Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Ans klassischem Boden Gerade sich gegenüber sah Kurtchen wieder das weiße Kloster auf der Höhe des Nach kurzem Versuch, auf dem Bett Ruhe zu finden, wandte er sich dem Aber das waren keine deutschen Stimmen, die immer zahlreicher und heftig Der Fremde oben war ihnen ins Auge gefallen. Erst hatten einige unter LiKnorl un solcio, siAnor, sixacir! -- Die Hände waren emporgestreckt und Knrtchen warf eiuen Kupfer-Centesimo, den er in seinen Taschen fand, hin¬ Was giebts? Ich dachte, der Signore schliefe vielleicht, und fürchtete zu stören. Aber die deutscheu Ich komme gleich, sagte Kurtchen ohne Hast und wandte sich noch einmal nach Der Kellner ging noch nicht, und Kurtchen sah sich halb verweisend halb fragend um. Darf ich melden, daß der Signore gleich kommt? Die Signori wollten mit Sie hatten kommen wollen, ihn zu suchen, und waren abgewiesen worden. Ans klassischem Boden Gerade sich gegenüber sah Kurtchen wieder das weiße Kloster auf der Höhe des Nach kurzem Versuch, auf dem Bett Ruhe zu finden, wandte er sich dem Aber das waren keine deutschen Stimmen, die immer zahlreicher und heftig Der Fremde oben war ihnen ins Auge gefallen. Erst hatten einige unter LiKnorl un solcio, siAnor, sixacir! — Die Hände waren emporgestreckt und Knrtchen warf eiuen Kupfer-Centesimo, den er in seinen Taschen fand, hin¬ Was giebts? Ich dachte, der Signore schliefe vielleicht, und fürchtete zu stören. Aber die deutscheu Ich komme gleich, sagte Kurtchen ohne Hast und wandte sich noch einmal nach Der Kellner ging noch nicht, und Kurtchen sah sich halb verweisend halb fragend um. Darf ich melden, daß der Signore gleich kommt? Die Signori wollten mit Sie hatten kommen wollen, ihn zu suchen, und waren abgewiesen worden. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0688" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291765"/> <fw type="header" place="top"> Ans klassischem Boden</fw><lb/> <p xml:id="ID_2703"> Gerade sich gegenüber sah Kurtchen wieder das weiße Kloster auf der Höhe des<lb/> Monte Cavo schimmern, das seit Rom vor ihm gestanden hatte wie ein Leitstern.</p><lb/> <p xml:id="ID_2704"> Nach kurzem Versuch, auf dem Bett Ruhe zu finden, wandte er sich dem<lb/> Fenster wieder zu. Er saß auf der niedrigen Brüstung und lauschte, ohne es zu<lb/> wollen, ans die Bewegungen im Hause. Es war doch denkbar, daß der Bredowsche<lb/> Einzug sich bis hier herauf hörbar machte, wenn er erfolgte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2705"> Aber das waren keine deutschen Stimmen, die immer zahlreicher und heftig<lb/> bis zur Heiserkeit einen eintönigen Kriegsgesaug zu ihm emporschickten. — Er sah<lb/> hinab. Da, tief unten auf dem Felsen, zu Füßen der Häuserreihe, spielte der wilde<lb/> dunkelfarbige Nachwuchs dieses Gebirges.</p><lb/> <p xml:id="ID_2706"> Der Fremde oben war ihnen ins Auge gefallen. Erst hatten einige unter<lb/> seinem Fenster mit Rufen und Springen seine Aufmerksamkeit zu wecken gesucht.<lb/> Das hatte die andern herbeigelockt, sie hatten sich angeschlossen und hielten nun<lb/> den Posten belagert.</p><lb/> <p xml:id="ID_2707"> LiKnorl un solcio, siAnor, sixacir! — Die Hände waren emporgestreckt und<lb/> wurden von wilden Sprüngen unterstützt, um die erhoffte Kupfermünze eher zu<lb/> erhaschen. Dazwischen hagelte es Faustschläge und Stöße zwischen den Wettbewerbern,<lb/> die sich immer mehr zu einem hüpfenden, kreischenden, brüllenden Knäuel ballten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2708"> Knrtchen warf eiuen Kupfer-Centesimo, den er in seinen Taschen fand, hin¬<lb/> unter und belustigte sich an dem Kampfgewühl, das entstand. Es folgte ein ver¬<lb/> gessenes Eisenbahnbillct, ein Knopf, ein Nagel, den er aus der Wand zog — immer<lb/> die gleiche Sturzwelle, das Springen, Greifen, Sichüberschlagen der Rotte da unten,<lb/> dann das Kreischen und Lachen, wenn die Gabe sich enthüllte, und das neue Ge¬<lb/> bettel um den Soldo, den Soldo! Kurtchen fühlte etwas wie Erleichterung in seinem<lb/> gepreßten Seelenzustnnd, während er sich diesem nnzivilisierten Spiel hingab. Er<lb/> suchte immer nach neuen Gegenständen und entwickelte eine Geschicklichkeit, die ihn<lb/> selber überraschte, wenn er die Gebärde des Werfens andeutete und dabei ein Glas<lb/> Wasser unbemerkt soweit emporhob, daß er rin einer zweiten Bewegung den ganzen<lb/> Inhalt über die schwarzen Häupter da unten ausgießen konnte. Doppeltes Geheul<lb/> und rasende Flucht war der Erfolg, aber nur so weit, bis sie sich außer Wurfweite<lb/> wußte«, dann machten sie Kehrt und huben von vorn an. Kurtchen war fo<lb/> vertieft, daß er ein leises Klopfen an der Thür nicht hörte. Endlich, als sich das<lb/> bescheidne Geräusch von dem Getöse unten am Felsen abzuheben vermochte, gab er<lb/> das Zeichen zum Eintreten, und der Cammeriere sah ihn fast lebhafter und erregter<lb/> als am Morgen, wo er zu Pferde vor dem Haus gehalten hatte. Er hatte<lb/> sich mit einem gewissen trotzigen Feuer diesem Vergnügen hingegeben, und es war<lb/> ihm gelungen, sich soweit darein zu vertiefen, daß ihn die Störung ärgerte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2709"> Was giebts?</p><lb/> <p xml:id="ID_2710"> Ich dachte, der Signore schliefe vielleicht, und fürchtete zu stören. Aber die deutscheu<lb/> Siguori - auch er streckte die Hand hoch über seinen Kopf empor und duckte sich mit<lb/> aufwärts gerichteten Auge«, um den Größenabstand zwischen seiner Person und diesen<lb/> Deutschen zu bezeichnen —, sie sind angekommen und fragten nach dem Signorino.</p><lb/> <p xml:id="ID_2711"> Ich komme gleich, sagte Kurtchen ohne Hast und wandte sich noch einmal nach<lb/> dem Fenster. 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Ans klassischem Boden
Gerade sich gegenüber sah Kurtchen wieder das weiße Kloster auf der Höhe des
Monte Cavo schimmern, das seit Rom vor ihm gestanden hatte wie ein Leitstern.
Nach kurzem Versuch, auf dem Bett Ruhe zu finden, wandte er sich dem
Fenster wieder zu. Er saß auf der niedrigen Brüstung und lauschte, ohne es zu
wollen, ans die Bewegungen im Hause. Es war doch denkbar, daß der Bredowsche
Einzug sich bis hier herauf hörbar machte, wenn er erfolgte.
Aber das waren keine deutschen Stimmen, die immer zahlreicher und heftig
bis zur Heiserkeit einen eintönigen Kriegsgesaug zu ihm emporschickten. — Er sah
hinab. Da, tief unten auf dem Felsen, zu Füßen der Häuserreihe, spielte der wilde
dunkelfarbige Nachwuchs dieses Gebirges.
Der Fremde oben war ihnen ins Auge gefallen. Erst hatten einige unter
seinem Fenster mit Rufen und Springen seine Aufmerksamkeit zu wecken gesucht.
Das hatte die andern herbeigelockt, sie hatten sich angeschlossen und hielten nun
den Posten belagert.
LiKnorl un solcio, siAnor, sixacir! — Die Hände waren emporgestreckt und
wurden von wilden Sprüngen unterstützt, um die erhoffte Kupfermünze eher zu
erhaschen. Dazwischen hagelte es Faustschläge und Stöße zwischen den Wettbewerbern,
die sich immer mehr zu einem hüpfenden, kreischenden, brüllenden Knäuel ballten.
Knrtchen warf eiuen Kupfer-Centesimo, den er in seinen Taschen fand, hin¬
unter und belustigte sich an dem Kampfgewühl, das entstand. Es folgte ein ver¬
gessenes Eisenbahnbillct, ein Knopf, ein Nagel, den er aus der Wand zog — immer
die gleiche Sturzwelle, das Springen, Greifen, Sichüberschlagen der Rotte da unten,
dann das Kreischen und Lachen, wenn die Gabe sich enthüllte, und das neue Ge¬
bettel um den Soldo, den Soldo! Kurtchen fühlte etwas wie Erleichterung in seinem
gepreßten Seelenzustnnd, während er sich diesem nnzivilisierten Spiel hingab. Er
suchte immer nach neuen Gegenständen und entwickelte eine Geschicklichkeit, die ihn
selber überraschte, wenn er die Gebärde des Werfens andeutete und dabei ein Glas
Wasser unbemerkt soweit emporhob, daß er rin einer zweiten Bewegung den ganzen
Inhalt über die schwarzen Häupter da unten ausgießen konnte. Doppeltes Geheul
und rasende Flucht war der Erfolg, aber nur so weit, bis sie sich außer Wurfweite
wußte«, dann machten sie Kehrt und huben von vorn an. Kurtchen war fo
vertieft, daß er ein leises Klopfen an der Thür nicht hörte. Endlich, als sich das
bescheidne Geräusch von dem Getöse unten am Felsen abzuheben vermochte, gab er
das Zeichen zum Eintreten, und der Cammeriere sah ihn fast lebhafter und erregter
als am Morgen, wo er zu Pferde vor dem Haus gehalten hatte. Er hatte
sich mit einem gewissen trotzigen Feuer diesem Vergnügen hingegeben, und es war
ihm gelungen, sich soweit darein zu vertiefen, daß ihn die Störung ärgerte.
Was giebts?
Ich dachte, der Signore schliefe vielleicht, und fürchtete zu stören. Aber die deutscheu
Siguori - auch er streckte die Hand hoch über seinen Kopf empor und duckte sich mit
aufwärts gerichteten Auge«, um den Größenabstand zwischen seiner Person und diesen
Deutschen zu bezeichnen —, sie sind angekommen und fragten nach dem Signorino.
Ich komme gleich, sagte Kurtchen ohne Hast und wandte sich noch einmal nach
dem Fenster. In ihm war ein Triumphgeschrei über die Gelassenheit, die er im
Augenblick nicht nur zum Ausdruck brachte, sondern auch zu empfinden glaubte.
Er brauchte keinen, er fand auf eigne Rechnung sein Vergnügen.
Der Kellner ging noch nicht, und Kurtchen sah sich halb verweisend halb fragend um.
Darf ich melden, daß der Signore gleich kommt? Die Signori wollten mit
Gewalt heraufkommen, ich sagte aber, der Signorino schliefe.
Sie hatten kommen wollen, ihn zu suchen, und waren abgewiesen worden.
Der Gipfel der Genugthuung schien Kurtchen damit erreicht. Von dieser Höhe
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