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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Das preußische Aadetteukorps als gelehrte Schule

in Gemünd, seinem Mißfallen darüber Ausdruck verlieh, daß jener mit seiner
allzu lapidaren Unterschrift ihm keinen Raum für sein eignes Autogramm übrig
gelassen habe.

In Montjoie lag schon alles im tiefsten Schlafe, als der Postwagen über
das holprige Pflaster dahinrasselte. Nirgends war mehr ein Licht zu sehen;
die alte Stadt mit ihren engen Gassen und den hohen, vornehmen Patrizier¬
häusern, den Zeugen einer glänzenden Vergangenheit, erschien wie von einem
Märchenzauber umfangen. Nur die Brunnen murmelten, und die Nur rauschte
in ihrem Bette über Felsblöcke und Kiesel zu Thal, sonst ließ sich weit und
breit kein Laut vernehmen. Vor meinem Hotel, dem einstigen Palast einer
französischen Emigrantenfamilie, machte der Schwager Halt und stieß ins Horn.
Da that sich, ehe ichs erwartet, die Pforte auf: die junge schöne Wirtin
erschien in eigner Person und wies dem milde" Gaste ein Zimmer an, dessen
sich teil? Prinz Hütte zu schämen brauchen. Wenn mir an diesem Abend in
Montjoie schon etwas Respekt einflößte, so war es die Breite des Bettes, das
in dieser Hinsicht sogar die doch auch recht ansehnlichen Lagerstätten übertraf,
die man in den alten Gasthöfen Toskanas und der Romagna findet.




Das preußische Kadettenkorps als gelehrte schule

cum man Zeitungsnachrichten glauben darf, ist die Zulassung der
Abiturienten des preußischen Kadettcukorps zum Studium auf
der.Kaiser Wilhelm-Akademie schon verfügt worden, und es soll
sich die Berechtigung zum Studium der Medizin überhaupt sowie
der Jurisprudenz anschließen. Ob diese letzte Maßregel nur eine
Folge davon sein würde, daß den Abiturienten der Realgymnasien
diese Faknltätsstudien freigegeben werden solle", oder vielmehr die Ursache dieser
Erweiterung der Berechtigungen der Realgymnasien, wie manche meinen, muß
dahingestellt bleiben. Schon im Jahre 1877 bestimmte eine Kabinettsordre,
daß der Lehrplan des Kadettencorps mit dem der Realschule erster Ordnung,
also des spätern Realgymnasiums, im allgemeinen in Übereinstimmung zu bringen
sei. Seitdem sind die Abiturienten beider Anstalten gleich gestellt worden. Nahm
man damals für den Lehrplan des Kadettenkorps den einer freien Schule zum
Muster, so änderte sich das einige Jahre später. Denn die Grundsätze, die
die Kabinettsordre vom 13. Februar 1890 für den Unterricht im Kadetten¬
korps aufstellte, wurden in wesentlichen Teilen für die Neuordnung des ge¬
samten höhern Schulwesens in Preußen im Jahre 1892 maßgebend.

Bei der Reform, in der wir jetzt stehn, scheint wiederum das Real¬
gymnasium in seiner Reformgestalt für das Kadettenkorps eine Art Muster
werden zu sollen. Wenigstens ist gutem Vernehmen nach der Leiter des einen
Frankfurter Nenlgymnasinms zum künftigen Oberstudienrat des Kadettenkvrps
nusersehen. Ob der Versuch die Militärverwaltung mehr befriedigen wird,
muß abgewartet werden.


Das preußische Aadetteukorps als gelehrte Schule

in Gemünd, seinem Mißfallen darüber Ausdruck verlieh, daß jener mit seiner
allzu lapidaren Unterschrift ihm keinen Raum für sein eignes Autogramm übrig
gelassen habe.

In Montjoie lag schon alles im tiefsten Schlafe, als der Postwagen über
das holprige Pflaster dahinrasselte. Nirgends war mehr ein Licht zu sehen;
die alte Stadt mit ihren engen Gassen und den hohen, vornehmen Patrizier¬
häusern, den Zeugen einer glänzenden Vergangenheit, erschien wie von einem
Märchenzauber umfangen. Nur die Brunnen murmelten, und die Nur rauschte
in ihrem Bette über Felsblöcke und Kiesel zu Thal, sonst ließ sich weit und
breit kein Laut vernehmen. Vor meinem Hotel, dem einstigen Palast einer
französischen Emigrantenfamilie, machte der Schwager Halt und stieß ins Horn.
Da that sich, ehe ichs erwartet, die Pforte auf: die junge schöne Wirtin
erschien in eigner Person und wies dem milde» Gaste ein Zimmer an, dessen
sich teil? Prinz Hütte zu schämen brauchen. Wenn mir an diesem Abend in
Montjoie schon etwas Respekt einflößte, so war es die Breite des Bettes, das
in dieser Hinsicht sogar die doch auch recht ansehnlichen Lagerstätten übertraf,
die man in den alten Gasthöfen Toskanas und der Romagna findet.




Das preußische Kadettenkorps als gelehrte schule

cum man Zeitungsnachrichten glauben darf, ist die Zulassung der
Abiturienten des preußischen Kadettcukorps zum Studium auf
der.Kaiser Wilhelm-Akademie schon verfügt worden, und es soll
sich die Berechtigung zum Studium der Medizin überhaupt sowie
der Jurisprudenz anschließen. Ob diese letzte Maßregel nur eine
Folge davon sein würde, daß den Abiturienten der Realgymnasien
diese Faknltätsstudien freigegeben werden solle», oder vielmehr die Ursache dieser
Erweiterung der Berechtigungen der Realgymnasien, wie manche meinen, muß
dahingestellt bleiben. Schon im Jahre 1877 bestimmte eine Kabinettsordre,
daß der Lehrplan des Kadettencorps mit dem der Realschule erster Ordnung,
also des spätern Realgymnasiums, im allgemeinen in Übereinstimmung zu bringen
sei. Seitdem sind die Abiturienten beider Anstalten gleich gestellt worden. Nahm
man damals für den Lehrplan des Kadettenkorps den einer freien Schule zum
Muster, so änderte sich das einige Jahre später. Denn die Grundsätze, die
die Kabinettsordre vom 13. Februar 1890 für den Unterricht im Kadetten¬
korps aufstellte, wurden in wesentlichen Teilen für die Neuordnung des ge¬
samten höhern Schulwesens in Preußen im Jahre 1892 maßgebend.

Bei der Reform, in der wir jetzt stehn, scheint wiederum das Real¬
gymnasium in seiner Reformgestalt für das Kadettenkorps eine Art Muster
werden zu sollen. Wenigstens ist gutem Vernehmen nach der Leiter des einen
Frankfurter Nenlgymnasinms zum künftigen Oberstudienrat des Kadettenkvrps
nusersehen. Ob der Versuch die Militärverwaltung mehr befriedigen wird,
muß abgewartet werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/142>, abgerufen am 25.07.2024.