Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.Skizzen ans unsern? heutigen Volksleben kleinen Füchse, die die Weinberge verderben. Darunter versteht die gelehrte Ver¬ Oh, Frlau Sjuperiutcnudcut, sagte Miß Sabine, nachdem wieder ein Wilder- Sie fing wirklich um, ohne anf die Unruhe der jungen Mädchen und auf das Weiter kam sie nicht. Von allen Seiten wurden Proteste gegen diese Vor¬ Und morgen das nächste. Kapiterl, fügte Miß Sabine hinzu, O nein nein, riefen die jungen Mädchen, Muttche, bestes Muttche, keine kleinen Nein, Kinder, sagte Mnttche, dies einemal sei genug. Oh, Frlau Sjuperintenndent, ich habe noch ein Buch von demselben -entbor Nein, Miß Sabine, ich erlaube es nicht; das ist nichts für unsre jungen Aberl in Juglttnd alle jungen Mädchen lesen die beherzigenswerten Dinge, Weil Sie in England vermutlich ein größeres Maß Langerweile vertragen Oh nein, sagte Miß Sabine und schlug dabei die Augen zu Boden, in Jng- Jetzt wurde aber Muttche ernstlich böse. In England möchten es die jungen Miß Sabine war in der That nicht leicht zu besiegen, Sie trug von jetzt Skizzen ans unsern? heutigen Volksleben kleinen Füchse, die die Weinberge verderben. Darunter versteht die gelehrte Ver¬ Oh, Frlau Sjuperiutcnudcut, sagte Miß Sabine, nachdem wieder ein Wilder- Sie fing wirklich um, ohne anf die Unruhe der jungen Mädchen und auf das Weiter kam sie nicht. Von allen Seiten wurden Proteste gegen diese Vor¬ Und morgen das nächste. Kapiterl, fügte Miß Sabine hinzu, O nein nein, riefen die jungen Mädchen, Muttche, bestes Muttche, keine kleinen Nein, Kinder, sagte Mnttche, dies einemal sei genug. Oh, Frlau Sjuperintenndent, ich habe noch ein Buch von demselben -entbor Nein, Miß Sabine, ich erlaube es nicht; das ist nichts für unsre jungen Aberl in Juglttnd alle jungen Mädchen lesen die beherzigenswerten Dinge, Weil Sie in England vermutlich ein größeres Maß Langerweile vertragen Oh nein, sagte Miß Sabine und schlug dabei die Augen zu Boden, in Jng- Jetzt wurde aber Muttche ernstlich böse. In England möchten es die jungen Miß Sabine war in der That nicht leicht zu besiegen, Sie trug von jetzt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0101" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/233981"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen ans unsern? heutigen Volksleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_345" prev="#ID_344"> kleinen Füchse, die die Weinberge verderben. Darunter versteht die gelehrte Ver¬<lb/> fasserin die kleinen Untugenden, die das Zusammenleben der Menschen stören, die<lb/> sie nun in gründlicher und ausführlicher Weise, eine nach der andern behandelt,<lb/> sieben Untugenden, in Summa ein ganzes Buch voll.</p><lb/> <p xml:id="ID_346"> Oh, Frlau Sjuperiutcnudcut, sagte Miß Sabine, nachdem wieder ein Wilder-<lb/> muthsches Brautpaar unter Mitgabe etlicher Lebensweisheit beseitigt worden war,<lb/> die klreinen Füchse! Oh, sie sind sehrl gut für die jungen Mädchen. Erluauben<lb/> Sie, daß ich jetzt anfange,</p><lb/> <p xml:id="ID_347"> Sie fing wirklich um, ohne anf die Unruhe der jungen Mädchen und auf das<lb/> Stirnrunzeln von Muttche zu achten: Papa, nah uirst du diesem Uiuterl zu unscrlen<lb/> Abend —un—teri—hair—trug—en nehmen? sagte Jenny. — Ich habe tartar<lb/> gedacht, erui.....der—te ich, eine Rleihe Haus —prie—dig—ten zu halten überl<lb/> einen son—dert—ba—ren Text, den ich neulich in einer! alten Ab—Hand—lrung<lb/> auf dem Boden sunt.</p><lb/> <p xml:id="ID_348"> Weiter kam sie nicht. Von allen Seiten wurden Proteste gegen diese Vor¬<lb/> lesung erhoben, — Nein, Miß Sabine, sagte Muttche, so geht das nicht, Geben<lb/> Sie her, ich werde selbst lesen. — Muttche las also eine Seite mich der andern,<lb/> lauter gute Lehren, lauter lange Erörterungen, sowie zahlreiche Beispiele über die<lb/> Untugend der Tadelsucht. Es wollte kein Eude nehmen. Mnttche las mit einem<lb/> gewissen Heroismus, Miß Sabine hatte ihre großen Hände auf den Tisch gelegt<lb/> und hörte mit andächtiger Sammlung zu. Rosa Gutherz bemühte sich, sich getroffen<lb/> zu fühlen. Charlotte, die Verständige, stickte mit fanatischem Eifer, und Hans Hucke¬<lb/> bein lehnte sich im Stuhle zurück, streckte die Beine aus und — sie war gar nicht<lb/> bei der Sache - rief an einer besonders eindringlichen Stelle: Süße Irma!<lb/> Dies gab eine herzbefreiende Heiterkeit und die Vermahnung von Muttche, man<lb/> müsse es lernen, ernste Dinge ernsthaft zu behandeln. Endlich war der Gegenstand<lb/> erschöpft. So, sagte Muttche, damit sei es genug für heute.</p><lb/> <p xml:id="ID_349"> Und morgen das nächste. Kapiterl, fügte Miß Sabine hinzu,</p><lb/> <p xml:id="ID_350"> O nein nein, riefen die jungen Mädchen, Muttche, bestes Muttche, keine kleinen<lb/> Füchse mehr!</p><lb/> <p xml:id="ID_351"> Nein, Kinder, sagte Mnttche, dies einemal sei genug.</p><lb/> <p xml:id="ID_352"> Oh, Frlau Sjuperintenndent, ich habe noch ein Buch von demselben -entbor<lb/> „Beherl—zigens—wert—te Dinge." Aberl es ist schuieriger als die „.Meinen<lb/> Füchse," Erluauben Sie —</p><lb/> <p xml:id="ID_353"> Nein, Miß Sabine, ich erlaube es nicht; das ist nichts für unsre jungen<lb/> Mädchen,</p><lb/> <p xml:id="ID_354"> Aberl in Juglttnd alle jungen Mädchen lesen die beherzigenswerten Dinge,<lb/> Uarum in Deutschland man nicht liest dieses Buch?</p><lb/> <p xml:id="ID_355"> Weil Sie in England vermutlich ein größeres Maß Langerweile vertragen<lb/> können als wir. Nehmen Sie lieber ein paar Bände Wildermuth mit nach<lb/> England.</p><lb/> <p xml:id="ID_356"> Oh nein, sagte Miß Sabine und schlug dabei die Augen zu Boden, in Jng-<lb/> länd die jungen Mädchen lesen nicht von jungen Männern Liebesgeschichten,</p><lb/> <p xml:id="ID_357"> Jetzt wurde aber Muttche ernstlich böse. In England möchten es die jungen<lb/> Mädchen halten, wie sie wollten, in ihrem Hause habe sie allein zu bestimmen,<lb/> was sich schicke, und was sich nicht schicke. Und Miß Sabine habe keinen Grund,<lb/> so zimperlich zu thun, was ihr bei ihrem Alter nicht einmal stehe. Woran sich<lb/> noch weitere gute Lehren schlössen. Sie flössen jedoch von Miß Sabine ab, wie<lb/> das Wasser von eiuer Ente, die im Regen steht.</p><lb/> <p xml:id="ID_358" next="#ID_359"> Miß Sabine war in der That nicht leicht zu besiegen, Sie trug von jetzt<lb/> ab jederzeit die Kleinen Füchse bei sich in der Tasche, Wenn sie eins der jungen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0101]
Skizzen ans unsern? heutigen Volksleben
kleinen Füchse, die die Weinberge verderben. Darunter versteht die gelehrte Ver¬
fasserin die kleinen Untugenden, die das Zusammenleben der Menschen stören, die
sie nun in gründlicher und ausführlicher Weise, eine nach der andern behandelt,
sieben Untugenden, in Summa ein ganzes Buch voll.
Oh, Frlau Sjuperiutcnudcut, sagte Miß Sabine, nachdem wieder ein Wilder-
muthsches Brautpaar unter Mitgabe etlicher Lebensweisheit beseitigt worden war,
die klreinen Füchse! Oh, sie sind sehrl gut für die jungen Mädchen. Erluauben
Sie, daß ich jetzt anfange,
Sie fing wirklich um, ohne anf die Unruhe der jungen Mädchen und auf das
Stirnrunzeln von Muttche zu achten: Papa, nah uirst du diesem Uiuterl zu unscrlen
Abend —un—teri—hair—trug—en nehmen? sagte Jenny. — Ich habe tartar
gedacht, erui.....der—te ich, eine Rleihe Haus —prie—dig—ten zu halten überl
einen son—dert—ba—ren Text, den ich neulich in einer! alten Ab—Hand—lrung
auf dem Boden sunt.
Weiter kam sie nicht. Von allen Seiten wurden Proteste gegen diese Vor¬
lesung erhoben, — Nein, Miß Sabine, sagte Muttche, so geht das nicht, Geben
Sie her, ich werde selbst lesen. — Muttche las also eine Seite mich der andern,
lauter gute Lehren, lauter lange Erörterungen, sowie zahlreiche Beispiele über die
Untugend der Tadelsucht. Es wollte kein Eude nehmen. Mnttche las mit einem
gewissen Heroismus, Miß Sabine hatte ihre großen Hände auf den Tisch gelegt
und hörte mit andächtiger Sammlung zu. Rosa Gutherz bemühte sich, sich getroffen
zu fühlen. Charlotte, die Verständige, stickte mit fanatischem Eifer, und Hans Hucke¬
bein lehnte sich im Stuhle zurück, streckte die Beine aus und — sie war gar nicht
bei der Sache - rief an einer besonders eindringlichen Stelle: Süße Irma!
Dies gab eine herzbefreiende Heiterkeit und die Vermahnung von Muttche, man
müsse es lernen, ernste Dinge ernsthaft zu behandeln. Endlich war der Gegenstand
erschöpft. So, sagte Muttche, damit sei es genug für heute.
Und morgen das nächste. Kapiterl, fügte Miß Sabine hinzu,
O nein nein, riefen die jungen Mädchen, Muttche, bestes Muttche, keine kleinen
Füchse mehr!
Nein, Kinder, sagte Mnttche, dies einemal sei genug.
Oh, Frlau Sjuperintenndent, ich habe noch ein Buch von demselben -entbor
„Beherl—zigens—wert—te Dinge." Aberl es ist schuieriger als die „.Meinen
Füchse," Erluauben Sie —
Nein, Miß Sabine, ich erlaube es nicht; das ist nichts für unsre jungen
Mädchen,
Aberl in Juglttnd alle jungen Mädchen lesen die beherzigenswerten Dinge,
Uarum in Deutschland man nicht liest dieses Buch?
Weil Sie in England vermutlich ein größeres Maß Langerweile vertragen
können als wir. Nehmen Sie lieber ein paar Bände Wildermuth mit nach
England.
Oh nein, sagte Miß Sabine und schlug dabei die Augen zu Boden, in Jng-
länd die jungen Mädchen lesen nicht von jungen Männern Liebesgeschichten,
Jetzt wurde aber Muttche ernstlich böse. In England möchten es die jungen
Mädchen halten, wie sie wollten, in ihrem Hause habe sie allein zu bestimmen,
was sich schicke, und was sich nicht schicke. Und Miß Sabine habe keinen Grund,
so zimperlich zu thun, was ihr bei ihrem Alter nicht einmal stehe. Woran sich
noch weitere gute Lehren schlössen. Sie flössen jedoch von Miß Sabine ab, wie
das Wasser von eiuer Ente, die im Regen steht.
Miß Sabine war in der That nicht leicht zu besiegen, Sie trug von jetzt
ab jederzeit die Kleinen Füchse bei sich in der Tasche, Wenn sie eins der jungen
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