit seinen Mitteln
eintreten und sich über kleine Nebenwirkungen nicht aufregen: miming. non
ouiAt prastor.

Für die Volksschule, die ein Korrelat der allgemeinen Wehrpflicht und
begrifflich und von Haus aus nichts als eine Staatsanstalt ist, was in den
Grenzboten früher schon nachgewiesen worden ist, muß der Staat selbst sorgen.
Er mag von den Gemeinden oder besser von denen, deren Kinder unterrichtet
werden, nach ihrer durch die Einkommensteuer ausgedrückten Leistungsfähigkeit
Beiträge erheben; eS ist ungerecht, die örtlichen Verbände für Bedürfnisse der
Schule, die nach Art und Maß unbestimmt sind, gegen ihren Willen in An¬
spruch zu nehmen.

Die Staatsverwaltung aber schreit nach Reform. Der zentralistische Zug,
alles wichtige von Berlin aus und gleichmäßig zu regeln, hatte sein gutes,
solange es galt, aus deu verschiedenartigen Ländern mit verschiedner Ver¬
fassung, verschiednen Steuern, verschiednen Verfahren vor Gericht und Polizei¬
behörde ein einheitliches Ganze zu schaffen, dessen Glieder überall, in Nord
und Süd, Ost und West gleiche Rechte genießen, sich gleicher Pflichten bewußt
sein sollten. Nachdem dieses Ziel erreicht ist, nachdem heute die Rechtseinheit
in Bezug ans die öffentlichen Abgaben nur durch die Verhältnisse in Provinz,
Kreis und Gemeinde durchlöchert ist, deren Reformierung wie oben befürwortet
haben, entspricht es deu Forderungen der Zeitverhältnisse, des lebhaften Ver¬
kehrs, dem Bedürfnis nach schnellen Entscheidungen, die ungelenk gewordnen
Ministerien von Einzelarbeit zu entlasten, den Schwerpunkt der Verwaltungs¬
thätigkeit in die Oberpräsidien der Provinzen, in die Hand unabhängiger, den
Verhältnissen nahestehender Statthalter zu legen, die Regierungen auf die not¬
wendigen Aufgaben der Landespolizei zu beschränken und zu Behörden zu
machen, die ihren Geschäftskreis übersehen können, indem man ihnen Finanz-
und Schulwesen abnimmt und dafür besondre Provinzialkollcgien schafft.

Das Gehaltswesen ist umzugestalten durch gleichmäßige Besoldung aller
gleichartigen, d. h. gleich ausgebildeten Beamten, gleichviel in welchem Einzel-
nmt, in welchem Kollegium, ob an einer Behörde oder an einer Unterrichts¬
anstalt sie wirken; nur den Leitern und Vorstehern sollen höhere Gehalte be¬
willigt werden. Damit wäre ein großer Schritt zur Gesundung der zerfahrnen
Verhältnisse gegeben, Stellenjägerei, Strebcrei hörte ans, und zwischen den
verschiednen Berufskreisen würde die Verbindung wieder hergestellt, die heute
durch die Eifersucht zwischen Juristen, Philologen und Technikern usw. zerstört
worden ist. Nichts thut unsrer Zeit so not, wie ein verständnisvolles gegen¬
seitiges Kennen und Schätzen aller Berufskreise untereinander.

Es ist hiermit ein Programm für das Finanzministerium aufgestellt, das
des Schweißes der Edeln wert und so groß ist, daß es sich kaum in zehn
Jahren wird bewältigen lassen, an dessen Durchführung aber auch die andern
Ministerien sehr beteiligt sind. Die Geldfrage muß zuerst ins Auge gefaßt
werden; ist sie gelöst, so findet sich das übrige leicht hinzu.


Das preußische Finanzministerium und seine Aufgaben im nächsten Jahrzehnt

stimmter Art getroffen wird, da muß grundsätzlich der Staat mit seinen Mitteln
eintreten und sich über kleine Nebenwirkungen nicht aufregen: miming. non
ouiAt prastor.

Für die Volksschule, die ein Korrelat der allgemeinen Wehrpflicht und
begrifflich und von Haus aus nichts als eine Staatsanstalt ist, was in den
Grenzboten früher schon nachgewiesen worden ist, muß der Staat selbst sorgen.
Er mag von den Gemeinden oder besser von denen, deren Kinder unterrichtet
werden, nach ihrer durch die Einkommensteuer ausgedrückten Leistungsfähigkeit
Beiträge erheben; eS ist ungerecht, die örtlichen Verbände für Bedürfnisse der
Schule, die nach Art und Maß unbestimmt sind, gegen ihren Willen in An¬
spruch zu nehmen.

Die Staatsverwaltung aber schreit nach Reform. Der zentralistische Zug,
alles wichtige von Berlin aus und gleichmäßig zu regeln, hatte sein gutes,
solange es galt, aus deu verschiedenartigen Ländern mit verschiedner Ver¬
fassung, verschiednen Steuern, verschiednen Verfahren vor Gericht und Polizei¬
behörde ein einheitliches Ganze zu schaffen, dessen Glieder überall, in Nord
und Süd, Ost und West gleiche Rechte genießen, sich gleicher Pflichten bewußt
sein sollten. Nachdem dieses Ziel erreicht ist, nachdem heute die Rechtseinheit
in Bezug ans die öffentlichen Abgaben nur durch die Verhältnisse in Provinz,
Kreis und Gemeinde durchlöchert ist, deren Reformierung wie oben befürwortet
haben, entspricht es deu Forderungen der Zeitverhältnisse, des lebhaften Ver¬
kehrs, dem Bedürfnis nach schnellen Entscheidungen, die ungelenk gewordnen
Ministerien von Einzelarbeit zu entlasten, den Schwerpunkt der Verwaltungs¬
thätigkeit in die Oberpräsidien der Provinzen, in die Hand unabhängiger, den
Verhältnissen nahestehender Statthalter zu legen, die Regierungen auf die not¬
wendigen Aufgaben der Landespolizei zu beschränken und zu Behörden zu
machen, die ihren Geschäftskreis übersehen können, indem man ihnen Finanz-
und Schulwesen abnimmt und dafür besondre Provinzialkollcgien schafft.

Das Gehaltswesen ist umzugestalten durch gleichmäßige Besoldung aller
gleichartigen, d. h. gleich ausgebildeten Beamten, gleichviel in welchem Einzel-
nmt, in welchem Kollegium, ob an einer Behörde oder an einer Unterrichts¬
anstalt sie wirken; nur den Leitern und Vorstehern sollen höhere Gehalte be¬
willigt werden. Damit wäre ein großer Schritt zur Gesundung der zerfahrnen
Verhältnisse gegeben, Stellenjägerei, Strebcrei hörte ans, und zwischen den
verschiednen Berufskreisen würde die Verbindung wieder hergestellt, die heute
durch die Eifersucht zwischen Juristen, Philologen und Technikern usw. zerstört
worden ist. Nichts thut unsrer Zeit so not, wie ein verständnisvolles gegen¬
seitiges Kennen und Schätzen aller Berufskreise untereinander.

Es ist hiermit ein Programm für das Finanzministerium aufgestellt, das
des Schweißes der Edeln wert und so groß ist, daß es sich kaum in zehn
Jahren wird bewältigen lassen, an dessen Durchführung aber auch die andern
Ministerien sehr beteiligt sind. Die Geldfrage muß zuerst ins Auge gefaßt
werden; ist sie gelöst, so findet sich das übrige leicht hinzu.


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[0267] Das preußische Finanzministerium und seine Aufgaben im nächsten Jahrzehnt stimmter Art getroffen wird, da muß grundsätzlich der Staat mit seinen Mitteln eintreten und sich über kleine Nebenwirkungen nicht aufregen: miming. non ouiAt prastor. Für die Volksschule, die ein Korrelat der allgemeinen Wehrpflicht und begrifflich und von Haus aus nichts als eine Staatsanstalt ist, was in den Grenzboten früher schon nachgewiesen worden ist, muß der Staat selbst sorgen. Er mag von den Gemeinden oder besser von denen, deren Kinder unterrichtet werden, nach ihrer durch die Einkommensteuer ausgedrückten Leistungsfähigkeit Beiträge erheben; eS ist ungerecht, die örtlichen Verbände für Bedürfnisse der Schule, die nach Art und Maß unbestimmt sind, gegen ihren Willen in An¬ spruch zu nehmen. Die Staatsverwaltung aber schreit nach Reform. Der zentralistische Zug, alles wichtige von Berlin aus und gleichmäßig zu regeln, hatte sein gutes, solange es galt, aus deu verschiedenartigen Ländern mit verschiedner Ver¬ fassung, verschiednen Steuern, verschiednen Verfahren vor Gericht und Polizei¬ behörde ein einheitliches Ganze zu schaffen, dessen Glieder überall, in Nord und Süd, Ost und West gleiche Rechte genießen, sich gleicher Pflichten bewußt sein sollten. Nachdem dieses Ziel erreicht ist, nachdem heute die Rechtseinheit in Bezug ans die öffentlichen Abgaben nur durch die Verhältnisse in Provinz, Kreis und Gemeinde durchlöchert ist, deren Reformierung wie oben befürwortet haben, entspricht es deu Forderungen der Zeitverhältnisse, des lebhaften Ver¬ kehrs, dem Bedürfnis nach schnellen Entscheidungen, die ungelenk gewordnen Ministerien von Einzelarbeit zu entlasten, den Schwerpunkt der Verwaltungs¬ thätigkeit in die Oberpräsidien der Provinzen, in die Hand unabhängiger, den Verhältnissen nahestehender Statthalter zu legen, die Regierungen auf die not¬ wendigen Aufgaben der Landespolizei zu beschränken und zu Behörden zu machen, die ihren Geschäftskreis übersehen können, indem man ihnen Finanz- und Schulwesen abnimmt und dafür besondre Provinzialkollcgien schafft. Das Gehaltswesen ist umzugestalten durch gleichmäßige Besoldung aller gleichartigen, d. h. gleich ausgebildeten Beamten, gleichviel in welchem Einzel- nmt, in welchem Kollegium, ob an einer Behörde oder an einer Unterrichts¬ anstalt sie wirken; nur den Leitern und Vorstehern sollen höhere Gehalte be¬ willigt werden. Damit wäre ein großer Schritt zur Gesundung der zerfahrnen Verhältnisse gegeben, Stellenjägerei, Strebcrei hörte ans, und zwischen den verschiednen Berufskreisen würde die Verbindung wieder hergestellt, die heute durch die Eifersucht zwischen Juristen, Philologen und Technikern usw. zerstört worden ist. Nichts thut unsrer Zeit so not, wie ein verständnisvolles gegen¬ seitiges Kennen und Schätzen aller Berufskreise untereinander. Es ist hiermit ein Programm für das Finanzministerium aufgestellt, das des Schweißes der Edeln wert und so groß ist, daß es sich kaum in zehn Jahren wird bewältigen lassen, an dessen Durchführung aber auch die andern Ministerien sehr beteiligt sind. Die Geldfrage muß zuerst ins Auge gefaßt werden; ist sie gelöst, so findet sich das übrige leicht hinzu.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/267>, abgerufen am 22.07.2024.