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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Mit den Buren im Felde

Geschützrauch. Daran erkennen wir unsre Geschütze, Es mag Wohl de Wer
sein oder ein andres Kommando, das uns zu helfen sucht. Gegen Abend
nimmt das Artilleriefeuer auf unser Lager zu. Einige Wagen brennen, auf
andern explodiert die anfgeladne Munition. Meine Griqnaländer, die heute
zum erstenmal ins Gefecht gekommen sind, möchten unter dem Schutze der
Nacht einen Handstreich gegen die vor uns ausgefnhrnen Geschütze unter¬
nehmen. Ich bin dabei und werde als einziger, der den General kennt, be¬
auftragt, dessen Einwilligung einzuholen. Ich mache mich auf den Weg und
finde Cronje mit dein Schnmbok, einer Peitsche, in der Hand an dem Flußufer
stehn; er imponierte mir durch seine Ruhe. Ich trage unser Anliegen vor,
werde aber kurz abgefertigt mit dem Worten: "Unterläßt das, ihr würdet
unsre eignen Leute treffen," Als ich weiter reden wollte, wandte er sich einem
andern zu, sodaß ich mich als entlassen betrachten mußte, Cronjes Antwort
verstand ich damals so, als seien schon genügend andre der unsrigen in derselben
Absicht wie wir unterwegs; jetzt glaube ich, er hat damit entweder das Kom¬
mando de Wels oder die aus Natal herbcigernfnen Unterstützungen gemeint.

Ich berichtete zunächst meinen Kameraden den Mißerfolg meiner Sendung,
Wir beschlossen nun ins Lager zu gehn, um uns mit Lebensmitteln zu ver¬
sorgen. Unter den: Lichte des Mondes, den grellen Blitzen der springenden
Granaten und Schrapnells ging es vorsichtig zu meinem Ochsenwagen. Er
war noch unversehrt. Wir luden im Lichte einzelner brennender Wagen zu¬
nächst die Munitionskasten ab bis auf den Teil, den wir mitzunehmen ge¬
dachten, und vergruben sie. Dann packten wir Wasser und Lebensmittelsäcke
auf, nahmen die Spaten und Munition mit und zogen uns, immer die uns
beschießende Artillerie scharf im Auge haltend, zu unsrer Stellung zurück.
Dort heben wir mit der ganzen Energie, die nur der Selbsterhaltungstrieb
giebt, und die durch das fortwährende Sausen der Granaten in uns wach
gehalten wird, einen tiefen Graben aus, bringen unsre Schütze hinein und
erwarten dann den Morgen. An Schlaf war vor Aufregung nicht zu denken.
Dazu ließ einen der schreckliche Lärm der krepierenden Granaten, das Stöhnen
der vererdenden Zugochsen im Lager und das Geschrei der Knffern nicht zur
Ruhe kommen. Unausgesetzt erzitterte die Erde von einschlagenden Granaten,
ähnlich wie das ein nah vorbeirollender Eisenbahnzug thut. Das wirkte aus
die Nerven!

Gegen Morgen wird die Beschießung stärker. Der Feind muß Artillerie-
verstärkuug erhalten haben. Noch vor Sonnenaufgang beginnt ein starker
Jnfanteriecmgriff auf unsre Stellung, der vollständig scheitert; schon um acht
Uhr ist er abgeschlagen. Überall vor uns sehen nur das Feld mit Toten und
Verwundeten bedeckt; aber mich wir haben Verluste, Es mochte wohl eine
Stunde des Wiederaufatmens vergangen sein, als das Artilleriefeucr eingestellt
wird. Ein kurzer Hoffnungsstrahl! Bald hören wir, daß wir nicht befreit seien,
sondern daß General Cronje nur um einen vierundzwanzigstündigen Waffen¬
stillstand zur Beerdigung der Toten gebeten habe. Mein erster Gedanke war,


Mit den Buren im Felde

Geschützrauch. Daran erkennen wir unsre Geschütze, Es mag Wohl de Wer
sein oder ein andres Kommando, das uns zu helfen sucht. Gegen Abend
nimmt das Artilleriefeuer auf unser Lager zu. Einige Wagen brennen, auf
andern explodiert die anfgeladne Munition. Meine Griqnaländer, die heute
zum erstenmal ins Gefecht gekommen sind, möchten unter dem Schutze der
Nacht einen Handstreich gegen die vor uns ausgefnhrnen Geschütze unter¬
nehmen. Ich bin dabei und werde als einziger, der den General kennt, be¬
auftragt, dessen Einwilligung einzuholen. Ich mache mich auf den Weg und
finde Cronje mit dein Schnmbok, einer Peitsche, in der Hand an dem Flußufer
stehn; er imponierte mir durch seine Ruhe. Ich trage unser Anliegen vor,
werde aber kurz abgefertigt mit dem Worten: „Unterläßt das, ihr würdet
unsre eignen Leute treffen," Als ich weiter reden wollte, wandte er sich einem
andern zu, sodaß ich mich als entlassen betrachten mußte, Cronjes Antwort
verstand ich damals so, als seien schon genügend andre der unsrigen in derselben
Absicht wie wir unterwegs; jetzt glaube ich, er hat damit entweder das Kom¬
mando de Wels oder die aus Natal herbcigernfnen Unterstützungen gemeint.

Ich berichtete zunächst meinen Kameraden den Mißerfolg meiner Sendung,
Wir beschlossen nun ins Lager zu gehn, um uns mit Lebensmitteln zu ver¬
sorgen. Unter den: Lichte des Mondes, den grellen Blitzen der springenden
Granaten und Schrapnells ging es vorsichtig zu meinem Ochsenwagen. Er
war noch unversehrt. Wir luden im Lichte einzelner brennender Wagen zu¬
nächst die Munitionskasten ab bis auf den Teil, den wir mitzunehmen ge¬
dachten, und vergruben sie. Dann packten wir Wasser und Lebensmittelsäcke
auf, nahmen die Spaten und Munition mit und zogen uns, immer die uns
beschießende Artillerie scharf im Auge haltend, zu unsrer Stellung zurück.
Dort heben wir mit der ganzen Energie, die nur der Selbsterhaltungstrieb
giebt, und die durch das fortwährende Sausen der Granaten in uns wach
gehalten wird, einen tiefen Graben aus, bringen unsre Schütze hinein und
erwarten dann den Morgen. An Schlaf war vor Aufregung nicht zu denken.
Dazu ließ einen der schreckliche Lärm der krepierenden Granaten, das Stöhnen
der vererdenden Zugochsen im Lager und das Geschrei der Knffern nicht zur
Ruhe kommen. Unausgesetzt erzitterte die Erde von einschlagenden Granaten,
ähnlich wie das ein nah vorbeirollender Eisenbahnzug thut. Das wirkte aus
die Nerven!

Gegen Morgen wird die Beschießung stärker. Der Feind muß Artillerie-
verstärkuug erhalten haben. Noch vor Sonnenaufgang beginnt ein starker
Jnfanteriecmgriff auf unsre Stellung, der vollständig scheitert; schon um acht
Uhr ist er abgeschlagen. Überall vor uns sehen nur das Feld mit Toten und
Verwundeten bedeckt; aber mich wir haben Verluste, Es mochte wohl eine
Stunde des Wiederaufatmens vergangen sein, als das Artilleriefeucr eingestellt
wird. Ein kurzer Hoffnungsstrahl! Bald hören wir, daß wir nicht befreit seien,
sondern daß General Cronje nur um einen vierundzwanzigstündigen Waffen¬
stillstand zur Beerdigung der Toten gebeten habe. Mein erster Gedanke war,


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[0331] Mit den Buren im Felde Geschützrauch. Daran erkennen wir unsre Geschütze, Es mag Wohl de Wer sein oder ein andres Kommando, das uns zu helfen sucht. Gegen Abend nimmt das Artilleriefeuer auf unser Lager zu. Einige Wagen brennen, auf andern explodiert die anfgeladne Munition. Meine Griqnaländer, die heute zum erstenmal ins Gefecht gekommen sind, möchten unter dem Schutze der Nacht einen Handstreich gegen die vor uns ausgefnhrnen Geschütze unter¬ nehmen. Ich bin dabei und werde als einziger, der den General kennt, be¬ auftragt, dessen Einwilligung einzuholen. Ich mache mich auf den Weg und finde Cronje mit dein Schnmbok, einer Peitsche, in der Hand an dem Flußufer stehn; er imponierte mir durch seine Ruhe. Ich trage unser Anliegen vor, werde aber kurz abgefertigt mit dem Worten: „Unterläßt das, ihr würdet unsre eignen Leute treffen," Als ich weiter reden wollte, wandte er sich einem andern zu, sodaß ich mich als entlassen betrachten mußte, Cronjes Antwort verstand ich damals so, als seien schon genügend andre der unsrigen in derselben Absicht wie wir unterwegs; jetzt glaube ich, er hat damit entweder das Kom¬ mando de Wels oder die aus Natal herbcigernfnen Unterstützungen gemeint. Ich berichtete zunächst meinen Kameraden den Mißerfolg meiner Sendung, Wir beschlossen nun ins Lager zu gehn, um uns mit Lebensmitteln zu ver¬ sorgen. Unter den: Lichte des Mondes, den grellen Blitzen der springenden Granaten und Schrapnells ging es vorsichtig zu meinem Ochsenwagen. Er war noch unversehrt. Wir luden im Lichte einzelner brennender Wagen zu¬ nächst die Munitionskasten ab bis auf den Teil, den wir mitzunehmen ge¬ dachten, und vergruben sie. Dann packten wir Wasser und Lebensmittelsäcke auf, nahmen die Spaten und Munition mit und zogen uns, immer die uns beschießende Artillerie scharf im Auge haltend, zu unsrer Stellung zurück. Dort heben wir mit der ganzen Energie, die nur der Selbsterhaltungstrieb giebt, und die durch das fortwährende Sausen der Granaten in uns wach gehalten wird, einen tiefen Graben aus, bringen unsre Schütze hinein und erwarten dann den Morgen. An Schlaf war vor Aufregung nicht zu denken. Dazu ließ einen der schreckliche Lärm der krepierenden Granaten, das Stöhnen der vererdenden Zugochsen im Lager und das Geschrei der Knffern nicht zur Ruhe kommen. Unausgesetzt erzitterte die Erde von einschlagenden Granaten, ähnlich wie das ein nah vorbeirollender Eisenbahnzug thut. Das wirkte aus die Nerven! Gegen Morgen wird die Beschießung stärker. Der Feind muß Artillerie- verstärkuug erhalten haben. Noch vor Sonnenaufgang beginnt ein starker Jnfanteriecmgriff auf unsre Stellung, der vollständig scheitert; schon um acht Uhr ist er abgeschlagen. Überall vor uns sehen nur das Feld mit Toten und Verwundeten bedeckt; aber mich wir haben Verluste, Es mochte wohl eine Stunde des Wiederaufatmens vergangen sein, als das Artilleriefeucr eingestellt wird. Ein kurzer Hoffnungsstrahl! Bald hören wir, daß wir nicht befreit seien, sondern daß General Cronje nur um einen vierundzwanzigstündigen Waffen¬ stillstand zur Beerdigung der Toten gebeten habe. Mein erster Gedanke war,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/331>, abgerufen am 22.07.2024.