Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die j)olenkcimpfc

Dnnzig, Poznan in Posen, Lwow in Lemberg, brabovi S. in an den Grafen S,,
1>Am Andrzejewskieinn in Herrn Andrejewski), was übrigens auch dem Poly¬
glottesten Postgelehrten nicht ohne viel Zeitverlust gelingen wird; denn so
leicht er eine Adresse in polnischer Sprache versteh", mag, so wird er, sobald
ihm eine solche Adresse nnter der Masse der deutschen aufstößt, ans sie weit
mehr Zeit verbrauchen, als ans die deutschen Adressen, lind was den Polen
recht ist, soll doch wohl z, N. deu Litauern billig sein, die ja doch auch ihre
"Landessprache" könnten zur Geltung bringen wollen. Im Weltpostvertrage,
auf den man sich im Reichstage berufen hat, ist von der polnischen Sprache
ebenso wenig die Rede, wie von der litauischen oder der wendischen; eS steht
auch weder dort noch anderswo geschrieben, daß man "Landessprachen" im
PostVerkehr anzuerkeime" habe. Wenn die deutsche Post verpflichtet wäre, alle
auf deutschem Boden vorkommenden Mundarten anzuerkennen, so läge es doch
wohl am nächsten, das, z, B, ein bayrischer Postbeamter Adressen in mecklen¬
burgischem Platt oder der holsteinische Postbeamte Adressen in schwäbischer
Volkssprache anerkennen müßten; wenn sich aber alle Mecklenburger verab¬
redeten, nur noch platt zu adressieren, oder die Schwaben mir schwäbisch, so
würde man das, wiewohl es dem deutschen Beamten weit weniger lustig fiele
als polnische Adressen, für einen Mißbrauch erklären, der besonders verwerflich
deshalb wäre, weil jeder Mecklenburger und jeder Schwabe, oder doch fast jeder,
soweit hochdeutsch versteht, daß er eine hochdeutsche Adresse verfassen kann.
Ich vermute, Zentrum und Demokratie unsers heutigen Reichstags, von der
Presse nicht zu reden, würden die schwäbelnder oder plattelndcn Deutschen
eines Unfugs zeihen und der PostVerwaltung beispringeu. Aber nnn find hier
Polen und .Katholiken statt Schwaben und Niedersachsen, und da ist es eine
andre Sache: Plattdeutsch ist keine "Landessprache," wohl aber Polnisch und
also auch Litauisch, und in unserm üblichen politischen Gefühlsdusel wird dann
für den Fremden flugs die "Gerechtigkeit" angerufen, die man dem Landes-
nnd Volksgenossen verweigert.

So viel ich weiß, steht im Weltpostkodex nicht zu lesen, welche Sprachen
auf dem Gebiete seiner Wirksamkeit überall zulässig seien. Offenbar aber ist,
daß im Weltverkehr vor allem die Weltsprachen - wenn mau schou solche
Kategorien annehmen soll -- den Vorzug haben müssen. Deutsch, Französisch,
Englisch sind für deutsches Postgebiet Weltsprachen, deren Kenntnis von der
PostVerwaltung gefordert werden muß. Der Postbeamte des Herrn Roeren,
der kein polnisches "HochU'vhlgebvren," wohl aber ein englisches riM bono-
i'Mo gelten ließ, hatte vollkommen Recht, wenigstens im Prinzip, denn englisch
ist Weltsprache, polnisch nicht, und die gesetzliche Möglichkeit, einen Brief an
einen vsimoxny oder imijssnsj8xi p?in zu befördern, hört ans, wenn man in
Posen gegen die PostVerwaltung einen politischen Sturmlauf mit polnische"
Adressen unternimmt. Die PostVerwaltung hat nicht Politik getrieben, wie man
behauptet hat, sondern sich gegen Politik gewehrt, indem sie sich gegen diesen
polnischen Angriff wehrte, Russisch hat eine größere Bedeutung als polnisch für


Die j)olenkcimpfc

Dnnzig, Poznan in Posen, Lwow in Lemberg, brabovi S. in an den Grafen S,,
1>Am Andrzejewskieinn in Herrn Andrejewski), was übrigens auch dem Poly¬
glottesten Postgelehrten nicht ohne viel Zeitverlust gelingen wird; denn so
leicht er eine Adresse in polnischer Sprache versteh», mag, so wird er, sobald
ihm eine solche Adresse nnter der Masse der deutschen aufstößt, ans sie weit
mehr Zeit verbrauchen, als ans die deutschen Adressen, lind was den Polen
recht ist, soll doch wohl z, N. deu Litauern billig sein, die ja doch auch ihre
„Landessprache" könnten zur Geltung bringen wollen. Im Weltpostvertrage,
auf den man sich im Reichstage berufen hat, ist von der polnischen Sprache
ebenso wenig die Rede, wie von der litauischen oder der wendischen; eS steht
auch weder dort noch anderswo geschrieben, daß man „Landessprachen" im
PostVerkehr anzuerkeime» habe. Wenn die deutsche Post verpflichtet wäre, alle
auf deutschem Boden vorkommenden Mundarten anzuerkennen, so läge es doch
wohl am nächsten, das, z, B, ein bayrischer Postbeamter Adressen in mecklen¬
burgischem Platt oder der holsteinische Postbeamte Adressen in schwäbischer
Volkssprache anerkennen müßten; wenn sich aber alle Mecklenburger verab¬
redeten, nur noch platt zu adressieren, oder die Schwaben mir schwäbisch, so
würde man das, wiewohl es dem deutschen Beamten weit weniger lustig fiele
als polnische Adressen, für einen Mißbrauch erklären, der besonders verwerflich
deshalb wäre, weil jeder Mecklenburger und jeder Schwabe, oder doch fast jeder,
soweit hochdeutsch versteht, daß er eine hochdeutsche Adresse verfassen kann.
Ich vermute, Zentrum und Demokratie unsers heutigen Reichstags, von der
Presse nicht zu reden, würden die schwäbelnder oder plattelndcn Deutschen
eines Unfugs zeihen und der PostVerwaltung beispringeu. Aber nnn find hier
Polen und .Katholiken statt Schwaben und Niedersachsen, und da ist es eine
andre Sache: Plattdeutsch ist keine „Landessprache," wohl aber Polnisch und
also auch Litauisch, und in unserm üblichen politischen Gefühlsdusel wird dann
für den Fremden flugs die „Gerechtigkeit" angerufen, die man dem Landes-
nnd Volksgenossen verweigert.

So viel ich weiß, steht im Weltpostkodex nicht zu lesen, welche Sprachen
auf dem Gebiete seiner Wirksamkeit überall zulässig seien. Offenbar aber ist,
daß im Weltverkehr vor allem die Weltsprachen - wenn mau schou solche
Kategorien annehmen soll — den Vorzug haben müssen. Deutsch, Französisch,
Englisch sind für deutsches Postgebiet Weltsprachen, deren Kenntnis von der
PostVerwaltung gefordert werden muß. Der Postbeamte des Herrn Roeren,
der kein polnisches „HochU'vhlgebvren," wohl aber ein englisches riM bono-
i'Mo gelten ließ, hatte vollkommen Recht, wenigstens im Prinzip, denn englisch
ist Weltsprache, polnisch nicht, und die gesetzliche Möglichkeit, einen Brief an
einen vsimoxny oder imijssnsj8xi p?in zu befördern, hört ans, wenn man in
Posen gegen die PostVerwaltung einen politischen Sturmlauf mit polnische»
Adressen unternimmt. Die PostVerwaltung hat nicht Politik getrieben, wie man
behauptet hat, sondern sich gegen Politik gewehrt, indem sie sich gegen diesen
polnischen Angriff wehrte, Russisch hat eine größere Bedeutung als polnisch für


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234234"/>
          <fw type="header" place="top"> Die j)olenkcimpfc</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1176" prev="#ID_1175"> Dnnzig, Poznan in Posen, Lwow in Lemberg, brabovi S. in an den Grafen S,,<lb/>
1&gt;Am Andrzejewskieinn in Herrn Andrejewski), was übrigens auch dem Poly¬<lb/>
glottesten Postgelehrten nicht ohne viel Zeitverlust gelingen wird; denn so<lb/>
leicht er eine Adresse in polnischer Sprache versteh», mag, so wird er, sobald<lb/>
ihm eine solche Adresse nnter der Masse der deutschen aufstößt, ans sie weit<lb/>
mehr Zeit verbrauchen, als ans die deutschen Adressen, lind was den Polen<lb/>
recht ist, soll doch wohl z, N. deu Litauern billig sein, die ja doch auch ihre<lb/>
&#x201E;Landessprache" könnten zur Geltung bringen wollen. Im Weltpostvertrage,<lb/>
auf den man sich im Reichstage berufen hat, ist von der polnischen Sprache<lb/>
ebenso wenig die Rede, wie von der litauischen oder der wendischen; eS steht<lb/>
auch weder dort noch anderswo geschrieben, daß man &#x201E;Landessprachen" im<lb/>
PostVerkehr anzuerkeime» habe. Wenn die deutsche Post verpflichtet wäre, alle<lb/>
auf deutschem Boden vorkommenden Mundarten anzuerkennen, so läge es doch<lb/>
wohl am nächsten, das, z, B, ein bayrischer Postbeamter Adressen in mecklen¬<lb/>
burgischem Platt oder der holsteinische Postbeamte Adressen in schwäbischer<lb/>
Volkssprache anerkennen müßten; wenn sich aber alle Mecklenburger verab¬<lb/>
redeten, nur noch platt zu adressieren, oder die Schwaben mir schwäbisch, so<lb/>
würde man das, wiewohl es dem deutschen Beamten weit weniger lustig fiele<lb/>
als polnische Adressen, für einen Mißbrauch erklären, der besonders verwerflich<lb/>
deshalb wäre, weil jeder Mecklenburger und jeder Schwabe, oder doch fast jeder,<lb/>
soweit hochdeutsch versteht, daß er eine hochdeutsche Adresse verfassen kann.<lb/>
Ich vermute, Zentrum und Demokratie unsers heutigen Reichstags, von der<lb/>
Presse nicht zu reden, würden die schwäbelnder oder plattelndcn Deutschen<lb/>
eines Unfugs zeihen und der PostVerwaltung beispringeu. Aber nnn find hier<lb/>
Polen und .Katholiken statt Schwaben und Niedersachsen, und da ist es eine<lb/>
andre Sache: Plattdeutsch ist keine &#x201E;Landessprache," wohl aber Polnisch und<lb/>
also auch Litauisch, und in unserm üblichen politischen Gefühlsdusel wird dann<lb/>
für den Fremden flugs die &#x201E;Gerechtigkeit" angerufen, die man dem Landes-<lb/>
nnd Volksgenossen verweigert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1177" next="#ID_1178"> So viel ich weiß, steht im Weltpostkodex nicht zu lesen, welche Sprachen<lb/>
auf dem Gebiete seiner Wirksamkeit überall zulässig seien. Offenbar aber ist,<lb/>
daß im Weltverkehr vor allem die Weltsprachen - wenn mau schou solche<lb/>
Kategorien annehmen soll &#x2014; den Vorzug haben müssen. Deutsch, Französisch,<lb/>
Englisch sind für deutsches Postgebiet Weltsprachen, deren Kenntnis von der<lb/>
PostVerwaltung gefordert werden muß. Der Postbeamte des Herrn Roeren,<lb/>
der kein polnisches &#x201E;HochU'vhlgebvren," wohl aber ein englisches riM bono-<lb/>
i'Mo gelten ließ, hatte vollkommen Recht, wenigstens im Prinzip, denn englisch<lb/>
ist Weltsprache, polnisch nicht, und die gesetzliche Möglichkeit, einen Brief an<lb/>
einen vsimoxny oder imijssnsj8xi p?in zu befördern, hört ans, wenn man in<lb/>
Posen gegen die PostVerwaltung einen politischen Sturmlauf mit polnische»<lb/>
Adressen unternimmt. Die PostVerwaltung hat nicht Politik getrieben, wie man<lb/>
behauptet hat, sondern sich gegen Politik gewehrt, indem sie sich gegen diesen<lb/>
polnischen Angriff wehrte, Russisch hat eine größere Bedeutung als polnisch für</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354] Die j)olenkcimpfc Dnnzig, Poznan in Posen, Lwow in Lemberg, brabovi S. in an den Grafen S,, 1>Am Andrzejewskieinn in Herrn Andrejewski), was übrigens auch dem Poly¬ glottesten Postgelehrten nicht ohne viel Zeitverlust gelingen wird; denn so leicht er eine Adresse in polnischer Sprache versteh», mag, so wird er, sobald ihm eine solche Adresse nnter der Masse der deutschen aufstößt, ans sie weit mehr Zeit verbrauchen, als ans die deutschen Adressen, lind was den Polen recht ist, soll doch wohl z, N. deu Litauern billig sein, die ja doch auch ihre „Landessprache" könnten zur Geltung bringen wollen. Im Weltpostvertrage, auf den man sich im Reichstage berufen hat, ist von der polnischen Sprache ebenso wenig die Rede, wie von der litauischen oder der wendischen; eS steht auch weder dort noch anderswo geschrieben, daß man „Landessprachen" im PostVerkehr anzuerkeime» habe. Wenn die deutsche Post verpflichtet wäre, alle auf deutschem Boden vorkommenden Mundarten anzuerkennen, so läge es doch wohl am nächsten, das, z, B, ein bayrischer Postbeamter Adressen in mecklen¬ burgischem Platt oder der holsteinische Postbeamte Adressen in schwäbischer Volkssprache anerkennen müßten; wenn sich aber alle Mecklenburger verab¬ redeten, nur noch platt zu adressieren, oder die Schwaben mir schwäbisch, so würde man das, wiewohl es dem deutschen Beamten weit weniger lustig fiele als polnische Adressen, für einen Mißbrauch erklären, der besonders verwerflich deshalb wäre, weil jeder Mecklenburger und jeder Schwabe, oder doch fast jeder, soweit hochdeutsch versteht, daß er eine hochdeutsche Adresse verfassen kann. Ich vermute, Zentrum und Demokratie unsers heutigen Reichstags, von der Presse nicht zu reden, würden die schwäbelnder oder plattelndcn Deutschen eines Unfugs zeihen und der PostVerwaltung beispringeu. Aber nnn find hier Polen und .Katholiken statt Schwaben und Niedersachsen, und da ist es eine andre Sache: Plattdeutsch ist keine „Landessprache," wohl aber Polnisch und also auch Litauisch, und in unserm üblichen politischen Gefühlsdusel wird dann für den Fremden flugs die „Gerechtigkeit" angerufen, die man dem Landes- nnd Volksgenossen verweigert. So viel ich weiß, steht im Weltpostkodex nicht zu lesen, welche Sprachen auf dem Gebiete seiner Wirksamkeit überall zulässig seien. Offenbar aber ist, daß im Weltverkehr vor allem die Weltsprachen - wenn mau schou solche Kategorien annehmen soll — den Vorzug haben müssen. Deutsch, Französisch, Englisch sind für deutsches Postgebiet Weltsprachen, deren Kenntnis von der PostVerwaltung gefordert werden muß. Der Postbeamte des Herrn Roeren, der kein polnisches „HochU'vhlgebvren," wohl aber ein englisches riM bono- i'Mo gelten ließ, hatte vollkommen Recht, wenigstens im Prinzip, denn englisch ist Weltsprache, polnisch nicht, und die gesetzliche Möglichkeit, einen Brief an einen vsimoxny oder imijssnsj8xi p?in zu befördern, hört ans, wenn man in Posen gegen die PostVerwaltung einen politischen Sturmlauf mit polnische» Adressen unternimmt. Die PostVerwaltung hat nicht Politik getrieben, wie man behauptet hat, sondern sich gegen Politik gewehrt, indem sie sich gegen diesen polnischen Angriff wehrte, Russisch hat eine größere Bedeutung als polnisch für

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/354
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/354>, abgerufen am 24.07.2024.