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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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gemeinnützigen Gesellschaften, Stiftirngen, human und billig geleiteten Aktien¬
gesellschaften, nach und nach möglichst viel Haus- und Grundbesitz an sich zu
zieh", das private Haus- und Grundeigentum, soweit es zu schlechter Ver-
waltung, korrupten Mietsverträgen, Bauschwindel und ähnlichem führt, in ein
gut verwaltetes Eigentum von solch hoher stehenden Gesellschaftsorgancn über¬
zuführen." Und schließlich: "In kleinen Städten und auf dem Lande liegt
zu all dem kein Bedürfnis vor." Das heißt doch wahrlich mit den aller,
ernstesten praktischen Fragen sx eMiscli-Ä spielen. Wir wollen abwarten, bis
die in den preußischen Ministerinlerlassen vom 19. März in Aussicht gestellten
Gesetzentwürfe vorliegen. Vielleicht werden sie versuchen, einen "solchen
Apparat," obgleich er nicht "leicht herstellbar" ist, doch zu konstruieren. Viel¬
leicht ist der vom Königlich preußischen Regierungsrat Bingner erfnndne nur
ein Modell für unsre sozialen Gesetzentwurffabrikeir in Staat und Reich. Ans
den: Papier ist anch das unmögliche möglich. Vorläufig giebt es dieser Reform-
sucht gegenüber nur eine Parole: Hinaus aus der Großstadt mit der Massen-
iudustrie und den Arbeitermassen; dorthin mit ihnen, wo sür die ganze neue
sozialistische Wohuuugs- und Bodenpolitik nach Schmoller kein Bedürfnis vor¬
liegt. Dann wird in den Großstädten die Bahn frei werden für eine scharfe
Wohnungspolizei mit wirksamer, unabhängiger Wohnungsinspektion und für
den erfolgsichern Kampf gegen den Bauplatz- und Wohnungswucher durch
Wohnungsbau für die eignen Beamten und Arbeiter zunächst von selten des
Staats und der Gemeinden, aber dann anch -- wenn nicht willig, gezwungen --
von seiten der großen Erwerbsunternchmungen, die an den Ort gebunden sind.
Dann wird die Bahn frei werden auch für genossenschaftliche Wohnungsbeschaffung
ohne Almosenznschüsse, wie sie in England und Amerika seit langer Zeit in
Blüte steht, natürlich nur da, wo sie am Platze ist. Freilich wird diesen Ma߬
nahmen der Glorienschein fehlen, den die modernen Projektenmacher für ihre von
"sozialem Öl" triefende Stirn erstreben, aber die sozialen Reformen werden auf
sicherm, festem, erprobtein Grunde erstehn, allen zur Freude und niemand zu
Leide. Die ungeheuern Gewinne, die die Berliner Bodenspekulation in den letzten
fünfzehn Jahren dank des beispiellosen Zuströmens der Industriearbeiter, aber
auch dank einer beispiellos starken, anhaltenden, aber in der Hauptsache nnr
erfreulichen Zunahme des Reichtums der Bevölkerung eingeheimst hat, so
widerlich dieser Tanz um das goldne Kalb auch jeden anständigen, gebildeten
Mann anmute" mußte, darf nus nicht verleiten, die zu lösende Frage g,l> iraw
zu behandeln. Die agitatorische Verwertung dieser Widerlichkeiten spricht am
wenigsten für die Güte der Sache, die die sozialistischen Nesormsüchtler ver¬
treten. Aber darauf näher einzugehn wollen wir nus vorläufig versage". Es
^ wird sich dazu noch Gelegenheit finden.




gemeinnützigen Gesellschaften, Stiftirngen, human und billig geleiteten Aktien¬
gesellschaften, nach und nach möglichst viel Haus- und Grundbesitz an sich zu
zieh», das private Haus- und Grundeigentum, soweit es zu schlechter Ver-
waltung, korrupten Mietsverträgen, Bauschwindel und ähnlichem führt, in ein
gut verwaltetes Eigentum von solch hoher stehenden Gesellschaftsorgancn über¬
zuführen." Und schließlich: „In kleinen Städten und auf dem Lande liegt
zu all dem kein Bedürfnis vor." Das heißt doch wahrlich mit den aller,
ernstesten praktischen Fragen sx eMiscli-Ä spielen. Wir wollen abwarten, bis
die in den preußischen Ministerinlerlassen vom 19. März in Aussicht gestellten
Gesetzentwürfe vorliegen. Vielleicht werden sie versuchen, einen „solchen
Apparat," obgleich er nicht „leicht herstellbar" ist, doch zu konstruieren. Viel¬
leicht ist der vom Königlich preußischen Regierungsrat Bingner erfnndne nur
ein Modell für unsre sozialen Gesetzentwurffabrikeir in Staat und Reich. Ans
den: Papier ist anch das unmögliche möglich. Vorläufig giebt es dieser Reform-
sucht gegenüber nur eine Parole: Hinaus aus der Großstadt mit der Massen-
iudustrie und den Arbeitermassen; dorthin mit ihnen, wo sür die ganze neue
sozialistische Wohuuugs- und Bodenpolitik nach Schmoller kein Bedürfnis vor¬
liegt. Dann wird in den Großstädten die Bahn frei werden für eine scharfe
Wohnungspolizei mit wirksamer, unabhängiger Wohnungsinspektion und für
den erfolgsichern Kampf gegen den Bauplatz- und Wohnungswucher durch
Wohnungsbau für die eignen Beamten und Arbeiter zunächst von selten des
Staats und der Gemeinden, aber dann anch — wenn nicht willig, gezwungen —
von seiten der großen Erwerbsunternchmungen, die an den Ort gebunden sind.
Dann wird die Bahn frei werden auch für genossenschaftliche Wohnungsbeschaffung
ohne Almosenznschüsse, wie sie in England und Amerika seit langer Zeit in
Blüte steht, natürlich nur da, wo sie am Platze ist. Freilich wird diesen Ma߬
nahmen der Glorienschein fehlen, den die modernen Projektenmacher für ihre von
„sozialem Öl" triefende Stirn erstreben, aber die sozialen Reformen werden auf
sicherm, festem, erprobtein Grunde erstehn, allen zur Freude und niemand zu
Leide. Die ungeheuern Gewinne, die die Berliner Bodenspekulation in den letzten
fünfzehn Jahren dank des beispiellosen Zuströmens der Industriearbeiter, aber
auch dank einer beispiellos starken, anhaltenden, aber in der Hauptsache nnr
erfreulichen Zunahme des Reichtums der Bevölkerung eingeheimst hat, so
widerlich dieser Tanz um das goldne Kalb auch jeden anständigen, gebildeten
Mann anmute» mußte, darf nus nicht verleiten, die zu lösende Frage g,l> iraw
zu behandeln. Die agitatorische Verwertung dieser Widerlichkeiten spricht am
wenigsten für die Güte der Sache, die die sozialistischen Nesormsüchtler ver¬
treten. Aber darauf näher einzugehn wollen wir nus vorläufig versage». Es
^ wird sich dazu noch Gelegenheit finden.




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[0602] gemeinnützigen Gesellschaften, Stiftirngen, human und billig geleiteten Aktien¬ gesellschaften, nach und nach möglichst viel Haus- und Grundbesitz an sich zu zieh», das private Haus- und Grundeigentum, soweit es zu schlechter Ver- waltung, korrupten Mietsverträgen, Bauschwindel und ähnlichem führt, in ein gut verwaltetes Eigentum von solch hoher stehenden Gesellschaftsorgancn über¬ zuführen." Und schließlich: „In kleinen Städten und auf dem Lande liegt zu all dem kein Bedürfnis vor." Das heißt doch wahrlich mit den aller, ernstesten praktischen Fragen sx eMiscli-Ä spielen. Wir wollen abwarten, bis die in den preußischen Ministerinlerlassen vom 19. März in Aussicht gestellten Gesetzentwürfe vorliegen. Vielleicht werden sie versuchen, einen „solchen Apparat," obgleich er nicht „leicht herstellbar" ist, doch zu konstruieren. Viel¬ leicht ist der vom Königlich preußischen Regierungsrat Bingner erfnndne nur ein Modell für unsre sozialen Gesetzentwurffabrikeir in Staat und Reich. Ans den: Papier ist anch das unmögliche möglich. Vorläufig giebt es dieser Reform- sucht gegenüber nur eine Parole: Hinaus aus der Großstadt mit der Massen- iudustrie und den Arbeitermassen; dorthin mit ihnen, wo sür die ganze neue sozialistische Wohuuugs- und Bodenpolitik nach Schmoller kein Bedürfnis vor¬ liegt. Dann wird in den Großstädten die Bahn frei werden für eine scharfe Wohnungspolizei mit wirksamer, unabhängiger Wohnungsinspektion und für den erfolgsichern Kampf gegen den Bauplatz- und Wohnungswucher durch Wohnungsbau für die eignen Beamten und Arbeiter zunächst von selten des Staats und der Gemeinden, aber dann anch — wenn nicht willig, gezwungen — von seiten der großen Erwerbsunternchmungen, die an den Ort gebunden sind. Dann wird die Bahn frei werden auch für genossenschaftliche Wohnungsbeschaffung ohne Almosenznschüsse, wie sie in England und Amerika seit langer Zeit in Blüte steht, natürlich nur da, wo sie am Platze ist. Freilich wird diesen Ma߬ nahmen der Glorienschein fehlen, den die modernen Projektenmacher für ihre von „sozialem Öl" triefende Stirn erstreben, aber die sozialen Reformen werden auf sicherm, festem, erprobtein Grunde erstehn, allen zur Freude und niemand zu Leide. Die ungeheuern Gewinne, die die Berliner Bodenspekulation in den letzten fünfzehn Jahren dank des beispiellosen Zuströmens der Industriearbeiter, aber auch dank einer beispiellos starken, anhaltenden, aber in der Hauptsache nnr erfreulichen Zunahme des Reichtums der Bevölkerung eingeheimst hat, so widerlich dieser Tanz um das goldne Kalb auch jeden anständigen, gebildeten Mann anmute» mußte, darf nus nicht verleiten, die zu lösende Frage g,l> iraw zu behandeln. Die agitatorische Verwertung dieser Widerlichkeiten spricht am wenigsten für die Güte der Sache, die die sozialistischen Nesormsüchtler ver¬ treten. Aber darauf näher einzugehn wollen wir nus vorläufig versage». Es ^ wird sich dazu noch Gelegenheit finden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/602>, abgerufen am 03.07.2024.