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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Erlebnisse eines achtjährigen Jungen

ich jederzeit bereit, jederzeit auch von neuem überrascht, aber nicht entrüstet, wenn
der Spaß, wie es die Regel war, damit endete, daß ich auf einem Schneehaufen
lag. auf den mich die mit Jubel abziehenden größern Jungen sanft gebettet hatten,
Ich war eben zu dumm, hieß es, man konnte rin mir anfangen, was man wollte.

Im Sommer vereinigte man sich gegen Abend zu größer" Spaziergängen,
meist nach dem sogenannten Spielet, einem alten der Stadt gehörenden Gebäude,
in dessen Nachbarschaft man ans einem von Wald und Wiesen umgebnen Bauern¬
hofe die aus Milch und Semmel oder Schwarzbrot bestehende Abendmahlzeit ge¬
meinsam einnahm. Der Weg dahin führte auf anmutigen Fußpfaden etwas bergan
durch einen üppigen Laubwald, den wir unterwegs nach Erdbeeren und später, in
den Monaten Juli und Angust, nach Heidelbeeren abzusuchen pflegten. Auf dem
Spielet nach ein- bis anderthalbstündiger Wanderung angelangt -- für den gewöhn¬
lichen Fußgänger betrug die Entfernung schwerlich mehr als eine halbe Stunde --
schüttete man, wenn einem das gefiel, die gesammelten Heidelbeeren in seinen Milch¬
keller und zerdrückte sie mit dem Löffel, um auf diese Weise die Milch lila zu
färben und angeblich einen höhern Wohlgeschmack zu erzielen.

Ich erlebte natürlich auch bei dieser Operation sehr bald einen Unglücksfall,
Ich hatte nämlich den Zinnlöffcl, dessen ich mich zum Zerdrücken der Beeren
bediente, und der dem Bauernhofe gehörte, mit so leidenschaftlichem Eifer gehand-
hnbt, daß er zerbrochen war; das schöpfende lag in der lila Sauce, ich saß sprachlos
da, den verstümmelten Stiel in der Hand,

Monsieur Beste, der dem Bauer deu Schaden zu vergüten gehabt hatte, war
auf den Gedanken gekommen, mir die Sache als eine sehr ernste und unangenehme
darzustellen, die meinem Vater großen Kummer verursachen werde, offenbar ohne
Pah davon Rechenschaft zu geben, welche Verheerung er damit in meinem Gemüte
anrichtete. Ich war nnter dem Eindrucke, daß mein Vater, um den erlittnen
Schaden auszugleichen, eins seiner Pferde, Hippolyt oder Hektor oder gar die alte
Grete, eine bejahrte Fuchsstute mit Stutzschwanz, zu verkaufen gezwungen sein werde,
lag schlaflos oder von schrecklichen Träumen gepeinigt im Bett, verlor den Appetit
und bekam Fieber, ohne daß der herbcigernfne Doktor Altmann trotz Ausknltntion
und Zungenschan den Grund dieser beunruhigenden Erscheinungen zu ermitteln im¬
stande gewesen wäre. Die Erinnyen hatten sich meiner jugendlichen Seele bemächtigt
und marterten mich mit den schrecklichsten Gewissensqnalen,

Die Sache war an einem Mittwoch geschehn; am Sonnabend wurde meinem
Vater regelmäßig das kleine Buch vorgelegt, in das Monsieur Besse seine Verlage
eintrug. In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend hatte man typhöse Erschei¬
nungen wahrzunehmen geglaubt, und als am Sonnabend früh das Buch auf dem
Schreibtische meines Vaters lag, verfügte ich mich in den Stall, um von den Pferden
Abschied zu nehmen: ein Verkauf aller vier, auch des mir allerdings "veniger ans
Herz gewachsenen Diener- und Packpferds war mir wahrscheinlich geworden.'

Mein Vater hatte den schrecklichen Posten in Monsieur BestesBuch entweder
überhaupt nicht gesehen oder keinen besondern Anteil daran genommen. Als ich
das Buch einige Stunden später wieder in Monsieur Bestes Händen und meinen
Vater mit höchstem Gleichmut die Winden begießen sah, kehrten bei mir, wie bei
dem beglückten Schäfer, Appetit und Schlaf mit einemmale zurück. Doktor Altmann,
der einen rosenrot aussehenden, aber bitter schmeckenden Saft verschrieben hatte,
Zuckte, wenn das möglich war, in dem Vertrauen meiner Mutter "noch einen rauf,"
und ich kann -- hier scheint mir das psychologisch Interessante zu liegen -- zu der
Überzeugung, daß Monsieur Besse die einschlagenden Verhältnisse in seiner Eigen-
Ichaft als Ausländer und "Jesniter" -- in dem letzten Punkte verdankte ich Vogt
öde nötigen Aufklänmgeu -- falsch beurteilt habe. Ich hatte diese ganzen Seelen-


Erlebnisse eines achtjährigen Jungen

ich jederzeit bereit, jederzeit auch von neuem überrascht, aber nicht entrüstet, wenn
der Spaß, wie es die Regel war, damit endete, daß ich auf einem Schneehaufen
lag. auf den mich die mit Jubel abziehenden größern Jungen sanft gebettet hatten,
Ich war eben zu dumm, hieß es, man konnte rin mir anfangen, was man wollte.

Im Sommer vereinigte man sich gegen Abend zu größer» Spaziergängen,
meist nach dem sogenannten Spielet, einem alten der Stadt gehörenden Gebäude,
in dessen Nachbarschaft man ans einem von Wald und Wiesen umgebnen Bauern¬
hofe die aus Milch und Semmel oder Schwarzbrot bestehende Abendmahlzeit ge¬
meinsam einnahm. Der Weg dahin führte auf anmutigen Fußpfaden etwas bergan
durch einen üppigen Laubwald, den wir unterwegs nach Erdbeeren und später, in
den Monaten Juli und Angust, nach Heidelbeeren abzusuchen pflegten. Auf dem
Spielet nach ein- bis anderthalbstündiger Wanderung angelangt — für den gewöhn¬
lichen Fußgänger betrug die Entfernung schwerlich mehr als eine halbe Stunde —
schüttete man, wenn einem das gefiel, die gesammelten Heidelbeeren in seinen Milch¬
keller und zerdrückte sie mit dem Löffel, um auf diese Weise die Milch lila zu
färben und angeblich einen höhern Wohlgeschmack zu erzielen.

Ich erlebte natürlich auch bei dieser Operation sehr bald einen Unglücksfall,
Ich hatte nämlich den Zinnlöffcl, dessen ich mich zum Zerdrücken der Beeren
bediente, und der dem Bauernhofe gehörte, mit so leidenschaftlichem Eifer gehand-
hnbt, daß er zerbrochen war; das schöpfende lag in der lila Sauce, ich saß sprachlos
da, den verstümmelten Stiel in der Hand,

Monsieur Beste, der dem Bauer deu Schaden zu vergüten gehabt hatte, war
auf den Gedanken gekommen, mir die Sache als eine sehr ernste und unangenehme
darzustellen, die meinem Vater großen Kummer verursachen werde, offenbar ohne
Pah davon Rechenschaft zu geben, welche Verheerung er damit in meinem Gemüte
anrichtete. Ich war nnter dem Eindrucke, daß mein Vater, um den erlittnen
Schaden auszugleichen, eins seiner Pferde, Hippolyt oder Hektor oder gar die alte
Grete, eine bejahrte Fuchsstute mit Stutzschwanz, zu verkaufen gezwungen sein werde,
lag schlaflos oder von schrecklichen Träumen gepeinigt im Bett, verlor den Appetit
und bekam Fieber, ohne daß der herbcigernfne Doktor Altmann trotz Ausknltntion
und Zungenschan den Grund dieser beunruhigenden Erscheinungen zu ermitteln im¬
stande gewesen wäre. Die Erinnyen hatten sich meiner jugendlichen Seele bemächtigt
und marterten mich mit den schrecklichsten Gewissensqnalen,

Die Sache war an einem Mittwoch geschehn; am Sonnabend wurde meinem
Vater regelmäßig das kleine Buch vorgelegt, in das Monsieur Besse seine Verlage
eintrug. In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend hatte man typhöse Erschei¬
nungen wahrzunehmen geglaubt, und als am Sonnabend früh das Buch auf dem
Schreibtische meines Vaters lag, verfügte ich mich in den Stall, um von den Pferden
Abschied zu nehmen: ein Verkauf aller vier, auch des mir allerdings »veniger ans
Herz gewachsenen Diener- und Packpferds war mir wahrscheinlich geworden.'

Mein Vater hatte den schrecklichen Posten in Monsieur BestesBuch entweder
überhaupt nicht gesehen oder keinen besondern Anteil daran genommen. Als ich
das Buch einige Stunden später wieder in Monsieur Bestes Händen und meinen
Vater mit höchstem Gleichmut die Winden begießen sah, kehrten bei mir, wie bei
dem beglückten Schäfer, Appetit und Schlaf mit einemmale zurück. Doktor Altmann,
der einen rosenrot aussehenden, aber bitter schmeckenden Saft verschrieben hatte,
Zuckte, wenn das möglich war, in dem Vertrauen meiner Mutter „noch einen rauf,"
und ich kann — hier scheint mir das psychologisch Interessante zu liegen — zu der
Überzeugung, daß Monsieur Besse die einschlagenden Verhältnisse in seiner Eigen-
Ichaft als Ausländer und „Jesniter" — in dem letzten Punkte verdankte ich Vogt
öde nötigen Aufklänmgeu — falsch beurteilt habe. Ich hatte diese ganzen Seelen-


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[0343] Erlebnisse eines achtjährigen Jungen ich jederzeit bereit, jederzeit auch von neuem überrascht, aber nicht entrüstet, wenn der Spaß, wie es die Regel war, damit endete, daß ich auf einem Schneehaufen lag. auf den mich die mit Jubel abziehenden größern Jungen sanft gebettet hatten, Ich war eben zu dumm, hieß es, man konnte rin mir anfangen, was man wollte. Im Sommer vereinigte man sich gegen Abend zu größer» Spaziergängen, meist nach dem sogenannten Spielet, einem alten der Stadt gehörenden Gebäude, in dessen Nachbarschaft man ans einem von Wald und Wiesen umgebnen Bauern¬ hofe die aus Milch und Semmel oder Schwarzbrot bestehende Abendmahlzeit ge¬ meinsam einnahm. Der Weg dahin führte auf anmutigen Fußpfaden etwas bergan durch einen üppigen Laubwald, den wir unterwegs nach Erdbeeren und später, in den Monaten Juli und Angust, nach Heidelbeeren abzusuchen pflegten. Auf dem Spielet nach ein- bis anderthalbstündiger Wanderung angelangt — für den gewöhn¬ lichen Fußgänger betrug die Entfernung schwerlich mehr als eine halbe Stunde — schüttete man, wenn einem das gefiel, die gesammelten Heidelbeeren in seinen Milch¬ keller und zerdrückte sie mit dem Löffel, um auf diese Weise die Milch lila zu färben und angeblich einen höhern Wohlgeschmack zu erzielen. Ich erlebte natürlich auch bei dieser Operation sehr bald einen Unglücksfall, Ich hatte nämlich den Zinnlöffcl, dessen ich mich zum Zerdrücken der Beeren bediente, und der dem Bauernhofe gehörte, mit so leidenschaftlichem Eifer gehand- hnbt, daß er zerbrochen war; das schöpfende lag in der lila Sauce, ich saß sprachlos da, den verstümmelten Stiel in der Hand, Monsieur Beste, der dem Bauer deu Schaden zu vergüten gehabt hatte, war auf den Gedanken gekommen, mir die Sache als eine sehr ernste und unangenehme darzustellen, die meinem Vater großen Kummer verursachen werde, offenbar ohne Pah davon Rechenschaft zu geben, welche Verheerung er damit in meinem Gemüte anrichtete. Ich war nnter dem Eindrucke, daß mein Vater, um den erlittnen Schaden auszugleichen, eins seiner Pferde, Hippolyt oder Hektor oder gar die alte Grete, eine bejahrte Fuchsstute mit Stutzschwanz, zu verkaufen gezwungen sein werde, lag schlaflos oder von schrecklichen Träumen gepeinigt im Bett, verlor den Appetit und bekam Fieber, ohne daß der herbcigernfne Doktor Altmann trotz Ausknltntion und Zungenschan den Grund dieser beunruhigenden Erscheinungen zu ermitteln im¬ stande gewesen wäre. Die Erinnyen hatten sich meiner jugendlichen Seele bemächtigt und marterten mich mit den schrecklichsten Gewissensqnalen, Die Sache war an einem Mittwoch geschehn; am Sonnabend wurde meinem Vater regelmäßig das kleine Buch vorgelegt, in das Monsieur Besse seine Verlage eintrug. In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend hatte man typhöse Erschei¬ nungen wahrzunehmen geglaubt, und als am Sonnabend früh das Buch auf dem Schreibtische meines Vaters lag, verfügte ich mich in den Stall, um von den Pferden Abschied zu nehmen: ein Verkauf aller vier, auch des mir allerdings »veniger ans Herz gewachsenen Diener- und Packpferds war mir wahrscheinlich geworden.' Mein Vater hatte den schrecklichen Posten in Monsieur BestesBuch entweder überhaupt nicht gesehen oder keinen besondern Anteil daran genommen. Als ich das Buch einige Stunden später wieder in Monsieur Bestes Händen und meinen Vater mit höchstem Gleichmut die Winden begießen sah, kehrten bei mir, wie bei dem beglückten Schäfer, Appetit und Schlaf mit einemmale zurück. Doktor Altmann, der einen rosenrot aussehenden, aber bitter schmeckenden Saft verschrieben hatte, Zuckte, wenn das möglich war, in dem Vertrauen meiner Mutter „noch einen rauf," und ich kann — hier scheint mir das psychologisch Interessante zu liegen — zu der Überzeugung, daß Monsieur Besse die einschlagenden Verhältnisse in seiner Eigen- Ichaft als Ausländer und „Jesniter" — in dem letzten Punkte verdankte ich Vogt öde nötigen Aufklänmgeu — falsch beurteilt habe. Ich hatte diese ganzen Seelen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/343>, abgerufen am 04.07.2024.