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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Friedrich List

lisierte den größten Teil unsers nnswkrtigen Handels, gründete für sich allein reiche überseeische
Kolonien und gebot fast nach Willkür über unsern besten deutschen Strom, Wahrend so um
unserm westlichen Seegeviet ein eignes Handelsreich erstand, das die größere Hälfte des deutschen
Nntionalkörpers seinen besondern Interessen dienstbar machte, blieben unsre östlichen Seestädte
jahrhundertelang ihrem Schicksal überlassen und sogar den nordafrikanischen Seeräubern preis¬
gegeben; und als ob daS nicht zugereicht hätte, Handel und Gewerbe Deutschlands zu Grunde
zu richten und alles Nationalgefühl zu töten, errichtete auch noch jeder deutsche Binnenstnat
Zvlllinien gegen seine Bruderstaaten, Mit einem Wort, Deutschland arbeitete von Geschlecht zu
Geschlecht so eifrig und unablässig an seinem Untergang, wie die andern Reiche um ihrer Größe,
bis es endlich sein Ziel erreichte: die Auflösung seines Nationalkörpers, Die Zeit dieser Auf¬
lösung, da deutsche Festungskommandantcn den herannahenden Generalen der großen Nation
die Schlüssel ihrer festen Plätze meilenweit entgegentrugen, da die Fürsten Deutschlands bei
dem mächtigen Imperator antichambrierten, diese traurige Zeit hat man nachher die Zeit der
Schmach und der tiefsten Erniedrigung Deutschlands genannt, Hütte man damals, als den
Hansestädten die Ehre zu teil ward, in französische Präfektensitze verwandelt zu werden, den
Weisheiten von Hamburg und Bremen, von Hannover und Mecklenburg das Wiederersteht! der
deutschen Nationalität und die Gründung eines deutschen Zoll- und Handelsvcreins geweissagt,
und ihnen ihre Befreiung verheißen unter der Bedingung, daß sie sich den Forderungen einer
nationalen Handelspolitik zu unterwerfen hätten, würden sie wohl diese Forderung natürlich,
billig und zweckmäßig gefunden, würden sie das Dargebotne dankbar und freudig angenommen
haben?

Dank Rostopschin und den: kalten Winter von 181Z kam diesmal die deutsche Nationalität
mit der Todesfurcht davon. Aber hat sie sich die Todesgefahr auch zur Warnung dienen lassen?
Sind auf dem Wiener Kongreß die Ursachen jener Nationalschmäche entfernt worden, durch die
Deutschland kurz vorher an den Rand des Verderbens gebracht worden war? Hat man dort
berücksichtigt, daß Mächte, die damals unsre Alliierten waren, im Laufe der Zeit unsre bittersten
Feinde werden, und daß die Gedemütigtcn und Geschwächten dermaleinst wieder zu Kräften
kommen und übermütig werden können ? Ohne die ganze Bundesakte einer Kritik zu unterziehn,
müssen wir uns doch die Bemerkung erlauben, daß bei dieser Wiedergeburt Deutschlands für
die materiellen Interessen nicht die nötige Vorsorge getroffen worden ist. Wie verschieden man
über die Organisation des Bundes denken mag, darin werden alle denkenden Männer aller
Parteien und Stellungen übereinstimmen, daß die künftige Sicherheit und Macht Deutschlands
hauptsächlich auf den materiellen Kräften und der Stärke des Nationalgefühls seiner Völker
beruhen, und daß beide großenteils abhängig seien von der nationalen Handelseinheit und einer
kräftigen nationalen Handelspolitik; denn es ist eitel Thorheit, von einem Volk, das nicht einmal
der materiellen Wohlthaten einer großen Nationalität teilhaftig ist, Aufopferung und Begeisterung
für die Verteidigung seiner Nationalität zu erwarten. Auch war es hauptsächlich daS instinkt¬
artige Gefühl, daß einer Nation eine gemeinsame Handelspolitik so notwendig sei wie das liebe
Brot, was der Idee des Zollvereins so begeisterte Ausnahme bei dein großen deutschen Publikum
verschaffte. Der Zollverein soll die Deutschen ökonomisch und materiell zu einer Nation ver¬
binden; er soll in dieser Beziehung nach außen die Nation als ein Ganzes kräftig vertreten
und durch die Wahrung seiner auswärtigen Gesamtinteressen wie durch Bcschlltzung seiner innern
Gesamtproduktionskräfte die materielle Kraft der Ration stärken; er soll durch Verschmelzung
der Provinzialinteressen zu einem Nationalinteresse daS Nationnlgeftthl wecken und heben; er
soll nicht bloß die Gegenwart, sondern auch die Zukunft der Nation in: Auge haben; die
einzelnen deutschen Provinzen sollen stets des Spruchs eingedenk sein: Was hülfe es dir, fo du
die ganze Welt gewönnest und nahmest Schaden an deiner Nationalität,

Wie thöricht alle Einwendungen sind, die man gegen diese Ansichten aus den deutschen
Agrikulturintcressen schöpft fdie ostelbischen Landwirte waren bekanntlich wegen der Getreide¬
ausfuhr nach England von 1815 bis in die Mitte der siebziger Jahre enragierte Freihändlers
erhellt aus dem Bestreben der Engländer, ihren Getreidebedarf vor der Hand aus Nordamerika
zu ziehn, und späterhin ihre Kolonien zu ihren Kornkammern zu machen. Wir haben schon


Friedrich List

lisierte den größten Teil unsers nnswkrtigen Handels, gründete für sich allein reiche überseeische
Kolonien und gebot fast nach Willkür über unsern besten deutschen Strom, Wahrend so um
unserm westlichen Seegeviet ein eignes Handelsreich erstand, das die größere Hälfte des deutschen
Nntionalkörpers seinen besondern Interessen dienstbar machte, blieben unsre östlichen Seestädte
jahrhundertelang ihrem Schicksal überlassen und sogar den nordafrikanischen Seeräubern preis¬
gegeben; und als ob daS nicht zugereicht hätte, Handel und Gewerbe Deutschlands zu Grunde
zu richten und alles Nationalgefühl zu töten, errichtete auch noch jeder deutsche Binnenstnat
Zvlllinien gegen seine Bruderstaaten, Mit einem Wort, Deutschland arbeitete von Geschlecht zu
Geschlecht so eifrig und unablässig an seinem Untergang, wie die andern Reiche um ihrer Größe,
bis es endlich sein Ziel erreichte: die Auflösung seines Nationalkörpers, Die Zeit dieser Auf¬
lösung, da deutsche Festungskommandantcn den herannahenden Generalen der großen Nation
die Schlüssel ihrer festen Plätze meilenweit entgegentrugen, da die Fürsten Deutschlands bei
dem mächtigen Imperator antichambrierten, diese traurige Zeit hat man nachher die Zeit der
Schmach und der tiefsten Erniedrigung Deutschlands genannt, Hütte man damals, als den
Hansestädten die Ehre zu teil ward, in französische Präfektensitze verwandelt zu werden, den
Weisheiten von Hamburg und Bremen, von Hannover und Mecklenburg das Wiederersteht! der
deutschen Nationalität und die Gründung eines deutschen Zoll- und Handelsvcreins geweissagt,
und ihnen ihre Befreiung verheißen unter der Bedingung, daß sie sich den Forderungen einer
nationalen Handelspolitik zu unterwerfen hätten, würden sie wohl diese Forderung natürlich,
billig und zweckmäßig gefunden, würden sie das Dargebotne dankbar und freudig angenommen
haben?

Dank Rostopschin und den: kalten Winter von 181Z kam diesmal die deutsche Nationalität
mit der Todesfurcht davon. Aber hat sie sich die Todesgefahr auch zur Warnung dienen lassen?
Sind auf dem Wiener Kongreß die Ursachen jener Nationalschmäche entfernt worden, durch die
Deutschland kurz vorher an den Rand des Verderbens gebracht worden war? Hat man dort
berücksichtigt, daß Mächte, die damals unsre Alliierten waren, im Laufe der Zeit unsre bittersten
Feinde werden, und daß die Gedemütigtcn und Geschwächten dermaleinst wieder zu Kräften
kommen und übermütig werden können ? Ohne die ganze Bundesakte einer Kritik zu unterziehn,
müssen wir uns doch die Bemerkung erlauben, daß bei dieser Wiedergeburt Deutschlands für
die materiellen Interessen nicht die nötige Vorsorge getroffen worden ist. Wie verschieden man
über die Organisation des Bundes denken mag, darin werden alle denkenden Männer aller
Parteien und Stellungen übereinstimmen, daß die künftige Sicherheit und Macht Deutschlands
hauptsächlich auf den materiellen Kräften und der Stärke des Nationalgefühls seiner Völker
beruhen, und daß beide großenteils abhängig seien von der nationalen Handelseinheit und einer
kräftigen nationalen Handelspolitik; denn es ist eitel Thorheit, von einem Volk, das nicht einmal
der materiellen Wohlthaten einer großen Nationalität teilhaftig ist, Aufopferung und Begeisterung
für die Verteidigung seiner Nationalität zu erwarten. Auch war es hauptsächlich daS instinkt¬
artige Gefühl, daß einer Nation eine gemeinsame Handelspolitik so notwendig sei wie das liebe
Brot, was der Idee des Zollvereins so begeisterte Ausnahme bei dein großen deutschen Publikum
verschaffte. Der Zollverein soll die Deutschen ökonomisch und materiell zu einer Nation ver¬
binden; er soll in dieser Beziehung nach außen die Nation als ein Ganzes kräftig vertreten
und durch die Wahrung seiner auswärtigen Gesamtinteressen wie durch Bcschlltzung seiner innern
Gesamtproduktionskräfte die materielle Kraft der Ration stärken; er soll durch Verschmelzung
der Provinzialinteressen zu einem Nationalinteresse daS Nationnlgeftthl wecken und heben; er
soll nicht bloß die Gegenwart, sondern auch die Zukunft der Nation in: Auge haben; die
einzelnen deutschen Provinzen sollen stets des Spruchs eingedenk sein: Was hülfe es dir, fo du
die ganze Welt gewönnest und nahmest Schaden an deiner Nationalität,

Wie thöricht alle Einwendungen sind, die man gegen diese Ansichten aus den deutschen
Agrikulturintcressen schöpft fdie ostelbischen Landwirte waren bekanntlich wegen der Getreide¬
ausfuhr nach England von 1815 bis in die Mitte der siebziger Jahre enragierte Freihändlers
erhellt aus dem Bestreben der Engländer, ihren Getreidebedarf vor der Hand aus Nordamerika
zu ziehn, und späterhin ihre Kolonien zu ihren Kornkammern zu machen. Wir haben schon


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[0499] Friedrich List lisierte den größten Teil unsers nnswkrtigen Handels, gründete für sich allein reiche überseeische Kolonien und gebot fast nach Willkür über unsern besten deutschen Strom, Wahrend so um unserm westlichen Seegeviet ein eignes Handelsreich erstand, das die größere Hälfte des deutschen Nntionalkörpers seinen besondern Interessen dienstbar machte, blieben unsre östlichen Seestädte jahrhundertelang ihrem Schicksal überlassen und sogar den nordafrikanischen Seeräubern preis¬ gegeben; und als ob daS nicht zugereicht hätte, Handel und Gewerbe Deutschlands zu Grunde zu richten und alles Nationalgefühl zu töten, errichtete auch noch jeder deutsche Binnenstnat Zvlllinien gegen seine Bruderstaaten, Mit einem Wort, Deutschland arbeitete von Geschlecht zu Geschlecht so eifrig und unablässig an seinem Untergang, wie die andern Reiche um ihrer Größe, bis es endlich sein Ziel erreichte: die Auflösung seines Nationalkörpers, Die Zeit dieser Auf¬ lösung, da deutsche Festungskommandantcn den herannahenden Generalen der großen Nation die Schlüssel ihrer festen Plätze meilenweit entgegentrugen, da die Fürsten Deutschlands bei dem mächtigen Imperator antichambrierten, diese traurige Zeit hat man nachher die Zeit der Schmach und der tiefsten Erniedrigung Deutschlands genannt, Hütte man damals, als den Hansestädten die Ehre zu teil ward, in französische Präfektensitze verwandelt zu werden, den Weisheiten von Hamburg und Bremen, von Hannover und Mecklenburg das Wiederersteht! der deutschen Nationalität und die Gründung eines deutschen Zoll- und Handelsvcreins geweissagt, und ihnen ihre Befreiung verheißen unter der Bedingung, daß sie sich den Forderungen einer nationalen Handelspolitik zu unterwerfen hätten, würden sie wohl diese Forderung natürlich, billig und zweckmäßig gefunden, würden sie das Dargebotne dankbar und freudig angenommen haben? Dank Rostopschin und den: kalten Winter von 181Z kam diesmal die deutsche Nationalität mit der Todesfurcht davon. Aber hat sie sich die Todesgefahr auch zur Warnung dienen lassen? Sind auf dem Wiener Kongreß die Ursachen jener Nationalschmäche entfernt worden, durch die Deutschland kurz vorher an den Rand des Verderbens gebracht worden war? Hat man dort berücksichtigt, daß Mächte, die damals unsre Alliierten waren, im Laufe der Zeit unsre bittersten Feinde werden, und daß die Gedemütigtcn und Geschwächten dermaleinst wieder zu Kräften kommen und übermütig werden können ? Ohne die ganze Bundesakte einer Kritik zu unterziehn, müssen wir uns doch die Bemerkung erlauben, daß bei dieser Wiedergeburt Deutschlands für die materiellen Interessen nicht die nötige Vorsorge getroffen worden ist. Wie verschieden man über die Organisation des Bundes denken mag, darin werden alle denkenden Männer aller Parteien und Stellungen übereinstimmen, daß die künftige Sicherheit und Macht Deutschlands hauptsächlich auf den materiellen Kräften und der Stärke des Nationalgefühls seiner Völker beruhen, und daß beide großenteils abhängig seien von der nationalen Handelseinheit und einer kräftigen nationalen Handelspolitik; denn es ist eitel Thorheit, von einem Volk, das nicht einmal der materiellen Wohlthaten einer großen Nationalität teilhaftig ist, Aufopferung und Begeisterung für die Verteidigung seiner Nationalität zu erwarten. Auch war es hauptsächlich daS instinkt¬ artige Gefühl, daß einer Nation eine gemeinsame Handelspolitik so notwendig sei wie das liebe Brot, was der Idee des Zollvereins so begeisterte Ausnahme bei dein großen deutschen Publikum verschaffte. Der Zollverein soll die Deutschen ökonomisch und materiell zu einer Nation ver¬ binden; er soll in dieser Beziehung nach außen die Nation als ein Ganzes kräftig vertreten und durch die Wahrung seiner auswärtigen Gesamtinteressen wie durch Bcschlltzung seiner innern Gesamtproduktionskräfte die materielle Kraft der Ration stärken; er soll durch Verschmelzung der Provinzialinteressen zu einem Nationalinteresse daS Nationnlgeftthl wecken und heben; er soll nicht bloß die Gegenwart, sondern auch die Zukunft der Nation in: Auge haben; die einzelnen deutschen Provinzen sollen stets des Spruchs eingedenk sein: Was hülfe es dir, fo du die ganze Welt gewönnest und nahmest Schaden an deiner Nationalität, Wie thöricht alle Einwendungen sind, die man gegen diese Ansichten aus den deutschen Agrikulturintcressen schöpft fdie ostelbischen Landwirte waren bekanntlich wegen der Getreide¬ ausfuhr nach England von 1815 bis in die Mitte der siebziger Jahre enragierte Freihändlers erhellt aus dem Bestreben der Engländer, ihren Getreidebedarf vor der Hand aus Nordamerika zu ziehn, und späterhin ihre Kolonien zu ihren Kornkammern zu machen. Wir haben schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/499>, abgerufen am 24.08.2024.