Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.Wenn man verliebt ist Was ist sie doch für eine nette Dirn! lobte der Mond. Mit dem Quast weißt Und hier ist ihr Fensterchen, unterbrach sich der Gute. Wenn du Mut hast, Und Hans hatte Mut und klopfte an. Er wartete ein Weilchen, es rührte Es war stille Nacht, und Verliebte haben scharfe Ohren. Er hörte allerlei, Was willst du eigentlich, Hans? Was fragen. So hörte ich. Aber mitten in der Nacht? Du machst einem Angst. Muß Ja, es muß jetzt sein. Frag endlich los, ich bebe vor Bange. Das thut just nicht nötig, es ist nichts Schlimmes. Aber was, Hans? Hans lachte leise. Ja, Tine, ich habe immer vergessen . . . ich wollt man fragen. ... Es Der Mädchenkopf lachte und zeigte dem Mond weiße Zähne. Eigentlich sollt ich schelten. Aber wie kann man dich schelten! Du bist ja Sag, liebe Tine, warum liebst du mich? Hans, das muß ich dir doch sagen. Wenn es überhaupt mit meiner Liebe Ja ja, aber sag mir: weshalb du mich lieb hast? Weil du ein so unmenschlich guter und netter Kerl bist -- deshalb! Ohne Gutenachtgruß schloß sich das Fenster. Hans stand erst ein bischen ver¬ Als er die Johannisbeeren passiert hatte, hätte er bald laut gejauchzt. Aber Wenn man verliebt ist Was ist sie doch für eine nette Dirn! lobte der Mond. Mit dem Quast weißt Und hier ist ihr Fensterchen, unterbrach sich der Gute. Wenn du Mut hast, Und Hans hatte Mut und klopfte an. Er wartete ein Weilchen, es rührte Es war stille Nacht, und Verliebte haben scharfe Ohren. Er hörte allerlei, Was willst du eigentlich, Hans? Was fragen. So hörte ich. Aber mitten in der Nacht? Du machst einem Angst. Muß Ja, es muß jetzt sein. Frag endlich los, ich bebe vor Bange. Das thut just nicht nötig, es ist nichts Schlimmes. Aber was, Hans? Hans lachte leise. Ja, Tine, ich habe immer vergessen . . . ich wollt man fragen. ... Es Der Mädchenkopf lachte und zeigte dem Mond weiße Zähne. Eigentlich sollt ich schelten. Aber wie kann man dich schelten! Du bist ja Sag, liebe Tine, warum liebst du mich? Hans, das muß ich dir doch sagen. Wenn es überhaupt mit meiner Liebe Ja ja, aber sag mir: weshalb du mich lieb hast? Weil du ein so unmenschlich guter und netter Kerl bist — deshalb! Ohne Gutenachtgruß schloß sich das Fenster. Hans stand erst ein bischen ver¬ Als er die Johannisbeeren passiert hatte, hätte er bald laut gejauchzt. Aber <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0632" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235162"/> <fw type="header" place="top"> Wenn man verliebt ist</fw><lb/> <p xml:id="ID_1902"> Was ist sie doch für eine nette Dirn! lobte der Mond. Mit dem Quast weißt<lb/> sie, so um Pfingsten herum, das ganze Haus von außen und innen. Du solltest<lb/> mal sehen, wie ihr das steht. Ein buntes Tuch um den Kopf, daß man nur<lb/> Augen und Mund und Kinn sieht, Spenster und Rock alter Jahrgänge, aber alles<lb/> nett sitzend, von oben bis unten kalkbespritzt, und in der Hand den großen triefenden<lb/> Quast.</p><lb/> <p xml:id="ID_1903"> Und hier ist ihr Fensterchen, unterbrach sich der Gute. Wenn du Mut hast,<lb/> so klopf an!</p><lb/> <p xml:id="ID_1904"> Und Hans hatte Mut und klopfte an. Er wartete ein Weilchen, es rührte<lb/> sich nichts. Er klopfte noch mal. Da tum ein tief aus Kissen herausquellendes,<lb/> furchtsames: Wat is dor? — Dat bon ik man, antwortete Hans. — Du, Hans? —<lb/> Ja! — Hans, weißt du denn nicht, daß sich das nicht schickt? — Ich will nur<lb/> was fragen. — Wichtiges? — Ungeheuer wichtig. — Dann wart, ich komme ans<lb/> Fenster.</p><lb/> <p xml:id="ID_1905"> Es war stille Nacht, und Verliebte haben scharfe Ohren. Er hörte allerlei,<lb/> was ihn entzückte. Ein Bett wurde zurückgeschlagen, die kurzen rauschenden Töne<lb/> des Anziehens von Frauenröcken. Das alles vernahm der selige Haus. Schließlich<lb/> klang das Fenster leise, der Mond beleuchtete einen verschlafnen, halb verwunderten,<lb/> halb unwilligen, aber sehr lieblichen Mädchenkopf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1906"> Was willst du eigentlich, Hans?</p><lb/> <p xml:id="ID_1907"> Was fragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1908"> So hörte ich. Aber mitten in der Nacht? Du machst einem Angst. Muß<lb/> es denn just jetzt sein?</p><lb/> <p xml:id="ID_1909"> Ja, es muß jetzt sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1910"> Frag endlich los, ich bebe vor Bange.</p><lb/> <p xml:id="ID_1911"> Das thut just nicht nötig, es ist nichts Schlimmes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1912"> Aber was, Hans?</p><lb/> <p xml:id="ID_1913"> Hans lachte leise.</p><lb/> <p xml:id="ID_1914"> Ja, Tine, ich habe immer vergessen . . . ich wollt man fragen. ... Es<lb/> kommt mir so wunderlich vor, daß du mich so gern hast. 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Wenn man verliebt ist
Was ist sie doch für eine nette Dirn! lobte der Mond. Mit dem Quast weißt
sie, so um Pfingsten herum, das ganze Haus von außen und innen. Du solltest
mal sehen, wie ihr das steht. Ein buntes Tuch um den Kopf, daß man nur
Augen und Mund und Kinn sieht, Spenster und Rock alter Jahrgänge, aber alles
nett sitzend, von oben bis unten kalkbespritzt, und in der Hand den großen triefenden
Quast.
Und hier ist ihr Fensterchen, unterbrach sich der Gute. Wenn du Mut hast,
so klopf an!
Und Hans hatte Mut und klopfte an. Er wartete ein Weilchen, es rührte
sich nichts. Er klopfte noch mal. Da tum ein tief aus Kissen herausquellendes,
furchtsames: Wat is dor? — Dat bon ik man, antwortete Hans. — Du, Hans? —
Ja! — Hans, weißt du denn nicht, daß sich das nicht schickt? — Ich will nur
was fragen. — Wichtiges? — Ungeheuer wichtig. — Dann wart, ich komme ans
Fenster.
Es war stille Nacht, und Verliebte haben scharfe Ohren. Er hörte allerlei,
was ihn entzückte. Ein Bett wurde zurückgeschlagen, die kurzen rauschenden Töne
des Anziehens von Frauenröcken. Das alles vernahm der selige Haus. Schließlich
klang das Fenster leise, der Mond beleuchtete einen verschlafnen, halb verwunderten,
halb unwilligen, aber sehr lieblichen Mädchenkopf.
Was willst du eigentlich, Hans?
Was fragen.
So hörte ich. Aber mitten in der Nacht? Du machst einem Angst. Muß
es denn just jetzt sein?
Ja, es muß jetzt sein.
Frag endlich los, ich bebe vor Bange.
Das thut just nicht nötig, es ist nichts Schlimmes.
Aber was, Hans?
Hans lachte leise.
Ja, Tine, ich habe immer vergessen . . . ich wollt man fragen. ... Es
kommt mir so wunderlich vor, daß du mich so gern hast. Das wollt ich bloß
fragen — warum?
Der Mädchenkopf lachte und zeigte dem Mond weiße Zähne.
Eigentlich sollt ich schelten. Aber wie kann man dich schelten! Du bist ja
nun mal anders als andre.
Sag, liebe Tine, warum liebst du mich?
Hans, das muß ich dir doch sagen. Wenn es überhaupt mit meiner Liebe
alle werden könnte, so brauchtest du mich uur noch mal wegen so dummer Fragen
zu wecken. Fühlst du denn nicht, daß es ganz unschicklich ist, nachts nnter mein
Fenster zu kommen. Wenn uus der alte Wächter sähe: um uns wäre es geschehn,
wir wären in der Leute und alter Weiber Mund. Ja, aber es hilft alles nichts,
ich mag schelten, wie ich will, lieben thu ich dich doch und werde es immer thun.
Ja ja, aber sag mir: weshalb du mich lieb hast?
Weil du ein so unmenschlich guter und netter Kerl bist — deshalb!
Ohne Gutenachtgruß schloß sich das Fenster. Hans stand erst ein bischen ver¬
blüfft davor. Dann that er das, was er den ganzen Abend gethan hatte: er
lachte. Und der gute Mond lachte auch. Es war ein höchst lächerlicher Augenblick.
Lachend nahmen sie beide ihren Rückweg, an dem Kalkquast, an den Fischergeräten
vorbei, er gehend, der Mond leuchtend.
Als er die Johannisbeeren passiert hatte, hätte er bald laut gejauchzt. Aber
er dämpfte seine Freude. Se! Se! sagte er — es ist Nacht, und alle Leute schlafen.
Sonst, Hans, wäre es an der Zeit zu lachen, wie dn noch niemals gelacht hast.
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