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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Gin Notschrei aus Bosnien und der Herzegowina

dringt er wieder auf interkonfessionelle Schulen mit Schulzwang, Einer Teil¬
nahme der Eingebornen an der Regierung steht er zunächst völlig ablehnend
gegenüber, da es den Muhammedanern an allen Kenntnisse", den Christen an
Fähigkeit und Autorität hierzu fehle. Dagegen sieht er in der Errichtung einer
höhnisch-herzegowinischen Wehrkraft für die Zukunft ein Mittel, die öster¬
reichische Heeresmacht zu vermehren, da die Kriegstüchtigkeit der Bewohner
der okkupierten Länder außergewöhnlich groß sei. Vor allein aus strategischen
Gründen aber verlangt er die Schaffung von Kommunikationen; denn ein
Gebirgslnnd wie Bosnien und die Herzegowina sei ohne solche für die Offensive
unbrauchbar, da fich weder Truppen noch Nachschübe bewegen könnten, in
der Defensive eine Falle für die dort stehenden Truppen.

Völlig verwirft er das Verlangen des Ministeriums, daß unter Bei¬
behaltung der gegenwärtigen Organisation die Einnahmen des Landes alle Be¬
dürfnisse decken und nur solche Aufwendungen gemacht werden sollten, deren
unmittelbarer Gewinn in sicherer Aussicht stehe. Diese Fordruug, sagt der
Herzog, schade dem materiellen Aufschwung, untergrabe die Autorität, hemme
den Fortschritt und gefährde politisch wie militärisch die Stellung Österreichs
im Lande. Habe man dem Lande eine seinen momentanen Bedürfnissen kaum
entsprechende moderne teure Verwaltungsorganisation gegeben, so sei man ver¬
pflichtet, ihm auch die erforderlichen Mittel zu den wichtigster, Jnvestiernngen
zu reichen, damit es sich hebe und die auferlegte Organisation zu trage" ver¬
möge. Während er sich demnach dagegen wehrte, daß der Chef der Landes¬
regierung zu einer Figur degradiert werde, die sich uach der jeweilig im
Ministerium herrschenden Strömung bewegen solle, verlangte er für die nächsten
Jahre ein von den unzuverlässigen schwankenden Landeseiuuähmen unabhängiges
Normnlbudget und nu Stelle der Politik von Fall zu Fall die Aufstellung
eines Arbeitsprogramms für einige Jahre voraus.

Wie bekannt, brachte das provisorische Wchrgesetz vom 24. Oktober 1881,
das die allgemeine Wehrpflicht auf Bosnien und die Herzegowina sowie ans
die Bocchesen der Krivosije Süddalmatiens ausdehnte, die sich schon 1869 mit
Erfolg gegen diese aufgelehnt hatten, im Okkupationsgebiet die Unzufriedenheit
vollends zur Reise. Der allgemeine Aufstand namentlich auch in der Herzego¬
wina wurde 1882 durch Feldmarschallleutnant Jovanovitsch niedergeschlagen,
und an die Stelle Slnvys trat im Juni 1882 als Neichssiuanzminister, dem,
unter Beihilfe des ständigen böhmischen Bnrenus in Wien, die Regierung des
Okkupationsgebiets zusteht, Benjamin von Kallav, der in Belgrad sechs Jahre
lang als Generalkonsul thätig gewesen war und während dieser Zeit mehrfach
große Reisen in der Balkanhalbinsel gemacht hatte, und daun auch als Delegierter
der ostrumelischcn Kommission um Berliner Kongreß 1878 teil genommen hatte.
Eine gute Kenntnis der Balkanhalbinsel und des Serbentums, also der Bevölke¬
rung auch von Bosnien ihrer Hauptsache nach -- 1877 gab er einen ersten
Band einer serbischen Geschichte heraus --, ist demnach bei ihm vorauszusetzen,
und es wird vou ihm gerühmt, er sei für die Hebung der okkupierten Gebiete


Gin Notschrei aus Bosnien und der Herzegowina

dringt er wieder auf interkonfessionelle Schulen mit Schulzwang, Einer Teil¬
nahme der Eingebornen an der Regierung steht er zunächst völlig ablehnend
gegenüber, da es den Muhammedanern an allen Kenntnisse«, den Christen an
Fähigkeit und Autorität hierzu fehle. Dagegen sieht er in der Errichtung einer
höhnisch-herzegowinischen Wehrkraft für die Zukunft ein Mittel, die öster¬
reichische Heeresmacht zu vermehren, da die Kriegstüchtigkeit der Bewohner
der okkupierten Länder außergewöhnlich groß sei. Vor allein aus strategischen
Gründen aber verlangt er die Schaffung von Kommunikationen; denn ein
Gebirgslnnd wie Bosnien und die Herzegowina sei ohne solche für die Offensive
unbrauchbar, da fich weder Truppen noch Nachschübe bewegen könnten, in
der Defensive eine Falle für die dort stehenden Truppen.

Völlig verwirft er das Verlangen des Ministeriums, daß unter Bei¬
behaltung der gegenwärtigen Organisation die Einnahmen des Landes alle Be¬
dürfnisse decken und nur solche Aufwendungen gemacht werden sollten, deren
unmittelbarer Gewinn in sicherer Aussicht stehe. Diese Fordruug, sagt der
Herzog, schade dem materiellen Aufschwung, untergrabe die Autorität, hemme
den Fortschritt und gefährde politisch wie militärisch die Stellung Österreichs
im Lande. Habe man dem Lande eine seinen momentanen Bedürfnissen kaum
entsprechende moderne teure Verwaltungsorganisation gegeben, so sei man ver¬
pflichtet, ihm auch die erforderlichen Mittel zu den wichtigster, Jnvestiernngen
zu reichen, damit es sich hebe und die auferlegte Organisation zu trage» ver¬
möge. Während er sich demnach dagegen wehrte, daß der Chef der Landes¬
regierung zu einer Figur degradiert werde, die sich uach der jeweilig im
Ministerium herrschenden Strömung bewegen solle, verlangte er für die nächsten
Jahre ein von den unzuverlässigen schwankenden Landeseiuuähmen unabhängiges
Normnlbudget und nu Stelle der Politik von Fall zu Fall die Aufstellung
eines Arbeitsprogramms für einige Jahre voraus.

Wie bekannt, brachte das provisorische Wchrgesetz vom 24. Oktober 1881,
das die allgemeine Wehrpflicht auf Bosnien und die Herzegowina sowie ans
die Bocchesen der Krivosije Süddalmatiens ausdehnte, die sich schon 1869 mit
Erfolg gegen diese aufgelehnt hatten, im Okkupationsgebiet die Unzufriedenheit
vollends zur Reise. Der allgemeine Aufstand namentlich auch in der Herzego¬
wina wurde 1882 durch Feldmarschallleutnant Jovanovitsch niedergeschlagen,
und an die Stelle Slnvys trat im Juni 1882 als Neichssiuanzminister, dem,
unter Beihilfe des ständigen böhmischen Bnrenus in Wien, die Regierung des
Okkupationsgebiets zusteht, Benjamin von Kallav, der in Belgrad sechs Jahre
lang als Generalkonsul thätig gewesen war und während dieser Zeit mehrfach
große Reisen in der Balkanhalbinsel gemacht hatte, und daun auch als Delegierter
der ostrumelischcn Kommission um Berliner Kongreß 1878 teil genommen hatte.
Eine gute Kenntnis der Balkanhalbinsel und des Serbentums, also der Bevölke¬
rung auch von Bosnien ihrer Hauptsache nach — 1877 gab er einen ersten
Band einer serbischen Geschichte heraus —, ist demnach bei ihm vorauszusetzen,
und es wird vou ihm gerühmt, er sei für die Hebung der okkupierten Gebiete


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/400>, abgerufen am 22.07.2024.