Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.der autokratischen Staatsgewalt, so geht der Staatsgelehrte Welcker in Heidel¬ Die Richtigkeit dieser Auffassung wird durch die Geschichte unsrer natio¬ Christian Pelzel der autokratischen Staatsgewalt, so geht der Staatsgelehrte Welcker in Heidel¬ Die Richtigkeit dieser Auffassung wird durch die Geschichte unsrer natio¬ Christian Pelzel <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0084" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234614"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_216" prev="#ID_215"> der autokratischen Staatsgewalt, so geht der Staatsgelehrte Welcker in Heidel¬<lb/> berg, der Herausgeber des „Staatslexikons," bei einem der hervorragendsten<lb/> politischen Dichter direkt uns das mißliebige Thema ein. Welcker sagt über<lb/> gewisse damals erschienene politische Gedichte eines von der preußischen Re¬<lb/> gierung dafür abgesetzten Professors: „Mau muß wohl noch in deutscher ge¬<lb/> lehrter oder ungelehrter Haudwerkseiuseitigkeit befangen sein, wenn man diesen<lb/> Liedern poetischen und politischen Wert absprechen will: den poetischen vielleicht,<lb/> weil sie mit dem ernsten, für manchen sogar unbequemen Gegenstand vater¬<lb/> ländischer Freiheit zusammengewachsen sind, und weil die politische Poesie bei<lb/> denen weder für Hof- noch für zunftmäßig gilt, die es übersehen, daß fast alle<lb/> bewunderte Poesie der Griechen politische, patriotische Poesie war; bei denen,<lb/> die selbst nie eine begeisterte, also auch nie eine poetische Liebe für das Vater¬<lb/> land kannten; den politischen Wert vielleicht, weil man vergißt, daß für alle<lb/> wirksamen vaterländischen Bestrebungen das Volk jene mütterliche Erde ist,<lb/> welche allem denselben Lebenswärme, Kraft und Gedeihen geben kann, und<lb/> daß es vor allem not thut, in dem Volte die natürliche Wärme und Eigen¬<lb/> tümlichkeit der Gesinnung, die Begeisterung und aufopfernde Liebe für das<lb/> Vaterländische, für das Politische, für die Ehre und die Würde der Freiheit,<lb/> den Haß und den Abscheu gegen entwürdigende Willkür und Knechtschaft zu<lb/> beleben, kurz den Boden zu bereiten, in welchem alsdann die verständige<lb/> politische Lehre und That wurzeln und reifen können, auf welchem jene<lb/> politische Freiheitsinacht sich entwickeln kann, welcher allein die Unterdrückuugs-<lb/> macht weicht."</p><lb/> <p xml:id="ID_217"> Die Richtigkeit dieser Auffassung wird durch die Geschichte unsrer natio¬<lb/> nalen Entwicklung im weitern Verlaufe des neunzehnten Jahrhunderts be¬<lb/> stätigt. Wieviel die umfassende und tiefgreifende Einwirkung der politischen<lb/> Poesie auf die seit den vierziger Jahren herangereiften Geschlechter dazu bei¬<lb/> getragen hat, den geistigen Boden für die Wiederaufrichtung des Deutschen<lb/> Reichs zu bereiten, läßt sich natürlich nicht in statistischer Nachweisung dar¬<lb/> legen; daß aber diese Einwirkung von mächtiger Bedeutung war, ist durch<lb/> tausende deutscher Männer thatsächlich bezeugt, von sachkundiger und berufner<lb/> Seite nachdrücklich anerkannt worden und bedarf keiner weitern Ausführung.</p><lb/> <note type="byline"> Christian Pelzel</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
der autokratischen Staatsgewalt, so geht der Staatsgelehrte Welcker in Heidel¬
berg, der Herausgeber des „Staatslexikons," bei einem der hervorragendsten
politischen Dichter direkt uns das mißliebige Thema ein. Welcker sagt über
gewisse damals erschienene politische Gedichte eines von der preußischen Re¬
gierung dafür abgesetzten Professors: „Mau muß wohl noch in deutscher ge¬
lehrter oder ungelehrter Haudwerkseiuseitigkeit befangen sein, wenn man diesen
Liedern poetischen und politischen Wert absprechen will: den poetischen vielleicht,
weil sie mit dem ernsten, für manchen sogar unbequemen Gegenstand vater¬
ländischer Freiheit zusammengewachsen sind, und weil die politische Poesie bei
denen weder für Hof- noch für zunftmäßig gilt, die es übersehen, daß fast alle
bewunderte Poesie der Griechen politische, patriotische Poesie war; bei denen,
die selbst nie eine begeisterte, also auch nie eine poetische Liebe für das Vater¬
land kannten; den politischen Wert vielleicht, weil man vergißt, daß für alle
wirksamen vaterländischen Bestrebungen das Volk jene mütterliche Erde ist,
welche allem denselben Lebenswärme, Kraft und Gedeihen geben kann, und
daß es vor allem not thut, in dem Volte die natürliche Wärme und Eigen¬
tümlichkeit der Gesinnung, die Begeisterung und aufopfernde Liebe für das
Vaterländische, für das Politische, für die Ehre und die Würde der Freiheit,
den Haß und den Abscheu gegen entwürdigende Willkür und Knechtschaft zu
beleben, kurz den Boden zu bereiten, in welchem alsdann die verständige
politische Lehre und That wurzeln und reifen können, auf welchem jene
politische Freiheitsinacht sich entwickeln kann, welcher allein die Unterdrückuugs-
macht weicht."
Die Richtigkeit dieser Auffassung wird durch die Geschichte unsrer natio¬
nalen Entwicklung im weitern Verlaufe des neunzehnten Jahrhunderts be¬
stätigt. Wieviel die umfassende und tiefgreifende Einwirkung der politischen
Poesie auf die seit den vierziger Jahren herangereiften Geschlechter dazu bei¬
getragen hat, den geistigen Boden für die Wiederaufrichtung des Deutschen
Reichs zu bereiten, läßt sich natürlich nicht in statistischer Nachweisung dar¬
legen; daß aber diese Einwirkung von mächtiger Bedeutung war, ist durch
tausende deutscher Männer thatsächlich bezeugt, von sachkundiger und berufner
Seite nachdrücklich anerkannt worden und bedarf keiner weitern Ausführung.
Christian Pelzel
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