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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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I^ollcind und Deutschland

Zeitgenossen, so war es im Grunde nur deshalb, um das, N>as er im Frieden
geschaffen lind erworben hatte, im Kriege zu schützen. Obgleich sein kleines
Land von Waffen starrte, so ist seine siebenundzwanzig Jahre lange Regierungs-
zeit doch durchweg friedlich gewesen: der beste Beweis dafür, daß er die
Segnungen eines sichern Friedens den Schrecken eines schwankenden Krieges
vorzog.

Was in dem Vater zum Teil noch zwischen unbestimmten und unklaren
Linien lag, das erscheint im Geiste des Sohnes zu leuchtender Genialität ge¬
klärt. Wer Friedrich den Großen als den Eroberer ansieht, der an Gewalt
und .Krieg seine Freude hat, der weiß nichts von ihm, so hoch er mich sein
Wissen über ihn aufgehäuft hat. Die drei schlesischen Kriege waren eine Not¬
wendigkeit, weil der preußische Staat, wenn er nicht auf die Zukunft verzichten
wollte, aus den unsichern Schwankungen des Reichs heraus politisch und
volkswirtschaftlich auf das eigne Schwergewicht und in das Gleichgewicht mit
Österreich gestellt werden mußte. Durch die Erwerbung von Schlesien war
auf lange hinaus die "Autarkie" und damit die Möglichkeit gegeben, sich aus
eignem Gesetz die kleinern, auf dem schwachen Rechte des Reichs treibenden
deutscheu Staaten gebilde anzugliedern. Es war eine kriegerische Politik, die
der Sohn wie der Vater betrieb, aber nicht dem Herzenstriebe folgend stellte
er sie in seine Herrscherthätigkeit ein, sondern dem zwingenden Gesetz der That¬
sachen, das ihn und sein Volk beherrschte. Über den Segen, den die Pflege
des Heerwesens über Land und Leute des Hohenzollernstaats unter den
Soldatenkönigen gebracht hat, sind viele Bände geschrieben worden, aber wie
nicht bloß die Thatsache dieses Segens, sondern auch die seiner nach anßen
gerichteten Anziehungskraft im Erkennen und im Wissen, im Willen und in
der Thatkraft dieser beiden Herrscher vorgezeichnet gewesen ist, das soll mit
strahlender Klarheit erst noch von dem Historiker der Zukunft geschrieben
werden.

Es wäre merkwürdig, wenn im Leben der Menschen und der Völker das
Gesetz des Anschwellens und Nachlassens nicht ebensowohl statthaben sollte
wie anderswo, aber ob in der preußische" Geschichte auf Roßbach ein Jena
habe folgen müssen, das ist eine Frage, an deren Beantwortung wir keine
Mühe zu wenden brauchen. Jedenfalls war es gut, aus demi Unglück die
Lehre zu ziehn, daß Völker nichts besseres thun können, als alle Kraft an
die Erhaltung ihres Lebens und Staates zu setzen. In den Freiheitskriegen
hatte sich unter lebensvollen und wirksamern Formen der friederizianischc
Staat wieder gefunden, nach dem Friedensschluß von 1815 steht das preußische
Volk in Waffen vor den Angen einer Welt, die mehr oder weniger ver¬
wundert dreinschaut und mit dem Gesehenen nicht recht was zu beginnen
weiß. Aber wenn man meinte, daß diese Wnffenfrcndc in sich selber ihr Ziel
f""d, so waren die Leute, wie es heißt, sehr auf dem Holzwege. Hinter der
Wacht, die die preußische Armee am Rhein und sonst allerorten hielt, konnte
das deutsche Volk nicht bloß ungestört seiner Fricdeusbeschäftiguug nachgehn,


I^ollcind und Deutschland

Zeitgenossen, so war es im Grunde nur deshalb, um das, N>as er im Frieden
geschaffen lind erworben hatte, im Kriege zu schützen. Obgleich sein kleines
Land von Waffen starrte, so ist seine siebenundzwanzig Jahre lange Regierungs-
zeit doch durchweg friedlich gewesen: der beste Beweis dafür, daß er die
Segnungen eines sichern Friedens den Schrecken eines schwankenden Krieges
vorzog.

Was in dem Vater zum Teil noch zwischen unbestimmten und unklaren
Linien lag, das erscheint im Geiste des Sohnes zu leuchtender Genialität ge¬
klärt. Wer Friedrich den Großen als den Eroberer ansieht, der an Gewalt
und .Krieg seine Freude hat, der weiß nichts von ihm, so hoch er mich sein
Wissen über ihn aufgehäuft hat. Die drei schlesischen Kriege waren eine Not¬
wendigkeit, weil der preußische Staat, wenn er nicht auf die Zukunft verzichten
wollte, aus den unsichern Schwankungen des Reichs heraus politisch und
volkswirtschaftlich auf das eigne Schwergewicht und in das Gleichgewicht mit
Österreich gestellt werden mußte. Durch die Erwerbung von Schlesien war
auf lange hinaus die „Autarkie" und damit die Möglichkeit gegeben, sich aus
eignem Gesetz die kleinern, auf dem schwachen Rechte des Reichs treibenden
deutscheu Staaten gebilde anzugliedern. Es war eine kriegerische Politik, die
der Sohn wie der Vater betrieb, aber nicht dem Herzenstriebe folgend stellte
er sie in seine Herrscherthätigkeit ein, sondern dem zwingenden Gesetz der That¬
sachen, das ihn und sein Volk beherrschte. Über den Segen, den die Pflege
des Heerwesens über Land und Leute des Hohenzollernstaats unter den
Soldatenkönigen gebracht hat, sind viele Bände geschrieben worden, aber wie
nicht bloß die Thatsache dieses Segens, sondern auch die seiner nach anßen
gerichteten Anziehungskraft im Erkennen und im Wissen, im Willen und in
der Thatkraft dieser beiden Herrscher vorgezeichnet gewesen ist, das soll mit
strahlender Klarheit erst noch von dem Historiker der Zukunft geschrieben
werden.

Es wäre merkwürdig, wenn im Leben der Menschen und der Völker das
Gesetz des Anschwellens und Nachlassens nicht ebensowohl statthaben sollte
wie anderswo, aber ob in der preußische» Geschichte auf Roßbach ein Jena
habe folgen müssen, das ist eine Frage, an deren Beantwortung wir keine
Mühe zu wenden brauchen. Jedenfalls war es gut, aus demi Unglück die
Lehre zu ziehn, daß Völker nichts besseres thun können, als alle Kraft an
die Erhaltung ihres Lebens und Staates zu setzen. In den Freiheitskriegen
hatte sich unter lebensvollen und wirksamern Formen der friederizianischc
Staat wieder gefunden, nach dem Friedensschluß von 1815 steht das preußische
Volk in Waffen vor den Angen einer Welt, die mehr oder weniger ver¬
wundert dreinschaut und mit dem Gesehenen nicht recht was zu beginnen
weiß. Aber wenn man meinte, daß diese Wnffenfrcndc in sich selber ihr Ziel
f""d, so waren die Leute, wie es heißt, sehr auf dem Holzwege. Hinter der
Wacht, die die preußische Armee am Rhein und sonst allerorten hielt, konnte
das deutsche Volk nicht bloß ungestört seiner Fricdeusbeschäftiguug nachgehn,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/211>, abgerufen am 27.07.2024.