Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches einer Schlange gebissen wird, fürchtet mich den Strick (wohl, der auf dem Wege Soviel ans der jetzt von Krumbacher veröffentlichten Moskaner Sammlung; Erst wenn die große Sammlung neugriechischer Sprichwörter von Politis, von Die Veröffentlichung von Gerichtsverhandlungen durch die Presse. In der letzten Zeit hat, wie schon so oft, aufs neue eine gewisse Sorte der deutschen Überhaupt ist es wohl an der Zeit, die öffentliche Aufmerksamkeit auf einen Maßgebliches und Unmaßgebliches einer Schlange gebissen wird, fürchtet mich den Strick (wohl, der auf dem Wege Soviel ans der jetzt von Krumbacher veröffentlichten Moskaner Sammlung; Erst wenn die große Sammlung neugriechischer Sprichwörter von Politis, von Die Veröffentlichung von Gerichtsverhandlungen durch die Presse. In der letzten Zeit hat, wie schon so oft, aufs neue eine gewisse Sorte der deutschen Überhaupt ist es wohl an der Zeit, die öffentliche Aufmerksamkeit auf einen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0588" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234468"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1892" prev="#ID_1891"> einer Schlange gebissen wird, fürchtet mich den Strick (wohl, der auf dem Wege<lb/> liegt und aussieht wie eine Schlange), Wer gelitten hat, ist Arzt. — Bald<lb/> Ochs, bald Gras,</p><lb/> <p xml:id="ID_1893"> Soviel ans der jetzt von Krumbacher veröffentlichten Moskaner Sammlung;<lb/> doch kann ich es mir nicht versagen, mich eine Anzahl besonders schlagender mtttel-<lb/> griechischer Sprüche aus Kurtz Plauudes und andern Publikationen Krumbachers<lb/> anzufügein Keiner speit gegen den Himmel, ohne daß der Speichel ihm auf sein<lb/> eignes Gesicht fällt. — Du wirst nichts ausrichten, wenn dn einem Blinden zunickst<lb/> und eineni Tauben zuflüsterst. — Mein Freund, sei in meiner Not da und nicht<lb/> in meinem Wohlleben. — Ein Umweg zerbricht den Wagen nicht. — Wenn du<lb/> Eile hast, setz dich. — Wer die Stimme des Löwen nicht gehört hat, läuft, um sie<lb/> zu hören; wer sie aber gehört hat, flieht, um sie nicht zu hören. — Hast du einen<lb/> Armenier zum Freund, so wünsche dir keinen schlimmern Feind. — Hast dn den<lb/> Käse gegessen, so nimm auch, was im Käse drin war. — Beurteile den Taucher<lb/> nicht nach seinem Hinabtauchen, sondern nach dem Auftauchen. — Mit einem An¬<lb/> verwandten iß und trink, aber Geschäfte mach nicht mit ihm. — Wenn der Kaiser<lb/> dich verfolgt, flieh; wenn Gott, sitz nieder. — Der Geizige wird nach seinem Tode<lb/> geben, der Vielfraß nicht. — Gieb, Priester, da zog er die Hand ein. Nimm!<lb/> da streckte er sie hin. — Zu Kilt,desnöten die Wehmutter, zu Schmausereien der<lb/> Priester. - - Die Hand des Landmannes wird nicht verwundet. — Die Gesichter,<lb/> die sich nicht zeigen, geraten schnell in Vergessenheit. — Wo du Freund bist, leihe<lb/> nicht; und wo du liebst, gehe nicht häufig hin. — Wer eine Flasche spart, verliert<lb/> einen Schlauch. — Das schlechte Bistum nährt doch den Bischof. -- Bringt man<lb/> den Pfaffen herein, so bringt er auch den Diakon mit. — Ein fremder Schmerz:<lb/> ein Traum.</p><lb/> <p xml:id="ID_1894"> Erst wenn die große Sammlung neugriechischer Sprichwörter von Politis, von<lb/> der jetzt zwei Bände erschienen sind, fertig ist, werden wir den ganzen Sentenzen¬<lb/> reichtum der byzantinischen Periode erkennen können, denn Politis geht auf die<lb/> G<note type="byline"> M.</note> eschichte jedes Sprichwortes ein. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die Veröffentlichung von Gerichtsverhandlungen durch die Presse.</head><lb/> <p xml:id="ID_1895"> In der letzten Zeit hat, wie schon so oft, aufs neue eine gewisse Sorte der deutschen<lb/> Presse, die in diesen Blättern wiederholt nach Gebühr gekennzeichnet worden ist,<lb/> den Beweis erbracht, daß sie bei ihrer sich über alle Sitte und Sittlichkeit hinweg¬<lb/> setzenden, aus die niedrigste Sensationslust des gebildeten und ungebildeten Pöbels<lb/> berechneten Geschäftsmache vor keiner noch so jämmerlichen Handlungsweise zurück¬<lb/> sehend; kaum war die Blutthat vou Monza geschehn, so beeilten sich die Blätter<lb/> vom Schlage des Berliner Lokalanzeigers, das Bild des Mordbuben zu veröffent¬<lb/> lichen, und die „Woche" brachte sogar ein Bildnis, das eigens „für die Woche"<lb/> von einem „Professor" gezeichnet worden war. Der Deutsche läßt sich viel gefallen!<lb/> Wer sein Bild einem solchen Blatt zur Reproduktion überläßt, sollte das alte Wort<lb/> bedenken: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1896" next="#ID_1897"> Überhaupt ist es wohl an der Zeit, die öffentliche Aufmerksamkeit auf einen<lb/> Unfug zu lenken, der mit der Veröffentlichung der abscheulichste» Nichtswürdigkeiten<lb/> getrieben wird, insbesondre mit der journalistischen Ausbeutung der Gerichtsver¬<lb/> handlungen. Auch dem unaufmerksamer und flüchtige» Leser der Tagespresse kann<lb/> es nicht entgangen sein, zu welchem gewichtigen Bestandteil des täglichen Inhalts<lb/> gewisser Blätter sich die Wiedergabe von Gerichtsverhandlungen ausgewachsen hat.<lb/> Ganze Spalten, ganze Seiten und mehr werden mit de» ausführlichsten Erzählungen<lb/> von den Verhandlungen der Schöffengerichte, Strafkammern oder Schwurgerichte<lb/> ausgefüllt. Der Name des Angeklagten erscheint häufig nicht nnr voll angegeben,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0588]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
einer Schlange gebissen wird, fürchtet mich den Strick (wohl, der auf dem Wege
liegt und aussieht wie eine Schlange), Wer gelitten hat, ist Arzt. — Bald
Ochs, bald Gras,
Soviel ans der jetzt von Krumbacher veröffentlichten Moskaner Sammlung;
doch kann ich es mir nicht versagen, mich eine Anzahl besonders schlagender mtttel-
griechischer Sprüche aus Kurtz Plauudes und andern Publikationen Krumbachers
anzufügein Keiner speit gegen den Himmel, ohne daß der Speichel ihm auf sein
eignes Gesicht fällt. — Du wirst nichts ausrichten, wenn dn einem Blinden zunickst
und eineni Tauben zuflüsterst. — Mein Freund, sei in meiner Not da und nicht
in meinem Wohlleben. — Ein Umweg zerbricht den Wagen nicht. — Wenn du
Eile hast, setz dich. — Wer die Stimme des Löwen nicht gehört hat, läuft, um sie
zu hören; wer sie aber gehört hat, flieht, um sie nicht zu hören. — Hast du einen
Armenier zum Freund, so wünsche dir keinen schlimmern Feind. — Hast dn den
Käse gegessen, so nimm auch, was im Käse drin war. — Beurteile den Taucher
nicht nach seinem Hinabtauchen, sondern nach dem Auftauchen. — Mit einem An¬
verwandten iß und trink, aber Geschäfte mach nicht mit ihm. — Wenn der Kaiser
dich verfolgt, flieh; wenn Gott, sitz nieder. — Der Geizige wird nach seinem Tode
geben, der Vielfraß nicht. — Gieb, Priester, da zog er die Hand ein. Nimm!
da streckte er sie hin. — Zu Kilt,desnöten die Wehmutter, zu Schmausereien der
Priester. - - Die Hand des Landmannes wird nicht verwundet. — Die Gesichter,
die sich nicht zeigen, geraten schnell in Vergessenheit. — Wo du Freund bist, leihe
nicht; und wo du liebst, gehe nicht häufig hin. — Wer eine Flasche spart, verliert
einen Schlauch. — Das schlechte Bistum nährt doch den Bischof. -- Bringt man
den Pfaffen herein, so bringt er auch den Diakon mit. — Ein fremder Schmerz:
ein Traum.
Erst wenn die große Sammlung neugriechischer Sprichwörter von Politis, von
der jetzt zwei Bände erschienen sind, fertig ist, werden wir den ganzen Sentenzen¬
reichtum der byzantinischen Periode erkennen können, denn Politis geht auf die
G M. eschichte jedes Sprichwortes ein.
Die Veröffentlichung von Gerichtsverhandlungen durch die Presse.
In der letzten Zeit hat, wie schon so oft, aufs neue eine gewisse Sorte der deutschen
Presse, die in diesen Blättern wiederholt nach Gebühr gekennzeichnet worden ist,
den Beweis erbracht, daß sie bei ihrer sich über alle Sitte und Sittlichkeit hinweg¬
setzenden, aus die niedrigste Sensationslust des gebildeten und ungebildeten Pöbels
berechneten Geschäftsmache vor keiner noch so jämmerlichen Handlungsweise zurück¬
sehend; kaum war die Blutthat vou Monza geschehn, so beeilten sich die Blätter
vom Schlage des Berliner Lokalanzeigers, das Bild des Mordbuben zu veröffent¬
lichen, und die „Woche" brachte sogar ein Bildnis, das eigens „für die Woche"
von einem „Professor" gezeichnet worden war. Der Deutsche läßt sich viel gefallen!
Wer sein Bild einem solchen Blatt zur Reproduktion überläßt, sollte das alte Wort
bedenken: „Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist!"
Überhaupt ist es wohl an der Zeit, die öffentliche Aufmerksamkeit auf einen
Unfug zu lenken, der mit der Veröffentlichung der abscheulichste» Nichtswürdigkeiten
getrieben wird, insbesondre mit der journalistischen Ausbeutung der Gerichtsver¬
handlungen. Auch dem unaufmerksamer und flüchtige» Leser der Tagespresse kann
es nicht entgangen sein, zu welchem gewichtigen Bestandteil des täglichen Inhalts
gewisser Blätter sich die Wiedergabe von Gerichtsverhandlungen ausgewachsen hat.
Ganze Spalten, ganze Seiten und mehr werden mit de» ausführlichsten Erzählungen
von den Verhandlungen der Schöffengerichte, Strafkammern oder Schwurgerichte
ausgefüllt. Der Name des Angeklagten erscheint häufig nicht nnr voll angegeben,
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