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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Mit den Buren im Felde

dann erregten die Mißklänge meinen äußersten Zorn, und ich ließ mich zu
recht häßliche" Verwünschungen hinreißen. Oven Tom. glich dann mit sanften
Ermahnungen alles ans, und ich versuchte, um den guten Manu nicht zu
kränken, in seinein Sinne zu leben. Seine Vorwürfe, daß ich meinen Charakter
sehr zu meinem Nachteil geändert hätte, suchte ich zu entkräften, indem ich
seinen Privatgottesdieust -- fünfmal täglich hielt er solchen ab -- besuchte.
War ich dessen satt, so führte mich der Teufel wieder zu den Varietevor-
stellungen, die es im Lager gab; besonders ein Jrländer, ein geborner Komiker,
leistete darin großartiges. Bei einer solchen Gelegenheit, lieber Oven, habe
ich dir mit Absicht und voller Überlegung einen Streich gespielt: gegen
deinen Geistlichen habe ich mich schwer versündigt. An dem Geburtstage des
Präsidenten Krüger sollte eine Festvorstellung stattfinden mit gemischtem Pro¬
gramm. Im Waschhaus war die Bühne, der übrige Raum war mit Benzolin-
kannen reihenweise besetzt, diese stellten Parkettplätze vor, die anch gegen Regen
geschützt waren, zu drei Pence das Stück. Ich kaufte ganze fünfzehn Plätze
und lud meine Freunde, darunter den Pfarrer, als Honoratioren ein. Hinter
dem Parkett, unter freiem Himmel, standen die übrigen Leute, eine undurch¬
dringliche Menschenmauer. Die Vorstellung beginnt, der erste Vortrag ist
sehr ernst und sehr würdig; dann kommt etwas heitres. Meines Pfarrers
Gesicht wird länger und länger. Was er hört, ist in keiner Bibel zu finden,
er kann nicht fort; so muß er wider Willen aushalten und sich schließlich noch
bei mir für die Genüsse bedanken.

In nahem Verkehr stand ich mit dein Hauptmann W, dem Leutnant R.
und dem Missionarssohn V. Als ich eines Tags dnrch das Lager ging, hörte
ich mich beim Namen rufen. Ich sah mich um und erkannte einen Mann, der
mit mir die Schulbank gedrückt, zuletzt in Metz als Offizier gestanden und
seinen Abschied genommen hatte, um den Krieg mitzumachen. Die alte Schul¬
freundschaft wurde sofort erneuert. Durch R. lernte ich den Hauptmann W.
kennen, der zuvor in Deutsch-Südwestafrika gestanden hatte. Er war ein vor¬
züglicher Schachspieler. Baden-Powell hatte ihm in Mafckiug ein Schachspiel
geschenkt, und Nur mußten zum Spiel antreten, aber immer aufs neue er¬
fahren, daß nur ihm nicht gewachsen waren. V. war eine Unternelunernatnr;
mit ihm habe ich Pläne ausgeheckt, wie wir nach dem Kriege in wenig Jahren
in die Zahl der südafrikanischen Krvsnsse einrücken werden.

Mit der Zeit wurde ich anch mit englischen Offizieren unsrer Oberwache
bekannt. Man nahm uns manchmal außerhalb des Lagers mit. Solcher
Gefälligkeit verdanke ich den Besuch von Napoleons Wohnhaus und Grab.
Auch führte man uns bei Privatleuten in Jamestvwn ein, was eine angenehme
AlNvechslnng in diesem so eintönigen Leben war.

Unsre Gesnndheitsverhültnisse waren mittelmäßig. Die Erkrankten wurden
nach Jamestvwn transportiert. Bei der oben erwähnten Erschießung eines
Kameraden war eine Sammlung im Lager veranstaltet worden, um einen Leichen¬
stein für ihn und für die nicht wieder Genesenden zu beschaffen. Bis zu meiner


Mit den Buren im Felde

dann erregten die Mißklänge meinen äußersten Zorn, und ich ließ mich zu
recht häßliche» Verwünschungen hinreißen. Oven Tom. glich dann mit sanften
Ermahnungen alles ans, und ich versuchte, um den guten Manu nicht zu
kränken, in seinein Sinne zu leben. Seine Vorwürfe, daß ich meinen Charakter
sehr zu meinem Nachteil geändert hätte, suchte ich zu entkräften, indem ich
seinen Privatgottesdieust — fünfmal täglich hielt er solchen ab — besuchte.
War ich dessen satt, so führte mich der Teufel wieder zu den Varietevor-
stellungen, die es im Lager gab; besonders ein Jrländer, ein geborner Komiker,
leistete darin großartiges. Bei einer solchen Gelegenheit, lieber Oven, habe
ich dir mit Absicht und voller Überlegung einen Streich gespielt: gegen
deinen Geistlichen habe ich mich schwer versündigt. An dem Geburtstage des
Präsidenten Krüger sollte eine Festvorstellung stattfinden mit gemischtem Pro¬
gramm. Im Waschhaus war die Bühne, der übrige Raum war mit Benzolin-
kannen reihenweise besetzt, diese stellten Parkettplätze vor, die anch gegen Regen
geschützt waren, zu drei Pence das Stück. Ich kaufte ganze fünfzehn Plätze
und lud meine Freunde, darunter den Pfarrer, als Honoratioren ein. Hinter
dem Parkett, unter freiem Himmel, standen die übrigen Leute, eine undurch¬
dringliche Menschenmauer. Die Vorstellung beginnt, der erste Vortrag ist
sehr ernst und sehr würdig; dann kommt etwas heitres. Meines Pfarrers
Gesicht wird länger und länger. Was er hört, ist in keiner Bibel zu finden,
er kann nicht fort; so muß er wider Willen aushalten und sich schließlich noch
bei mir für die Genüsse bedanken.

In nahem Verkehr stand ich mit dein Hauptmann W, dem Leutnant R.
und dem Missionarssohn V. Als ich eines Tags dnrch das Lager ging, hörte
ich mich beim Namen rufen. Ich sah mich um und erkannte einen Mann, der
mit mir die Schulbank gedrückt, zuletzt in Metz als Offizier gestanden und
seinen Abschied genommen hatte, um den Krieg mitzumachen. Die alte Schul¬
freundschaft wurde sofort erneuert. Durch R. lernte ich den Hauptmann W.
kennen, der zuvor in Deutsch-Südwestafrika gestanden hatte. Er war ein vor¬
züglicher Schachspieler. Baden-Powell hatte ihm in Mafckiug ein Schachspiel
geschenkt, und Nur mußten zum Spiel antreten, aber immer aufs neue er¬
fahren, daß nur ihm nicht gewachsen waren. V. war eine Unternelunernatnr;
mit ihm habe ich Pläne ausgeheckt, wie wir nach dem Kriege in wenig Jahren
in die Zahl der südafrikanischen Krvsnsse einrücken werden.

Mit der Zeit wurde ich anch mit englischen Offizieren unsrer Oberwache
bekannt. Man nahm uns manchmal außerhalb des Lagers mit. Solcher
Gefälligkeit verdanke ich den Besuch von Napoleons Wohnhaus und Grab.
Auch führte man uns bei Privatleuten in Jamestvwn ein, was eine angenehme
AlNvechslnng in diesem so eintönigen Leben war.

Unsre Gesnndheitsverhültnisse waren mittelmäßig. Die Erkrankten wurden
nach Jamestvwn transportiert. Bei der oben erwähnten Erschießung eines
Kameraden war eine Sammlung im Lager veranstaltet worden, um einen Leichen¬
stein für ihn und für die nicht wieder Genesenden zu beschaffen. Bis zu meiner


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[0339] Mit den Buren im Felde dann erregten die Mißklänge meinen äußersten Zorn, und ich ließ mich zu recht häßliche» Verwünschungen hinreißen. Oven Tom. glich dann mit sanften Ermahnungen alles ans, und ich versuchte, um den guten Manu nicht zu kränken, in seinein Sinne zu leben. Seine Vorwürfe, daß ich meinen Charakter sehr zu meinem Nachteil geändert hätte, suchte ich zu entkräften, indem ich seinen Privatgottesdieust — fünfmal täglich hielt er solchen ab — besuchte. War ich dessen satt, so führte mich der Teufel wieder zu den Varietevor- stellungen, die es im Lager gab; besonders ein Jrländer, ein geborner Komiker, leistete darin großartiges. Bei einer solchen Gelegenheit, lieber Oven, habe ich dir mit Absicht und voller Überlegung einen Streich gespielt: gegen deinen Geistlichen habe ich mich schwer versündigt. An dem Geburtstage des Präsidenten Krüger sollte eine Festvorstellung stattfinden mit gemischtem Pro¬ gramm. Im Waschhaus war die Bühne, der übrige Raum war mit Benzolin- kannen reihenweise besetzt, diese stellten Parkettplätze vor, die anch gegen Regen geschützt waren, zu drei Pence das Stück. Ich kaufte ganze fünfzehn Plätze und lud meine Freunde, darunter den Pfarrer, als Honoratioren ein. Hinter dem Parkett, unter freiem Himmel, standen die übrigen Leute, eine undurch¬ dringliche Menschenmauer. Die Vorstellung beginnt, der erste Vortrag ist sehr ernst und sehr würdig; dann kommt etwas heitres. Meines Pfarrers Gesicht wird länger und länger. Was er hört, ist in keiner Bibel zu finden, er kann nicht fort; so muß er wider Willen aushalten und sich schließlich noch bei mir für die Genüsse bedanken. In nahem Verkehr stand ich mit dein Hauptmann W, dem Leutnant R. und dem Missionarssohn V. Als ich eines Tags dnrch das Lager ging, hörte ich mich beim Namen rufen. Ich sah mich um und erkannte einen Mann, der mit mir die Schulbank gedrückt, zuletzt in Metz als Offizier gestanden und seinen Abschied genommen hatte, um den Krieg mitzumachen. Die alte Schul¬ freundschaft wurde sofort erneuert. Durch R. lernte ich den Hauptmann W. kennen, der zuvor in Deutsch-Südwestafrika gestanden hatte. Er war ein vor¬ züglicher Schachspieler. Baden-Powell hatte ihm in Mafckiug ein Schachspiel geschenkt, und Nur mußten zum Spiel antreten, aber immer aufs neue er¬ fahren, daß nur ihm nicht gewachsen waren. V. war eine Unternelunernatnr; mit ihm habe ich Pläne ausgeheckt, wie wir nach dem Kriege in wenig Jahren in die Zahl der südafrikanischen Krvsnsse einrücken werden. Mit der Zeit wurde ich anch mit englischen Offizieren unsrer Oberwache bekannt. Man nahm uns manchmal außerhalb des Lagers mit. Solcher Gefälligkeit verdanke ich den Besuch von Napoleons Wohnhaus und Grab. Auch führte man uns bei Privatleuten in Jamestvwn ein, was eine angenehme AlNvechslnng in diesem so eintönigen Leben war. Unsre Gesnndheitsverhültnisse waren mittelmäßig. Die Erkrankten wurden nach Jamestvwn transportiert. Bei der oben erwähnten Erschießung eines Kameraden war eine Sammlung im Lager veranstaltet worden, um einen Leichen¬ stein für ihn und für die nicht wieder Genesenden zu beschaffen. Bis zu meiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/339>, abgerufen am 22.07.2024.