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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Fürst Bismarcks englische Politik

wieder einstellen. Sagte doch Fürst Bismarck in der Reichstagssitzung vom
5. Dezember 1876: "Wir haben mit England nicht minder wie mit Rußland die
Tradition einer hundertjährigen guten Beziehung die unter Umständen in dem
öffentlichen Gefühle ihre Momente der Erkaltung gehabt hat , ich kann wohl
sagen, mehr einseitig auf englischer Seite; wir find unsern ersten Neigungen
in der Beziehung fast durchgehends treu geblieben. Daß mitunter ein Pre߬
kampf unter beiden Böllern gelegentlich vorübergehend stattfindet, das hindert
nicht, daß die durch eine lange Geschichte bewährte Gemeinsamkeit mannig¬
facher Interessen und Meinungen zwischen uns und England auch für die
Zukunft der Bürge des Einverständnisses ist," und in der Rcichstngssitzuug
vom 19. Februar 1878: "Wir sind mit England in der glücklichen Lage,
keinen Streit der Interessen zwischen uns zu haben, es seien denn Handels¬
rivalitäten und vorübergehende Verstimmungen, die ja vorkommen, aber doch
nichts, was ernst zwei arbeitsame, friedliebende Nationen in Krieg bringen
könnte, und ich schmeichle mir deshalb, daß wir auch zwischen England und
Rußland unter Umstünden ebensogut Vertrauensperson sein können, wie ich
sicher bin, daß wir es zwischen Österreich und Rußland sind, wenn sie sich
nicht von selbst einigen können."

In der That stellt sich die Erregung gewisser Kreise gegen England als
die Verhetzung durch eine bestimmte Presse dar, die geschickt einige für die
Erkaltung des öffentlichen Gefühls vorhandne Anlasse künstlich aufgebauscht
hat; es liegt das ja im Wesen eines Teils der Presse, "fortzeugend Böses
zu gebären," indem sie aus Sensationslust Fenster einwirft, die nachher die
Regierung bezahlen muß. Welchen Schaden eine solche Presse für die aus¬
wärtigen Beziehungen des Staats anrichten kann, sprach Fürst Bismcirck
Moritz Busch gegenüber am 21. Oktober 1877 ans (Busch, Tagebuchblütter,
Band II, S. 487). Er sagte: "Die Presse hat die drei letzten Kriege ver¬
anlaßt; die dänische zwang den König und die Regierung zur Einverleibung
Schleswigs, und die österreichische und die süddeutsche hetzten gegen uns, die
französische hat zur Verlängerung des Feldzugs beigetragen."

Aus diesen Beispielen, die Fürst Bismarck anführt, geht hervor, ein wie
großes vaterländisches Verdienst sich die Regierungen und die Monarchen er¬
werben, die sich durch Volksstimmungen, die sie als gefährlich erkennen, nicht
beirren lassen um der Popularität willen.

"Es ist leicht für einen Staatsmann, sagte Fürst Bismarck in der preu¬
ßischen Kammer im Jahre 1850, sei es im Kabinett oder in der Kammer mit
dem populären Wind in die Kricgstrompete zu stoßen und sich dabei ein
seinem Kaminfeuer zu wärmen, oder von dieser Tribüne donnernde Reden zu
halten und es dem Musketier, der auf dem Schnee verblutet, zu überlasten,
ob sein System Sieg und Ruhm erwirbt oder nicht. Es ist nichts leichter
als das, aber wehe dem Staatsmann!" Es ist ein Zeichen staatsmännischen
Pflichtbewußtseins, daß sich unsre Regierung dein Toben der Bolksstimmung
entgegengestellt hat. Es ist aber nötig, ans eins hinzuweisen: kaum wäre die


Fürst Bismarcks englische Politik

wieder einstellen. Sagte doch Fürst Bismarck in der Reichstagssitzung vom
5. Dezember 1876: „Wir haben mit England nicht minder wie mit Rußland die
Tradition einer hundertjährigen guten Beziehung die unter Umständen in dem
öffentlichen Gefühle ihre Momente der Erkaltung gehabt hat , ich kann wohl
sagen, mehr einseitig auf englischer Seite; wir find unsern ersten Neigungen
in der Beziehung fast durchgehends treu geblieben. Daß mitunter ein Pre߬
kampf unter beiden Böllern gelegentlich vorübergehend stattfindet, das hindert
nicht, daß die durch eine lange Geschichte bewährte Gemeinsamkeit mannig¬
facher Interessen und Meinungen zwischen uns und England auch für die
Zukunft der Bürge des Einverständnisses ist," und in der Rcichstngssitzuug
vom 19. Februar 1878: „Wir sind mit England in der glücklichen Lage,
keinen Streit der Interessen zwischen uns zu haben, es seien denn Handels¬
rivalitäten und vorübergehende Verstimmungen, die ja vorkommen, aber doch
nichts, was ernst zwei arbeitsame, friedliebende Nationen in Krieg bringen
könnte, und ich schmeichle mir deshalb, daß wir auch zwischen England und
Rußland unter Umstünden ebensogut Vertrauensperson sein können, wie ich
sicher bin, daß wir es zwischen Österreich und Rußland sind, wenn sie sich
nicht von selbst einigen können."

In der That stellt sich die Erregung gewisser Kreise gegen England als
die Verhetzung durch eine bestimmte Presse dar, die geschickt einige für die
Erkaltung des öffentlichen Gefühls vorhandne Anlasse künstlich aufgebauscht
hat; es liegt das ja im Wesen eines Teils der Presse, „fortzeugend Böses
zu gebären," indem sie aus Sensationslust Fenster einwirft, die nachher die
Regierung bezahlen muß. Welchen Schaden eine solche Presse für die aus¬
wärtigen Beziehungen des Staats anrichten kann, sprach Fürst Bismcirck
Moritz Busch gegenüber am 21. Oktober 1877 ans (Busch, Tagebuchblütter,
Band II, S. 487). Er sagte: „Die Presse hat die drei letzten Kriege ver¬
anlaßt; die dänische zwang den König und die Regierung zur Einverleibung
Schleswigs, und die österreichische und die süddeutsche hetzten gegen uns, die
französische hat zur Verlängerung des Feldzugs beigetragen."

Aus diesen Beispielen, die Fürst Bismarck anführt, geht hervor, ein wie
großes vaterländisches Verdienst sich die Regierungen und die Monarchen er¬
werben, die sich durch Volksstimmungen, die sie als gefährlich erkennen, nicht
beirren lassen um der Popularität willen.

„Es ist leicht für einen Staatsmann, sagte Fürst Bismarck in der preu¬
ßischen Kammer im Jahre 1850, sei es im Kabinett oder in der Kammer mit
dem populären Wind in die Kricgstrompete zu stoßen und sich dabei ein
seinem Kaminfeuer zu wärmen, oder von dieser Tribüne donnernde Reden zu
halten und es dem Musketier, der auf dem Schnee verblutet, zu überlasten,
ob sein System Sieg und Ruhm erwirbt oder nicht. Es ist nichts leichter
als das, aber wehe dem Staatsmann!" Es ist ein Zeichen staatsmännischen
Pflichtbewußtseins, daß sich unsre Regierung dein Toben der Bolksstimmung
entgegengestellt hat. Es ist aber nötig, ans eins hinzuweisen: kaum wäre die


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[0154] Fürst Bismarcks englische Politik wieder einstellen. Sagte doch Fürst Bismarck in der Reichstagssitzung vom 5. Dezember 1876: „Wir haben mit England nicht minder wie mit Rußland die Tradition einer hundertjährigen guten Beziehung die unter Umständen in dem öffentlichen Gefühle ihre Momente der Erkaltung gehabt hat , ich kann wohl sagen, mehr einseitig auf englischer Seite; wir find unsern ersten Neigungen in der Beziehung fast durchgehends treu geblieben. Daß mitunter ein Pre߬ kampf unter beiden Böllern gelegentlich vorübergehend stattfindet, das hindert nicht, daß die durch eine lange Geschichte bewährte Gemeinsamkeit mannig¬ facher Interessen und Meinungen zwischen uns und England auch für die Zukunft der Bürge des Einverständnisses ist," und in der Rcichstngssitzuug vom 19. Februar 1878: „Wir sind mit England in der glücklichen Lage, keinen Streit der Interessen zwischen uns zu haben, es seien denn Handels¬ rivalitäten und vorübergehende Verstimmungen, die ja vorkommen, aber doch nichts, was ernst zwei arbeitsame, friedliebende Nationen in Krieg bringen könnte, und ich schmeichle mir deshalb, daß wir auch zwischen England und Rußland unter Umstünden ebensogut Vertrauensperson sein können, wie ich sicher bin, daß wir es zwischen Österreich und Rußland sind, wenn sie sich nicht von selbst einigen können." In der That stellt sich die Erregung gewisser Kreise gegen England als die Verhetzung durch eine bestimmte Presse dar, die geschickt einige für die Erkaltung des öffentlichen Gefühls vorhandne Anlasse künstlich aufgebauscht hat; es liegt das ja im Wesen eines Teils der Presse, „fortzeugend Böses zu gebären," indem sie aus Sensationslust Fenster einwirft, die nachher die Regierung bezahlen muß. Welchen Schaden eine solche Presse für die aus¬ wärtigen Beziehungen des Staats anrichten kann, sprach Fürst Bismcirck Moritz Busch gegenüber am 21. Oktober 1877 ans (Busch, Tagebuchblütter, Band II, S. 487). Er sagte: „Die Presse hat die drei letzten Kriege ver¬ anlaßt; die dänische zwang den König und die Regierung zur Einverleibung Schleswigs, und die österreichische und die süddeutsche hetzten gegen uns, die französische hat zur Verlängerung des Feldzugs beigetragen." Aus diesen Beispielen, die Fürst Bismarck anführt, geht hervor, ein wie großes vaterländisches Verdienst sich die Regierungen und die Monarchen er¬ werben, die sich durch Volksstimmungen, die sie als gefährlich erkennen, nicht beirren lassen um der Popularität willen. „Es ist leicht für einen Staatsmann, sagte Fürst Bismarck in der preu¬ ßischen Kammer im Jahre 1850, sei es im Kabinett oder in der Kammer mit dem populären Wind in die Kricgstrompete zu stoßen und sich dabei ein seinem Kaminfeuer zu wärmen, oder von dieser Tribüne donnernde Reden zu halten und es dem Musketier, der auf dem Schnee verblutet, zu überlasten, ob sein System Sieg und Ruhm erwirbt oder nicht. Es ist nichts leichter als das, aber wehe dem Staatsmann!" Es ist ein Zeichen staatsmännischen Pflichtbewußtseins, daß sich unsre Regierung dein Toben der Bolksstimmung entgegengestellt hat. Es ist aber nötig, ans eins hinzuweisen: kaum wäre die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/154>, abgerufen am 01.10.2024.