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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Graf Bülom und die Lnthnllnng des Bismarckdcnkmals

sehe doch Rauchs Denkmal Friedrichs des Großen oder Rietschels Luther in
Worms an; sie enthalten alle beide zahlreiches "Beiwerk," weil es sich eben
um den künstlerischen Ausdruck einer ganzen Zeit handelt. Und wie würde
sich eine einzige Gestalt auf schmalem Sockel vor diesem mächtigen Neichs-
tagsbnn auf dem großen Platze gegenüber der Siegessäule aufnehmen! Aber
die Art des Beiwerks wenigstens, wie nnbismarckisch, undeutsch, unvolkstüm¬
lich! Natürlich, jeder macht sich zu diesem Zweck ein Ideal von dem zurecht,
was bismarckisch, deutsch und volkstümlich sein soll, und was dem nicht ent¬
spricht, das ist nicht das, was es sein will. Was ist denn in der Kunst
"bismarckisch"? Er selbst hatte sehr wenig künstlerische Interessen, und ein
künstlerisches Ideal überhaupt nicht, und wenn man etwa bismarckisch und
urwüchsig für identisch erklärt, so vergißt man ganz, daß Bismarck selbst einen
guten Teil der höchsten Kultur seiner Zeit in sich aufgenommen hatte, und
daß er trotz der gewaltigen, in der That urwüchsigen Kraft und Leidenschaft
seines Wesens ein vollendeter Kavalier war, oder wenn man nur das Ein¬
fache, Schlichte für bismarckisch anerkennen will, so ist das an sich gewiß
richtig, aber deshalb kann der Künstler doch unmöglich darauf verzichten, das
Beiwerk so zu wühlen, daß es das ausdrückt, was er auszudrücken beabsichtigt.
Wenn man nun an diesem Beiwerk des Bismarckdenkmals etwa den allzu
großen Reichtum oder deu Mangel an Einheitlichkeit tadeln wollte, so ließe
sich darüber reden; denn wir gedenken keineswegs für jede Einzelheit ein¬
zutreten und würden manches anders wünschen, aber es schon deshalb ver¬
werfen, weil es allegorisch und antik sei, also ""deutsch "ut unvolkstümlich,
dazu hat man kein Recht.

Antik und deutsch sind doch wohl noch keine Gegensätze, solange die
antike Kultur ein wichtiger Bestandteil unsrer eignen Bildung ist; also braucht
auch die Allegorie nicht unbedingt abgelehnt zu werden, obwohl sie zur Zeit
wenig beliebt ist trotz der neu aufstrebenden Neigung zu einem oft recht dunkeln
Symbolismus, Eine "volkstümliche" Kunst aber hohe" Stils giebt es bei
uns überhaupt nicht und hat es nirgends gegeben außer im alten Griechen¬
land; im großen und ganze" hat die Kunst immer nur für die gebildeten
Schichten gearbeitet und ist nur diesen ganz verständlich, weil nur diese den
Gedankeninhalt zu erfassen vermögen. Wieviel ist denn an unsrer Litteratur
populär, der klassischen wie der nachklassischen? Es heißt auch hier: "Wer
deu Besten seiner Zeit genug gethan, der hat gelebt für alle Zeiten," Übrigens
ist auch in dem Beiwerk des Bismarckdenkmals manches ohne Mühe verständlich
und verkörpert "deutsche," "volkstümliche" Ideen: der junge Siegfried, der
das Reichsschwert schmiedet, die Germania, die den deutschen Michel aufweckt
und den Panther der Zwietracht niederdrückt (wo wir allerdings Siegfried als
Drachentöter lieber gesehen Hütten), der Jüngling, der vor der bekränzten
Bismarckbüste in die Ruhmestrompete stößt u, a, in. Bei einigem Nachdenken
wird also der Zusammenhang des Ganzen, die Shmbolisierung der deutschen
Einheitsbewegung unter Bismarcks Führung deutlich genug werden. Mit


Graf Bülom und die Lnthnllnng des Bismarckdcnkmals

sehe doch Rauchs Denkmal Friedrichs des Großen oder Rietschels Luther in
Worms an; sie enthalten alle beide zahlreiches „Beiwerk," weil es sich eben
um den künstlerischen Ausdruck einer ganzen Zeit handelt. Und wie würde
sich eine einzige Gestalt auf schmalem Sockel vor diesem mächtigen Neichs-
tagsbnn auf dem großen Platze gegenüber der Siegessäule aufnehmen! Aber
die Art des Beiwerks wenigstens, wie nnbismarckisch, undeutsch, unvolkstüm¬
lich! Natürlich, jeder macht sich zu diesem Zweck ein Ideal von dem zurecht,
was bismarckisch, deutsch und volkstümlich sein soll, und was dem nicht ent¬
spricht, das ist nicht das, was es sein will. Was ist denn in der Kunst
„bismarckisch"? Er selbst hatte sehr wenig künstlerische Interessen, und ein
künstlerisches Ideal überhaupt nicht, und wenn man etwa bismarckisch und
urwüchsig für identisch erklärt, so vergißt man ganz, daß Bismarck selbst einen
guten Teil der höchsten Kultur seiner Zeit in sich aufgenommen hatte, und
daß er trotz der gewaltigen, in der That urwüchsigen Kraft und Leidenschaft
seines Wesens ein vollendeter Kavalier war, oder wenn man nur das Ein¬
fache, Schlichte für bismarckisch anerkennen will, so ist das an sich gewiß
richtig, aber deshalb kann der Künstler doch unmöglich darauf verzichten, das
Beiwerk so zu wühlen, daß es das ausdrückt, was er auszudrücken beabsichtigt.
Wenn man nun an diesem Beiwerk des Bismarckdenkmals etwa den allzu
großen Reichtum oder deu Mangel an Einheitlichkeit tadeln wollte, so ließe
sich darüber reden; denn wir gedenken keineswegs für jede Einzelheit ein¬
zutreten und würden manches anders wünschen, aber es schon deshalb ver¬
werfen, weil es allegorisch und antik sei, also »»deutsch »ut unvolkstümlich,
dazu hat man kein Recht.

Antik und deutsch sind doch wohl noch keine Gegensätze, solange die
antike Kultur ein wichtiger Bestandteil unsrer eignen Bildung ist; also braucht
auch die Allegorie nicht unbedingt abgelehnt zu werden, obwohl sie zur Zeit
wenig beliebt ist trotz der neu aufstrebenden Neigung zu einem oft recht dunkeln
Symbolismus, Eine „volkstümliche" Kunst aber hohe» Stils giebt es bei
uns überhaupt nicht und hat es nirgends gegeben außer im alten Griechen¬
land; im großen und ganze» hat die Kunst immer nur für die gebildeten
Schichten gearbeitet und ist nur diesen ganz verständlich, weil nur diese den
Gedankeninhalt zu erfassen vermögen. Wieviel ist denn an unsrer Litteratur
populär, der klassischen wie der nachklassischen? Es heißt auch hier: „Wer
deu Besten seiner Zeit genug gethan, der hat gelebt für alle Zeiten," Übrigens
ist auch in dem Beiwerk des Bismarckdenkmals manches ohne Mühe verständlich
und verkörpert „deutsche," „volkstümliche" Ideen: der junge Siegfried, der
das Reichsschwert schmiedet, die Germania, die den deutschen Michel aufweckt
und den Panther der Zwietracht niederdrückt (wo wir allerdings Siegfried als
Drachentöter lieber gesehen Hütten), der Jüngling, der vor der bekränzten
Bismarckbüste in die Ruhmestrompete stößt u, a, in. Bei einigem Nachdenken
wird also der Zusammenhang des Ganzen, die Shmbolisierung der deutschen
Einheitsbewegung unter Bismarcks Führung deutlich genug werden. Mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/12>, abgerufen am 03.07.2024.