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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Hur neue" Kcmalvorlage

lange nicht spruchreif bezeichnen, Das thun wir aber nicht, denn wir sind uns
einmal der ungeheuern, in der Natur der Sache liegenden Schwierigkeiten bewußt,
die ein solches gesetzlich festzulegendes Programm geradezu unmöglich machen
"ud der Regierung gewiß am besten bekannt sind, und zweitens wird alles, was
amtlich geschrieben und geredet wird, an der Thatsache uicht rütteln können,
daß die Regierung in Wirklichkeit nur der Not gehorchend, uicht dem eignen
Triebe zu diesem sogenannten "Programm" gegriffen hat.

Diese Schwäche in der Position der Regierung wird um" aber vollends
dadurch offenbar, daß in der Vorlage sachlich gar nicht zusammenhängende
Projekte gewaltsam zusammengepackt worden sind. Wenn man bei dieser Taktik
die Hoffnung gehegt hat, daß sich die Gegner des Mittellandkanals durch
die Zusammenfassung von Vorschläge", die für den agrarischen Appetit sehr
verlockend sein mögen, aber mit den vorgeschlagnen Kanalprvjektcn nichts
zu thun haben, bestimmen lassen würden, nnr allein dieser papiernen Ein¬
heitlichkeit zuliebe auch für die ihnen unangenehmen Teile zu stimmen, so
ist diese Hoffnung durch die Rede des Grafen zu Limburg Stirnen vom
4, Februar bedenklich erschüttert worden. Mit Recht hat er der Borlage vor
geworfen, sie berühre ganz heterogene, nicht zusammengehörige Dinge, die
auseinander gehalten werden müßten. Es wäre besser gewesen -- meinte er
ganz richtig --, dem Landtage eine Anzahl verschiedner Vorlagen zu machen.
Die Kommission werde zu überlegen haben, ob nun, die Vorlage nicht noch
nachträglich zerlegen solle. Er und seine Freunde wären übrigens entschlossen,
den Mittellandkanal nicht zu bewilligen, sie würden aber in der Kommission
die Vorschläge, d, h. die andern, wohlwollend prüfen "und das Beste be-
halten,"

Sieht man sich den Inhalt der Borlage, wie er oben kurz angegeben ist,
daraufhin an, so wird mau den Rhein-Elbekanal, den Großschiffahrtsweg
Berlin-Stettin und die Wasserstraße zwischen Oder und Weichsel als ein in
sich zusammenhängendes Kanalprojett, das in ein und denselben Gesetzentwurf
gehört, anerkennen müssen. Die 1898/99 vorgeschlagne Berbindung des
Rheins mit der Elbe ist darin sehr zweckmäßig bis zur Oder und der Weichsel
ausgedehnt morde". Unbeschadet der Wünsche nach einer noch weitern Aus¬
dehnung dieser Wasserstraße nach Nordosten und Südwesten hätte man einen
Gesetzentwurf wegen des Schiffahrtswegs zwischen Rhein, Weser, Elbe, Oder und
Weichsel für sich vorlegen können und sollen. Die Erweiterung bis zur Oder
und zur Weichsel wäre auch durchaus uicht eine sogenannte "Kompensation"
für den Rhein-Elbekanal in dem von der Regierung schon 1899 mit Recht
entschieden zurückgewiesenen Sinne gewesen. Denn es handelt sich hier nicht um
eine Beseitigung oder Entschädigung wirklicher oder eingebildeter Nachteile, die
das Oder- und das Weichselgebiet infolge des Rhein-Elbekanals haben könnten,
sondern nur um eine Verallgemeinerung der Vorteile des billigen Wassertrans¬
ports für Massengüter zwischen dem Osten und dem Westen, Als eine solche
Kompensation konnte man dagegen die Verbesserung des Schiffahrtsweges


Hur neue» Kcmalvorlage

lange nicht spruchreif bezeichnen, Das thun wir aber nicht, denn wir sind uns
einmal der ungeheuern, in der Natur der Sache liegenden Schwierigkeiten bewußt,
die ein solches gesetzlich festzulegendes Programm geradezu unmöglich machen
»ud der Regierung gewiß am besten bekannt sind, und zweitens wird alles, was
amtlich geschrieben und geredet wird, an der Thatsache uicht rütteln können,
daß die Regierung in Wirklichkeit nur der Not gehorchend, uicht dem eignen
Triebe zu diesem sogenannten „Programm" gegriffen hat.

Diese Schwäche in der Position der Regierung wird um» aber vollends
dadurch offenbar, daß in der Vorlage sachlich gar nicht zusammenhängende
Projekte gewaltsam zusammengepackt worden sind. Wenn man bei dieser Taktik
die Hoffnung gehegt hat, daß sich die Gegner des Mittellandkanals durch
die Zusammenfassung von Vorschläge», die für den agrarischen Appetit sehr
verlockend sein mögen, aber mit den vorgeschlagnen Kanalprvjektcn nichts
zu thun haben, bestimmen lassen würden, nnr allein dieser papiernen Ein¬
heitlichkeit zuliebe auch für die ihnen unangenehmen Teile zu stimmen, so
ist diese Hoffnung durch die Rede des Grafen zu Limburg Stirnen vom
4, Februar bedenklich erschüttert worden. Mit Recht hat er der Borlage vor
geworfen, sie berühre ganz heterogene, nicht zusammengehörige Dinge, die
auseinander gehalten werden müßten. Es wäre besser gewesen — meinte er
ganz richtig —, dem Landtage eine Anzahl verschiedner Vorlagen zu machen.
Die Kommission werde zu überlegen haben, ob nun, die Vorlage nicht noch
nachträglich zerlegen solle. Er und seine Freunde wären übrigens entschlossen,
den Mittellandkanal nicht zu bewilligen, sie würden aber in der Kommission
die Vorschläge, d, h. die andern, wohlwollend prüfen „und das Beste be-
halten,"

Sieht man sich den Inhalt der Borlage, wie er oben kurz angegeben ist,
daraufhin an, so wird mau den Rhein-Elbekanal, den Großschiffahrtsweg
Berlin-Stettin und die Wasserstraße zwischen Oder und Weichsel als ein in
sich zusammenhängendes Kanalprojett, das in ein und denselben Gesetzentwurf
gehört, anerkennen müssen. Die 1898/99 vorgeschlagne Berbindung des
Rheins mit der Elbe ist darin sehr zweckmäßig bis zur Oder und der Weichsel
ausgedehnt morde». Unbeschadet der Wünsche nach einer noch weitern Aus¬
dehnung dieser Wasserstraße nach Nordosten und Südwesten hätte man einen
Gesetzentwurf wegen des Schiffahrtswegs zwischen Rhein, Weser, Elbe, Oder und
Weichsel für sich vorlegen können und sollen. Die Erweiterung bis zur Oder
und zur Weichsel wäre auch durchaus uicht eine sogenannte „Kompensation"
für den Rhein-Elbekanal in dem von der Regierung schon 1899 mit Recht
entschieden zurückgewiesenen Sinne gewesen. Denn es handelt sich hier nicht um
eine Beseitigung oder Entschädigung wirklicher oder eingebildeter Nachteile, die
das Oder- und das Weichselgebiet infolge des Rhein-Elbekanals haben könnten,
sondern nur um eine Verallgemeinerung der Vorteile des billigen Wassertrans¬
ports für Massengüter zwischen dem Osten und dem Westen, Als eine solche
Kompensation konnte man dagegen die Verbesserung des Schiffahrtsweges


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/333>, abgerufen am 24.07.2024.