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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Mit den Buren im Felde

steinigen Abhang des Kopses hinab zu meinem Pferde und dem Kommando
nach, das ich in weiter Ferne reiten sehe. Das Schimmelchen Sporne ich mit
allen Mitteln, sogar mit dem Kolben meines Gewehrs zu verzweifelter An¬
strengung an, denn wir sind schon in starkem feindlichen Feuer. Rechts
und links von mir, unter dem Schimmel und über nur pfeifen die Kugeln,
bot ich doch auf den, Schimmelchen dem Feinde ein prächtiges Ziel, Mein
Glück verließ mich auch heute nicht. Obgleich nicht mehr als ein rascher
Schritt ans dem Pferdchen herauszuholen war, trug es mich -- es war mir
eine Ewigkeit .....- aus dem feindlichen Feuer hinaus bis zu dem schützenden
Flußbett. Dort verschonte ich mein Kommando nicht mit Vorwürfen, nicht
einmal Oven Tom, und besichtigte nochmals mein Schimmelchen. Getroffen
war es nicht, aber doch in hoffnungslosen Zustand; ich stieg darum nicht mehr
auf, sondern trieb es vor mir her dem Lager zu.

Es war schon dunkel, als ein Burenofsizier an mich heranritt und mich
unter Berufung ans das Kriegsgesetz und Androhung des Erschießens auf¬
forderte, das Pferd zu besteigen und mich seinem Kommando anzuschließen;
er mochte mich für einen Ausreißer halten. Ich weigerte mich unter Hinweis
ans den Zustand des Pferdes aufzusteigen, folgte ihm aber zu Fuße. Nach
wenig Schritten blieb mein Pferd stehn, es war nicht mehr von der Stelle
zu bringen. Auch der Offizier mußte eingesehen haben, daß seine Aufforderung
unausführbar gewesen war. Als er mich überdies bei dem Schein eines von
mir angezündeten Streichhölzchens erkannte, empfahl er sich, mir die Richtung
weisend, wo ich das Lager zu suchen hätte. Ich möchte mich, so rief er mir
noch zu, für die Nacht der Wache zur Verteidigung des Lagers anschließen.
Ich nahm um meine Decke von dem Sattel zu mir, erleichterte das Schim¬
melchen von Sattel und Zaumzeug und überließ es auf freiem Felde seinem
Schicksal. Nach mehrstündigem Marsch erreichte ich todmüde die Vorposten des
Lagers, das den ganzen Tag über seine Stelle in einer sogenannten Pfanne
iMn), einer Erdmulde, nicht verlassen hatte. Nachdem man mir etwas Mehl
und Wasser zum Essen verabreicht hatte, schlief ich zwischen den Steinen ein.

Gegen Mitternacht weckte man mich. Die Leute ans der Magersfonteiner
Stellung seien eingetroffen, so hieß es, und das Lager werde gleich aufbrechen.
Ich begab mich sofort dorthin und fand meinen Ochsenwagen nahe beim öst¬
lichen Ausgange der Mulde, dem einzigen, der ans der Nückznglinic lag. Über
die im Lager vorgegangne Ändrung war ich ganz starr. Offenbar hatten über¬
triebne Gerüchte von Mißerfolgen, die Nachricht von dem Entsatze Kimberleys
und die von Magersfontein eingetroffneu Mannschaften eine Aufregung ins
Lager gebracht, die verhängnisvoll wirken konnte. In Unrnhe erwartete man
den Befehl zum Abrücken, dann aber, als er kam, gab es kein Halten. Ganz
ohne Verstand versuchte jeder seinen Wagen zuerst durch den Ausgang zu
bringen, der doch in seiner Breite mir einen einzigen Wagen auf einmal durchließ.
Schon die zwei ersten Wagen fahren im Ausgange ineinander, die Verwirrung
ist fertig. Das Geschrei der die Ochsenwagen antreibenden Kaffern, das scharfe


Grenzboten II 1901 8!)
Mit den Buren im Felde

steinigen Abhang des Kopses hinab zu meinem Pferde und dem Kommando
nach, das ich in weiter Ferne reiten sehe. Das Schimmelchen Sporne ich mit
allen Mitteln, sogar mit dem Kolben meines Gewehrs zu verzweifelter An¬
strengung an, denn wir sind schon in starkem feindlichen Feuer. Rechts
und links von mir, unter dem Schimmel und über nur pfeifen die Kugeln,
bot ich doch auf den, Schimmelchen dem Feinde ein prächtiges Ziel, Mein
Glück verließ mich auch heute nicht. Obgleich nicht mehr als ein rascher
Schritt ans dem Pferdchen herauszuholen war, trug es mich — es war mir
eine Ewigkeit .....- aus dem feindlichen Feuer hinaus bis zu dem schützenden
Flußbett. Dort verschonte ich mein Kommando nicht mit Vorwürfen, nicht
einmal Oven Tom, und besichtigte nochmals mein Schimmelchen. Getroffen
war es nicht, aber doch in hoffnungslosen Zustand; ich stieg darum nicht mehr
auf, sondern trieb es vor mir her dem Lager zu.

Es war schon dunkel, als ein Burenofsizier an mich heranritt und mich
unter Berufung ans das Kriegsgesetz und Androhung des Erschießens auf¬
forderte, das Pferd zu besteigen und mich seinem Kommando anzuschließen;
er mochte mich für einen Ausreißer halten. Ich weigerte mich unter Hinweis
ans den Zustand des Pferdes aufzusteigen, folgte ihm aber zu Fuße. Nach
wenig Schritten blieb mein Pferd stehn, es war nicht mehr von der Stelle
zu bringen. Auch der Offizier mußte eingesehen haben, daß seine Aufforderung
unausführbar gewesen war. Als er mich überdies bei dem Schein eines von
mir angezündeten Streichhölzchens erkannte, empfahl er sich, mir die Richtung
weisend, wo ich das Lager zu suchen hätte. Ich möchte mich, so rief er mir
noch zu, für die Nacht der Wache zur Verteidigung des Lagers anschließen.
Ich nahm um meine Decke von dem Sattel zu mir, erleichterte das Schim¬
melchen von Sattel und Zaumzeug und überließ es auf freiem Felde seinem
Schicksal. Nach mehrstündigem Marsch erreichte ich todmüde die Vorposten des
Lagers, das den ganzen Tag über seine Stelle in einer sogenannten Pfanne
iMn), einer Erdmulde, nicht verlassen hatte. Nachdem man mir etwas Mehl
und Wasser zum Essen verabreicht hatte, schlief ich zwischen den Steinen ein.

Gegen Mitternacht weckte man mich. Die Leute ans der Magersfonteiner
Stellung seien eingetroffen, so hieß es, und das Lager werde gleich aufbrechen.
Ich begab mich sofort dorthin und fand meinen Ochsenwagen nahe beim öst¬
lichen Ausgange der Mulde, dem einzigen, der ans der Nückznglinic lag. Über
die im Lager vorgegangne Ändrung war ich ganz starr. Offenbar hatten über¬
triebne Gerüchte von Mißerfolgen, die Nachricht von dem Entsatze Kimberleys
und die von Magersfontein eingetroffneu Mannschaften eine Aufregung ins
Lager gebracht, die verhängnisvoll wirken konnte. In Unrnhe erwartete man
den Befehl zum Abrücken, dann aber, als er kam, gab es kein Halten. Ganz
ohne Verstand versuchte jeder seinen Wagen zuerst durch den Ausgang zu
bringen, der doch in seiner Breite mir einen einzigen Wagen auf einmal durchließ.
Schon die zwei ersten Wagen fahren im Ausgange ineinander, die Verwirrung
ist fertig. Das Geschrei der die Ochsenwagen antreibenden Kaffern, das scharfe


Grenzboten II 1901 8!)
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/281>, abgerufen am 03.07.2024.