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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Der Mldfcmg

Wir trauten unsern Ohren nicht.

Sie nahm einen Lappen Hirschleder vom Tisch, tunkte ihn in das Putzpulver
und begann am obern Ende zu reiben, da, wo das Eisen in eine breite Spitze
zuläuft.

Rührt das Ding nicht an! rief Valentin und zog das Schwert zurück. Wißt
Ihr. was das ist?

Kunigunde nickte. Freilich, sagte siez das ist auch eine vornehme Arbeit, so
gut wie das Läuten.

Sie griff wieder nach dem Eisen, wie wenn es ein Gartenmesser wäre, zog
es an sich heran und fuhr fort, eifrig zu reiben.

Ohne inne zu halten, sagte sie:

Ihr helft mir ja heute auch -- am schwarzen Seil ziehn!

Ihre Wangen glühten.

Wir beiden andern waren aufgestanden und schauten nach dein Paare hinüber.
Mir war der Anblick bitter; aber -- ich wußte nicht, wie es tum -- ich mußte
voller Angst an Gerwig denken. Dem zitterte der Arm, sodaß das Kettlein am
Harnisch klirrte. Von Gerwig gingen meine Angen zu Margarete, die auf einem
Schemel saß und Frühbohnen zum Nachtmahl richtete. Sie schaute uach demi
Paar hinüber und lächelte glücklich in sich hinein, wie eine, die ein holdes Ge¬
heimnis weiß.

Das Richtschwert war nun glatt und hell wie ein Spiegel. Valentin hielt
es in die Sonne, und Kunigunde betrachtete die eingegrabnen Zieraten. In der
Mitte des breiten Eisens über den zarten Bug hinweg war ein Hochgerichtsbild
dargestellt. Der arme Sünder saß ans dem Richtstuhl, die Hände auf dem Rücken,
den Nacken bloß, die Augen verbunden. Hinter ihm stand der Nnchrichter und
schwang das Schwert in beiden Händen. Rechts und links von dem Bilde war
je eine Inschrift.

Kunigunde las:


Die Herren wehren dem Unheil.
Ich erequiere ihr Urteil.

Weiß der Mann sonst nichts? fügte fie geringschätzig hinzu.

Dann las sie leise den Spruch auf der andern Seite und sagte: Das lautet besser:


Wenn ich das Schwert thu aufheben,
Dann schenke dir Gott das ewige Leben.

Sie sah das Bild an.

Wenn er so hinter dir steht, kann nur deiner Seele noch geholfen werden,
sagte sie zu dem armen Sünder ans dem Bild.

O nein, erwiderte Valentin, und seine Stimme klang bewegt. Wenn jetzt ein
Weib die Arme um ihn schlingt und ruft: Ich begehre dich zum Gatten! dann hat
sie das Recht, seine Stricke zu zerschneiden und ihn frei und ledig von dannen
zu führen.

Ist das wahr? fragte Kunigunde.

Ja, es ist Rechtens seit alter Zeit, versicherte ich.

Das thut keine! rief Kunigunde.

Wenn sie ihren Schatz von Herzen lieb hat? warf Margaretens sanftes
Stimmlein ein.

Gehört sie dann nicht in des Henkers Sippe? fragte Kunigunde.

Es mußte jemand mit dem Kopfe genickt haben, denn sie richtete sich hoch
ans und rief: PfnÜ Dann ist sie ja unehrlich und gehört zu denen hinter der
Stadtmauer am Mantelban! Pfui!


Der Mldfcmg

Wir trauten unsern Ohren nicht.

Sie nahm einen Lappen Hirschleder vom Tisch, tunkte ihn in das Putzpulver
und begann am obern Ende zu reiben, da, wo das Eisen in eine breite Spitze
zuläuft.

Rührt das Ding nicht an! rief Valentin und zog das Schwert zurück. Wißt
Ihr. was das ist?

Kunigunde nickte. Freilich, sagte siez das ist auch eine vornehme Arbeit, so
gut wie das Läuten.

Sie griff wieder nach dem Eisen, wie wenn es ein Gartenmesser wäre, zog
es an sich heran und fuhr fort, eifrig zu reiben.

Ohne inne zu halten, sagte sie:

Ihr helft mir ja heute auch — am schwarzen Seil ziehn!

Ihre Wangen glühten.

Wir beiden andern waren aufgestanden und schauten nach dein Paare hinüber.
Mir war der Anblick bitter; aber — ich wußte nicht, wie es tum — ich mußte
voller Angst an Gerwig denken. Dem zitterte der Arm, sodaß das Kettlein am
Harnisch klirrte. Von Gerwig gingen meine Angen zu Margarete, die auf einem
Schemel saß und Frühbohnen zum Nachtmahl richtete. Sie schaute uach demi
Paar hinüber und lächelte glücklich in sich hinein, wie eine, die ein holdes Ge¬
heimnis weiß.

Das Richtschwert war nun glatt und hell wie ein Spiegel. Valentin hielt
es in die Sonne, und Kunigunde betrachtete die eingegrabnen Zieraten. In der
Mitte des breiten Eisens über den zarten Bug hinweg war ein Hochgerichtsbild
dargestellt. Der arme Sünder saß ans dem Richtstuhl, die Hände auf dem Rücken,
den Nacken bloß, die Augen verbunden. Hinter ihm stand der Nnchrichter und
schwang das Schwert in beiden Händen. Rechts und links von dem Bilde war
je eine Inschrift.

Kunigunde las:


Die Herren wehren dem Unheil.
Ich erequiere ihr Urteil.

Weiß der Mann sonst nichts? fügte fie geringschätzig hinzu.

Dann las sie leise den Spruch auf der andern Seite und sagte: Das lautet besser:


Wenn ich das Schwert thu aufheben,
Dann schenke dir Gott das ewige Leben.

Sie sah das Bild an.

Wenn er so hinter dir steht, kann nur deiner Seele noch geholfen werden,
sagte sie zu dem armen Sünder ans dem Bild.

O nein, erwiderte Valentin, und seine Stimme klang bewegt. Wenn jetzt ein
Weib die Arme um ihn schlingt und ruft: Ich begehre dich zum Gatten! dann hat
sie das Recht, seine Stricke zu zerschneiden und ihn frei und ledig von dannen
zu führen.

Ist das wahr? fragte Kunigunde.

Ja, es ist Rechtens seit alter Zeit, versicherte ich.

Das thut keine! rief Kunigunde.

Wenn sie ihren Schatz von Herzen lieb hat? warf Margaretens sanftes
Stimmlein ein.

Gehört sie dann nicht in des Henkers Sippe? fragte Kunigunde.

Es mußte jemand mit dem Kopfe genickt haben, denn sie richtete sich hoch
ans und rief: PfnÜ Dann ist sie ja unehrlich und gehört zu denen hinter der
Stadtmauer am Mantelban! Pfui!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/100>, abgerufen am 22.07.2024.