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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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in Gazesäckchen darin liegende Lydditc mit einem Schwefelholz anzündeten. Das
grünlich gelbe Pulver verbrannte wie ein Schwefelfaden, brodelnd lind Blasen
treibend langsam und ohne explosive Wirkung.

Gegen den Feind wurde nichts unternommen. Unmittelbar nach der
Schlacht war der .Kriegsrat zusammengetreten, um über die Ausführung eines
Angriffs auf das englische Lager zu beraten. Der Angriff auf dessen Be¬
festigungen wurde für unausführbar erklärt, und ich habe mich später auf dem
Gefangnentransport selbst überzeugen können, daß er anch thatsächlich unaus¬
führbar war. Es hätte zahlreicher und schwerer Artillerie bedurft, um die
von den Engländern geschaffnen Befestigungen sturmfrei für Infanterie zu
machen. So beschloß man im Kriegsrat, zunächst die abwartende Stellung
beizubehalten. Unsre Truppen wuchsen nach und nach auf sechstausend Manu
an, und da die Engländer nichts unternehmen zu wollen schienen, so nahmen
viele der Unsrigen Urlaub in die Heimat, Ich verkürzte mir die viele Zeit,
die der Dienst mir frei ließ, durch Jagd, Mein Kommandant erteilte mir oft
für halbe Tage Urlaub, und so ritt ich mit meinem neu angeschaffte" Pferde
ins Feld, Wir lernten uns dabei gegenseitig kennen, und ich hatte überdies
den Vorteil, mich mit frischem Fleisch Versehen zu können. Ich schoß "Spring-
bokken," eine über ganz Südafrika verbreitete Art von Gazellen von noch
schmackhafteren Fleisch als Rehe. Auch für künftige schlechte Zeiten sorgte ich
vor, indem ich das nicht sofort verzehrte Fleisch in schmale Streifen schnitt
und es an der Luft trocknete, zu sogenanntem Biltong machte. Gegen Weih¬
nachten wurde es immer stiller, und so blieb es bis zur Jahreswende, die
unsrer Sache eine so schreckliche Wendung bringen sollte. Das neue Jahr
begaun mit einem falschen Alarm, Ein Stachelschwein war des Nachts gegen
drei Uhr an den Stacheldraht gestoßen und hatte uns dadurch alarmiert. Am
andern Morgen fanden wir das Tierchen von fünf Schüsse" durchbohrt am
Draht liegen.

Um diese Zeit drängte man im Kriegsrat zu energischeren Handeln, In
den ersten Tagen des Januars wohnte ich einer geheimen Sitzung des Kriegs¬
rath bei, worin ans das Drängen der jünger" "ut energischem Kommandanten,
namentlich DelarehS "ut de Wels der Beschluß gefaßt wurde, die rückwärts
liegende" Verbindungen des Feindes durch Zerstörung der Eisenbahn zwischen
Belmont und Modderriverstation zu ""terbrecheu. Dieser Plan muß den Eng¬
ländern bekannt geworden sein. Ich erinnere mich ganz genau, daß der Kriegsrat
an diesem Tage um zehn Uhr des Vormittags zu Ende war, und daß wir
schon denselben Tag gegen zwei Uhr nachmittags englische Kavallerie und
Artillerie südwärts abrücken sahen. Erst am folgenden Tage erfuhr ich den
Zweck dieser Bewegung von unserm Kommandanten, als er gerade aus dem
Kriegsrat zurückkam. Die Engländer waren ausgerückt, um die Eisenbahnlinie
zwischen den genannten Stationen stark zu besetze" und zur Verteidigung ein¬
zurichten. Unsre Patrouillen (rÄpportAiMAgr") hatten das festgestellt. So
war das Unternehmen wahrscheinlich infolge schlechter Wahrung des Dienst-


in Gazesäckchen darin liegende Lydditc mit einem Schwefelholz anzündeten. Das
grünlich gelbe Pulver verbrannte wie ein Schwefelfaden, brodelnd lind Blasen
treibend langsam und ohne explosive Wirkung.

Gegen den Feind wurde nichts unternommen. Unmittelbar nach der
Schlacht war der .Kriegsrat zusammengetreten, um über die Ausführung eines
Angriffs auf das englische Lager zu beraten. Der Angriff auf dessen Be¬
festigungen wurde für unausführbar erklärt, und ich habe mich später auf dem
Gefangnentransport selbst überzeugen können, daß er anch thatsächlich unaus¬
führbar war. Es hätte zahlreicher und schwerer Artillerie bedurft, um die
von den Engländern geschaffnen Befestigungen sturmfrei für Infanterie zu
machen. So beschloß man im Kriegsrat, zunächst die abwartende Stellung
beizubehalten. Unsre Truppen wuchsen nach und nach auf sechstausend Manu
an, und da die Engländer nichts unternehmen zu wollen schienen, so nahmen
viele der Unsrigen Urlaub in die Heimat, Ich verkürzte mir die viele Zeit,
die der Dienst mir frei ließ, durch Jagd, Mein Kommandant erteilte mir oft
für halbe Tage Urlaub, und so ritt ich mit meinem neu angeschaffte« Pferde
ins Feld, Wir lernten uns dabei gegenseitig kennen, und ich hatte überdies
den Vorteil, mich mit frischem Fleisch Versehen zu können. Ich schoß „Spring-
bokken," eine über ganz Südafrika verbreitete Art von Gazellen von noch
schmackhafteren Fleisch als Rehe. Auch für künftige schlechte Zeiten sorgte ich
vor, indem ich das nicht sofort verzehrte Fleisch in schmale Streifen schnitt
und es an der Luft trocknete, zu sogenanntem Biltong machte. Gegen Weih¬
nachten wurde es immer stiller, und so blieb es bis zur Jahreswende, die
unsrer Sache eine so schreckliche Wendung bringen sollte. Das neue Jahr
begaun mit einem falschen Alarm, Ein Stachelschwein war des Nachts gegen
drei Uhr an den Stacheldraht gestoßen und hatte uns dadurch alarmiert. Am
andern Morgen fanden wir das Tierchen von fünf Schüsse» durchbohrt am
Draht liegen.

Um diese Zeit drängte man im Kriegsrat zu energischeren Handeln, In
den ersten Tagen des Januars wohnte ich einer geheimen Sitzung des Kriegs¬
rath bei, worin ans das Drängen der jünger» »ut energischem Kommandanten,
namentlich DelarehS »ut de Wels der Beschluß gefaßt wurde, die rückwärts
liegende» Verbindungen des Feindes durch Zerstörung der Eisenbahn zwischen
Belmont und Modderriverstation zu »»terbrecheu. Dieser Plan muß den Eng¬
ländern bekannt geworden sein. Ich erinnere mich ganz genau, daß der Kriegsrat
an diesem Tage um zehn Uhr des Vormittags zu Ende war, und daß wir
schon denselben Tag gegen zwei Uhr nachmittags englische Kavallerie und
Artillerie südwärts abrücken sahen. Erst am folgenden Tage erfuhr ich den
Zweck dieser Bewegung von unserm Kommandanten, als er gerade aus dem
Kriegsrat zurückkam. Die Engländer waren ausgerückt, um die Eisenbahnlinie
zwischen den genannten Stationen stark zu besetze» und zur Verteidigung ein¬
zurichten. Unsre Patrouillen (rÄpportAiMAgr«) hatten das festgestellt. So
war das Unternehmen wahrscheinlich infolge schlechter Wahrung des Dienst-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/276>, abgerufen am 22.07.2024.