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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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zwar auf ziemlich fester Unterlage gemacht und wiederholt geprüft worden.
Weder in der Kommission noch im Plenum des Abgeordnetenhauses wird
daran gerüttelt werden können. Auch diese Frage also ist für jeden, der nicht
prinzipiell und ganz unverständig Opposition machen will, abgethan.

Die Verzinsung und Abschreibung der Baukosten würde, wenn überhaupt
keine Kanaleinnahmen und keine Deckung der Betriebs- und Unterhaltungs¬
kosten dazu verfügbar bleiben, den Staat jährlich höchstens mit 5867170 Mark
belasten, während die Interessenten 3260250 Mark dafür aufbringen müssen.
Das wäre das Risiko, das der Staat liefe, wenn sich der Kanal gar nicht
rentierte; aber das ist, wie der Finanzminister mit Recht sagte, ein Risiko, das
ein Staat wie Preußen eingehen kann. In der Begründung heißt es darüber
ausdrücklich, daß sich voraussichtlich die Verhältnisse bei den als Neu- oder
Umbauten geplanten Kanälen und kanalisierten Flüssen viel günstiger als bei den
Vorflutregulierungen stellen würden. Bei den Kanälen sollten die Ausgaben
möglichst vollständig dnrch Schiffahrtsabgaben gedeckt werden. Wie hoch die
Einnahmen sein würden, lasse sich zwar nicht mit Bestimmtheit im voraus
übersehen. Wenn die in den Ertragsberechnungen nngenommnen Abgabensätze
thatsächlich eingeführt werden sollten -- worüber zur Zeit der Natur der Sache
nach noch keine Entscheidung getroffen werden könne - , würde bei mäßiger
Verkehrsschätznug später keine Zubuße mehr vom Staate nötig sein. Nach
den aufgestellten sorgfältigen Ertragsberechunugen, für deren thatsächliches Ein¬
treffen aber selbstverständlich die Staatsregierung keine Gewähr übernehmen
könne, würde nämlich nach einer Reihe von Übergangsjahren, beim Rhein-
Elbekanal etwa sechs, bei den östlichen Schiffahrtsstraßen etwa zwanzig Jahre,
eine finanzielle Leistung des Staats für den Rhein-Elbekanal, für die Berlin-
Hohenscmtheuer Wasserstraße, sowie für die kanalisierte Netze, den Bromberger
Kanal und die Uuterbrnhe nicht mehr erforderlich sein. -- Der Rhein-Eloe-
lanal wird also in dieser Beziehung weit günstiger beurteilt als die neu vor¬
geschlagnen Wasserstraßenprvjekte.

Aber ist diese günstige Beurteilung der Rentabilität des Rhein-Elbekanals
auch berechtigt? Um darauf zu antworten, können hier unmöglich die detail¬
lierten Berechnungen der Regierung geprüft und mit ihren Unterlagen dem
Leser vorgeführt werden. Wir wiederholen: sie sind von den besten Sachver¬
ständigen in Preußen aufgestellt und von den beiden unmittelbar verantwort¬
lichen Ministern, dem Finanzminister und dem Minister der öffentlichen Ar¬
beiten, denen niemand Leichtfertigkeit in fiskalischen Fragen zutraut, vertreten
worden. Diesen, alle Gewähr fachmännischer Zuverlässigkeit bietenden Schätzungen
"er Regierung stehn bisher fast nur ganz vage, doktrinäre Behauptungen und
willkürliche Annahmen der Opposition gegenüber, die zum Teil den Stempel
ärgster Unsachlichkeit und Übertreibung an sich tragen, und die sich, was be¬
sonders mißtrauisch macheu muß, untereinander schnurstracks widersprechen und
einander aufheben. Während nämlich fortgesetzt ohne Beweis behauptet wird,
dnß die Kanäle mit den Eisenbahnen nicht mehr konkurrieren und deshalb nicht


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zwar auf ziemlich fester Unterlage gemacht und wiederholt geprüft worden.
Weder in der Kommission noch im Plenum des Abgeordnetenhauses wird
daran gerüttelt werden können. Auch diese Frage also ist für jeden, der nicht
prinzipiell und ganz unverständig Opposition machen will, abgethan.

Die Verzinsung und Abschreibung der Baukosten würde, wenn überhaupt
keine Kanaleinnahmen und keine Deckung der Betriebs- und Unterhaltungs¬
kosten dazu verfügbar bleiben, den Staat jährlich höchstens mit 5867170 Mark
belasten, während die Interessenten 3260250 Mark dafür aufbringen müssen.
Das wäre das Risiko, das der Staat liefe, wenn sich der Kanal gar nicht
rentierte; aber das ist, wie der Finanzminister mit Recht sagte, ein Risiko, das
ein Staat wie Preußen eingehen kann. In der Begründung heißt es darüber
ausdrücklich, daß sich voraussichtlich die Verhältnisse bei den als Neu- oder
Umbauten geplanten Kanälen und kanalisierten Flüssen viel günstiger als bei den
Vorflutregulierungen stellen würden. Bei den Kanälen sollten die Ausgaben
möglichst vollständig dnrch Schiffahrtsabgaben gedeckt werden. Wie hoch die
Einnahmen sein würden, lasse sich zwar nicht mit Bestimmtheit im voraus
übersehen. Wenn die in den Ertragsberechnungen nngenommnen Abgabensätze
thatsächlich eingeführt werden sollten — worüber zur Zeit der Natur der Sache
nach noch keine Entscheidung getroffen werden könne - , würde bei mäßiger
Verkehrsschätznug später keine Zubuße mehr vom Staate nötig sein. Nach
den aufgestellten sorgfältigen Ertragsberechunugen, für deren thatsächliches Ein¬
treffen aber selbstverständlich die Staatsregierung keine Gewähr übernehmen
könne, würde nämlich nach einer Reihe von Übergangsjahren, beim Rhein-
Elbekanal etwa sechs, bei den östlichen Schiffahrtsstraßen etwa zwanzig Jahre,
eine finanzielle Leistung des Staats für den Rhein-Elbekanal, für die Berlin-
Hohenscmtheuer Wasserstraße, sowie für die kanalisierte Netze, den Bromberger
Kanal und die Uuterbrnhe nicht mehr erforderlich sein. — Der Rhein-Eloe-
lanal wird also in dieser Beziehung weit günstiger beurteilt als die neu vor¬
geschlagnen Wasserstraßenprvjekte.

Aber ist diese günstige Beurteilung der Rentabilität des Rhein-Elbekanals
auch berechtigt? Um darauf zu antworten, können hier unmöglich die detail¬
lierten Berechnungen der Regierung geprüft und mit ihren Unterlagen dem
Leser vorgeführt werden. Wir wiederholen: sie sind von den besten Sachver¬
ständigen in Preußen aufgestellt und von den beiden unmittelbar verantwort¬
lichen Ministern, dem Finanzminister und dem Minister der öffentlichen Ar¬
beiten, denen niemand Leichtfertigkeit in fiskalischen Fragen zutraut, vertreten
worden. Diesen, alle Gewähr fachmännischer Zuverlässigkeit bietenden Schätzungen
"er Regierung stehn bisher fast nur ganz vage, doktrinäre Behauptungen und
willkürliche Annahmen der Opposition gegenüber, die zum Teil den Stempel
ärgster Unsachlichkeit und Übertreibung an sich tragen, und die sich, was be¬
sonders mißtrauisch macheu muß, untereinander schnurstracks widersprechen und
einander aufheben. Während nämlich fortgesetzt ohne Beweis behauptet wird,
dnß die Kanäle mit den Eisenbahnen nicht mehr konkurrieren und deshalb nicht


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[0363] Zur neuen Aanalvorlage zwar auf ziemlich fester Unterlage gemacht und wiederholt geprüft worden. Weder in der Kommission noch im Plenum des Abgeordnetenhauses wird daran gerüttelt werden können. Auch diese Frage also ist für jeden, der nicht prinzipiell und ganz unverständig Opposition machen will, abgethan. Die Verzinsung und Abschreibung der Baukosten würde, wenn überhaupt keine Kanaleinnahmen und keine Deckung der Betriebs- und Unterhaltungs¬ kosten dazu verfügbar bleiben, den Staat jährlich höchstens mit 5867170 Mark belasten, während die Interessenten 3260250 Mark dafür aufbringen müssen. Das wäre das Risiko, das der Staat liefe, wenn sich der Kanal gar nicht rentierte; aber das ist, wie der Finanzminister mit Recht sagte, ein Risiko, das ein Staat wie Preußen eingehen kann. In der Begründung heißt es darüber ausdrücklich, daß sich voraussichtlich die Verhältnisse bei den als Neu- oder Umbauten geplanten Kanälen und kanalisierten Flüssen viel günstiger als bei den Vorflutregulierungen stellen würden. Bei den Kanälen sollten die Ausgaben möglichst vollständig dnrch Schiffahrtsabgaben gedeckt werden. Wie hoch die Einnahmen sein würden, lasse sich zwar nicht mit Bestimmtheit im voraus übersehen. Wenn die in den Ertragsberechnungen nngenommnen Abgabensätze thatsächlich eingeführt werden sollten — worüber zur Zeit der Natur der Sache nach noch keine Entscheidung getroffen werden könne - , würde bei mäßiger Verkehrsschätznug später keine Zubuße mehr vom Staate nötig sein. Nach den aufgestellten sorgfältigen Ertragsberechunugen, für deren thatsächliches Ein¬ treffen aber selbstverständlich die Staatsregierung keine Gewähr übernehmen könne, würde nämlich nach einer Reihe von Übergangsjahren, beim Rhein- Elbekanal etwa sechs, bei den östlichen Schiffahrtsstraßen etwa zwanzig Jahre, eine finanzielle Leistung des Staats für den Rhein-Elbekanal, für die Berlin- Hohenscmtheuer Wasserstraße, sowie für die kanalisierte Netze, den Bromberger Kanal und die Uuterbrnhe nicht mehr erforderlich sein. — Der Rhein-Eloe- lanal wird also in dieser Beziehung weit günstiger beurteilt als die neu vor¬ geschlagnen Wasserstraßenprvjekte. Aber ist diese günstige Beurteilung der Rentabilität des Rhein-Elbekanals auch berechtigt? Um darauf zu antworten, können hier unmöglich die detail¬ lierten Berechnungen der Regierung geprüft und mit ihren Unterlagen dem Leser vorgeführt werden. Wir wiederholen: sie sind von den besten Sachver¬ ständigen in Preußen aufgestellt und von den beiden unmittelbar verantwort¬ lichen Ministern, dem Finanzminister und dem Minister der öffentlichen Ar¬ beiten, denen niemand Leichtfertigkeit in fiskalischen Fragen zutraut, vertreten worden. Diesen, alle Gewähr fachmännischer Zuverlässigkeit bietenden Schätzungen "er Regierung stehn bisher fast nur ganz vage, doktrinäre Behauptungen und willkürliche Annahmen der Opposition gegenüber, die zum Teil den Stempel ärgster Unsachlichkeit und Übertreibung an sich tragen, und die sich, was be¬ sonders mißtrauisch macheu muß, untereinander schnurstracks widersprechen und einander aufheben. Während nämlich fortgesetzt ohne Beweis behauptet wird, dnß die Kanäle mit den Eisenbahnen nicht mehr konkurrieren und deshalb nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/363>, abgerufen am 24.07.2024.