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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Wohnungs- und Bodenpolitik

sind der schutzzölluerischeu Bestrebungen ist vorüber: mit dem Anwachsen der
Trusts, die sie emporgehoben hat, treten auch deren Schattenseiten immer
stärker hervor, und das amerikanische Volk wird es allmählich müde, den Trusts
hohe Jnlnndpreise zu bezahlen, damit sie auf dem Weltmarkt das Ausland
unterbieten können. Wenn auch der Antrag Babeock vom 11, Februar d. I.
auf Abschaffung der Eisenzölle diesesmal noch sang- und klanglos begraben
wurde, so ist er doch vielleicht der Vorbote des kommenden Sturms gegen die
bestehende Zollgesetzgebung. Durch ihren Fall würde allerdings die Gefahr,
die dein europäischen Eisengewerbe von drüben droht, ganz bedeutend verringert
Th. Leu schau Werden.




Wohnungs- und Bodenpolitik
(Fortsetzung)

or dem Eingehn auf die zum guten Teil berechtigte, zum Teil
auch sehr übertriebne und einseitige Kritik, die die modernen
Sozialreformer der großstädtischen Wvhnungs- und Bodenpolitik
des neunzehnten Jahrhunderts angedeihen lassen, und der kurzen
Würdigung der gleichfalls teils berechtigten, teils über das Ziel
hinausschießenden neuern Ncformvorschlüge ist zunächst noch einiges über die
ganz besonders wichtigen aber noch immer arg unterschätzten Maßregeln zu
sagen, die der "Wasserkopfbildung" vorbeugen sollen, und ohne die jede Reform
des städtischen Wohnungswesens geradezu verhängnisvoll werden kann: die
Eindämmung der Landflucht in den Wegzugsgebieteu selbst.

Wie überhaupt, so kann freilich auch in dieser Beziehung hier an eine
auch nur annähernd erschöpfende Behandlung der Fragen nicht gedacht werden,
da das unsern Nahmen weit überschreiten würde. Es kann mir hier nur
darauf ankommen, den größer,: gebildeten Leserkreis für einige allgemeine
Dinge zu interessieren, die bei der augenscheinlich jetzt kräftiger in Fluß
kommenden großen wohnungs- und bodeupolitischen Neformfrage mir besonders
beachtenswert erscheinen, während auf die zahlreichen, gleichfalls sehr wichtigen
wirtschaftlichen, technischen und juristischen Einzelheiten einzugehn sich wohl in
den nächsten Jahren auch für die Grenzboten noch oft genug Gelegenheit
bieten wird.

Im Jahre 1892 schloß der ans dem Gebiet der Sozialrcform und Sozial-
statistik rühmlichst bekannte Berliner Statistiker Dr. G. Berthold einen Aufsah
im Allgemeinen Statistischen Archiv (G. v. Mähr) über "Die Wohnungsverhält-
nisse der ärmern Klassen in Berlin" mit folgender beherzigenswerten Bemerkung:
"Je besser und billiger die kleinen Wohnungen in Berlin werden, desto mehr
steigt die Gefahr eines stärkern ländlichen Zuzugs. Um diesem Vorzubeugen,


Grenzbvte" II 1901 gu
Wohnungs- und Bodenpolitik

sind der schutzzölluerischeu Bestrebungen ist vorüber: mit dem Anwachsen der
Trusts, die sie emporgehoben hat, treten auch deren Schattenseiten immer
stärker hervor, und das amerikanische Volk wird es allmählich müde, den Trusts
hohe Jnlnndpreise zu bezahlen, damit sie auf dem Weltmarkt das Ausland
unterbieten können. Wenn auch der Antrag Babeock vom 11, Februar d. I.
auf Abschaffung der Eisenzölle diesesmal noch sang- und klanglos begraben
wurde, so ist er doch vielleicht der Vorbote des kommenden Sturms gegen die
bestehende Zollgesetzgebung. Durch ihren Fall würde allerdings die Gefahr,
die dein europäischen Eisengewerbe von drüben droht, ganz bedeutend verringert
Th. Leu schau Werden.




Wohnungs- und Bodenpolitik
(Fortsetzung)

or dem Eingehn auf die zum guten Teil berechtigte, zum Teil
auch sehr übertriebne und einseitige Kritik, die die modernen
Sozialreformer der großstädtischen Wvhnungs- und Bodenpolitik
des neunzehnten Jahrhunderts angedeihen lassen, und der kurzen
Würdigung der gleichfalls teils berechtigten, teils über das Ziel
hinausschießenden neuern Ncformvorschlüge ist zunächst noch einiges über die
ganz besonders wichtigen aber noch immer arg unterschätzten Maßregeln zu
sagen, die der „Wasserkopfbildung" vorbeugen sollen, und ohne die jede Reform
des städtischen Wohnungswesens geradezu verhängnisvoll werden kann: die
Eindämmung der Landflucht in den Wegzugsgebieteu selbst.

Wie überhaupt, so kann freilich auch in dieser Beziehung hier an eine
auch nur annähernd erschöpfende Behandlung der Fragen nicht gedacht werden,
da das unsern Nahmen weit überschreiten würde. Es kann mir hier nur
darauf ankommen, den größer,: gebildeten Leserkreis für einige allgemeine
Dinge zu interessieren, die bei der augenscheinlich jetzt kräftiger in Fluß
kommenden großen wohnungs- und bodeupolitischen Neformfrage mir besonders
beachtenswert erscheinen, während auf die zahlreichen, gleichfalls sehr wichtigen
wirtschaftlichen, technischen und juristischen Einzelheiten einzugehn sich wohl in
den nächsten Jahren auch für die Grenzboten noch oft genug Gelegenheit
bieten wird.

Im Jahre 1892 schloß der ans dem Gebiet der Sozialrcform und Sozial-
statistik rühmlichst bekannte Berliner Statistiker Dr. G. Berthold einen Aufsah
im Allgemeinen Statistischen Archiv (G. v. Mähr) über „Die Wohnungsverhält-
nisse der ärmern Klassen in Berlin" mit folgender beherzigenswerten Bemerkung:
„Je besser und billiger die kleinen Wohnungen in Berlin werden, desto mehr
steigt die Gefahr eines stärkern ländlichen Zuzugs. Um diesem Vorzubeugen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/553>, abgerufen am 22.07.2024.