Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Dreimal gefunden Aber du seist doch selbst geheiratet, wandte der Sohn wieder ein. Nun ja -- das hatte so seine Bewandtnis. Ich war ja schon fünfzig Jahre Der Sohn räusperte sich und schwieg. Unwillkürlich überlegte er sich die Zu¬ Beinahe hätte der Sohn angefangen zu Pfeifen. Nein, siehst du, ergriff der Alte, von des Sohnes Schweigen wieder etwas Nein nein, Vater, sagte der Sohn beruhigend, du sollst davon verschont bleiben, Aber als er dann allein war, dachte er zum erstenmal recht innig an die Bald stand er auf dem Dampfschiff und ließ sich vom Aufwärter ein Glas Da hörte er plötzlich einen klagenden Ton, und er sah sich um. Nicht weit Aus diesen: Traum erwachte Asmund mitten in der Nacht, und er fühlte ganz Am Tage dann, als er endlich auf dem Dampfschiff festen Fuß gefaßt hatte Aber Asmund bekam nicht zu viel Zeit, wo er sich tummeln konnte wie ein Die Begegnung mit Ragna warf auf einmal alle seine Gedanken über den Dreimal gefunden Aber du seist doch selbst geheiratet, wandte der Sohn wieder ein. Nun ja — das hatte so seine Bewandtnis. Ich war ja schon fünfzig Jahre Der Sohn räusperte sich und schwieg. Unwillkürlich überlegte er sich die Zu¬ Beinahe hätte der Sohn angefangen zu Pfeifen. Nein, siehst du, ergriff der Alte, von des Sohnes Schweigen wieder etwas Nein nein, Vater, sagte der Sohn beruhigend, du sollst davon verschont bleiben, Aber als er dann allein war, dachte er zum erstenmal recht innig an die Bald stand er auf dem Dampfschiff und ließ sich vom Aufwärter ein Glas Da hörte er plötzlich einen klagenden Ton, und er sah sich um. Nicht weit Aus diesen: Traum erwachte Asmund mitten in der Nacht, und er fühlte ganz Am Tage dann, als er endlich auf dem Dampfschiff festen Fuß gefaßt hatte Aber Asmund bekam nicht zu viel Zeit, wo er sich tummeln konnte wie ein Die Begegnung mit Ragna warf auf einmal alle seine Gedanken über den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291133"/> <fw type="header" place="top"> Dreimal gefunden</fw><lb/> <p xml:id="ID_188"> Aber du seist doch selbst geheiratet, wandte der Sohn wieder ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_189"> Nun ja — das hatte so seine Bewandtnis. Ich war ja schon fünfzig Jahre<lb/> alt. Wenn du einmal ebenso alt bist, dann werde ich wohl uuter der Erde liegen,<lb/> denke ich nur, und dann kannst dn meinethalben thun, was du willst.</p><lb/> <p xml:id="ID_190"> Der Sohn räusperte sich und schwieg. Unwillkürlich überlegte er sich die Zu¬<lb/> kunft. Wenn er fünfzig wurde, dann mußte der Vater, der jetzt fünfundsiebzig war,<lb/> schou über hundert Jahre alt sein. Ja freilich, da hatte es keine Not! Wenn der<lb/> Alte, der ja schon ganz wacklig auf den Beinen war, achtzig Jahre erreichte, so<lb/> würde ihn das sehr wundern — und bis dahin waren es nur noch fünf Jahre!</p><lb/> <p xml:id="ID_191"> Beinahe hätte der Sohn angefangen zu Pfeifen.</p><lb/> <p xml:id="ID_192"> Nein, siehst du, ergriff der Alte, von des Sohnes Schweigen wieder etwas<lb/> beruhigt, aufs neue das Wort. Wenn die Frauen den Verdienst des Mannes<lb/> nicht geradezu vergeuden, so sind sie doch feig wie die Mäuse, drücken sich immer<lb/> hinter die Thüren und in die Ecken — man weiß nie, wie man mit ihnen dran<lb/> ist. Kurz gesagt, summa summcirium, es kommt kein Frauenzimmer mehr hier ins<lb/> Haus! Und um seiner Rede noch mehr Nachdruck zu geben, schlug er mit der<lb/> Faust auf den Tisch, daß die Punschgläser tanzten.</p><lb/> <p xml:id="ID_193"> Nein nein, Vater, sagte der Sohn beruhigend, du sollst davon verschont bleiben,<lb/> ich verspreche es dir sicher.</p><lb/> <p xml:id="ID_194"> Aber als er dann allein war, dachte er zum erstenmal recht innig an die<lb/> Mutter, die er nie gekannt hatte. Und er dachte immerfort an sie, bis sein Herz<lb/> so weich wurde, daß er nicht wußte, was er mit sich anfangen sollte; aber dann<lb/> schlief er ein. Er fand aber nicht die rechte, feste Ruhe, dazu war sein Gemüt zu<lb/> erregt, und die Träume kamen und gingen in wechselnden Bildern.</p><lb/> <p xml:id="ID_195"> Bald stand er auf dem Dampfschiff und ließ sich vom Aufwärter ein Glas<lb/> Toddy reichen, bald ging er gebietend auf seinem eignen Schiff umher und ließ<lb/> die Flagge bissen, der Flagge zum Gegengruß, die ihm vom Lande zuwinkte. Er<lb/> fühlte sich froh und wohlgemut und war eben daran, einen Gesang anzustimmen,<lb/> während er den Anker lichtete und nach dem Wind ausschaute.</p><lb/> <p xml:id="ID_196"> Da hörte er plötzlich einen klagenden Ton, und er sah sich um. Nicht weit<lb/> von ihm entfernt lag ein kleines verschüchtertes Frauenzimmer ans den Knieen und<lb/> suchte sich in einen Erdhügel Hineinzugraben. Zugleich ertönte ein donnernder<lb/> Schlag, der gerade so klang, wie wenn der Vater mit der Faust auf den Tisch<lb/> geschlagen hätte, und das Frauenzimmer fiel tot um. Er wollte zuspringen, um ihr zu<lb/> helfen — dn stand er auf einmal in der Wohnstube, wo der Vater bissig und<lb/> drohend am Fenster saß, und wo die Tote sich plötzlich groß und stark vor diesem<lb/> aufrichtete, seine geballten Fünfte ergriff und die Finger einen nach dem andern<lb/> löste, wie man einen Knoten auflöst, bis über seine bösen> harten Züge ein Lächeln<lb/> hinzog, und sein altes Gesicht ganz kindlich aussah.</p><lb/> <p xml:id="ID_197"> Aus diesen: Traum erwachte Asmund mitten in der Nacht, und er fühlte ganz<lb/> deutlich, nun hatte er seine Mutter und sein eignes Schicksal gesehen. Aber auch<lb/> das des Vaters hatte er geschaut. Denn ganz gewiß war die Hand des Todes<lb/> die einzige, die es vermochte, die festgeballte Faust zu öffnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_198"> Am Tage dann, als er endlich auf dem Dampfschiff festen Fuß gefaßt hatte<lb/> und gehn und stehn konnte, wo es ihm beliebte, fühlte er sich wieder froh und<lb/> leicht. Nein, er würde kein Heimweh bekommen! Und sollte er auch nie ein<lb/> andres Heim finde», als das Schiff mit seinem unsteten Leben, so wollte er doch<lb/> jederzeit die Freiheit preisen und zufrieden sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_199"> Aber Asmund bekam nicht zu viel Zeit, wo er sich tummeln konnte wie ein<lb/> losgelassenes Füllen.</p><lb/> <p xml:id="ID_200" next="#ID_201"> Die Begegnung mit Ragna warf auf einmal alle seine Gedanken über den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
Dreimal gefunden
Aber du seist doch selbst geheiratet, wandte der Sohn wieder ein.
Nun ja — das hatte so seine Bewandtnis. Ich war ja schon fünfzig Jahre
alt. Wenn du einmal ebenso alt bist, dann werde ich wohl uuter der Erde liegen,
denke ich nur, und dann kannst dn meinethalben thun, was du willst.
Der Sohn räusperte sich und schwieg. Unwillkürlich überlegte er sich die Zu¬
kunft. Wenn er fünfzig wurde, dann mußte der Vater, der jetzt fünfundsiebzig war,
schou über hundert Jahre alt sein. Ja freilich, da hatte es keine Not! Wenn der
Alte, der ja schon ganz wacklig auf den Beinen war, achtzig Jahre erreichte, so
würde ihn das sehr wundern — und bis dahin waren es nur noch fünf Jahre!
Beinahe hätte der Sohn angefangen zu Pfeifen.
Nein, siehst du, ergriff der Alte, von des Sohnes Schweigen wieder etwas
beruhigt, aufs neue das Wort. Wenn die Frauen den Verdienst des Mannes
nicht geradezu vergeuden, so sind sie doch feig wie die Mäuse, drücken sich immer
hinter die Thüren und in die Ecken — man weiß nie, wie man mit ihnen dran
ist. Kurz gesagt, summa summcirium, es kommt kein Frauenzimmer mehr hier ins
Haus! Und um seiner Rede noch mehr Nachdruck zu geben, schlug er mit der
Faust auf den Tisch, daß die Punschgläser tanzten.
Nein nein, Vater, sagte der Sohn beruhigend, du sollst davon verschont bleiben,
ich verspreche es dir sicher.
Aber als er dann allein war, dachte er zum erstenmal recht innig an die
Mutter, die er nie gekannt hatte. Und er dachte immerfort an sie, bis sein Herz
so weich wurde, daß er nicht wußte, was er mit sich anfangen sollte; aber dann
schlief er ein. Er fand aber nicht die rechte, feste Ruhe, dazu war sein Gemüt zu
erregt, und die Träume kamen und gingen in wechselnden Bildern.
Bald stand er auf dem Dampfschiff und ließ sich vom Aufwärter ein Glas
Toddy reichen, bald ging er gebietend auf seinem eignen Schiff umher und ließ
die Flagge bissen, der Flagge zum Gegengruß, die ihm vom Lande zuwinkte. Er
fühlte sich froh und wohlgemut und war eben daran, einen Gesang anzustimmen,
während er den Anker lichtete und nach dem Wind ausschaute.
Da hörte er plötzlich einen klagenden Ton, und er sah sich um. Nicht weit
von ihm entfernt lag ein kleines verschüchtertes Frauenzimmer ans den Knieen und
suchte sich in einen Erdhügel Hineinzugraben. Zugleich ertönte ein donnernder
Schlag, der gerade so klang, wie wenn der Vater mit der Faust auf den Tisch
geschlagen hätte, und das Frauenzimmer fiel tot um. Er wollte zuspringen, um ihr zu
helfen — dn stand er auf einmal in der Wohnstube, wo der Vater bissig und
drohend am Fenster saß, und wo die Tote sich plötzlich groß und stark vor diesem
aufrichtete, seine geballten Fünfte ergriff und die Finger einen nach dem andern
löste, wie man einen Knoten auflöst, bis über seine bösen> harten Züge ein Lächeln
hinzog, und sein altes Gesicht ganz kindlich aussah.
Aus diesen: Traum erwachte Asmund mitten in der Nacht, und er fühlte ganz
deutlich, nun hatte er seine Mutter und sein eignes Schicksal gesehen. Aber auch
das des Vaters hatte er geschaut. Denn ganz gewiß war die Hand des Todes
die einzige, die es vermochte, die festgeballte Faust zu öffnen.
Am Tage dann, als er endlich auf dem Dampfschiff festen Fuß gefaßt hatte
und gehn und stehn konnte, wo es ihm beliebte, fühlte er sich wieder froh und
leicht. Nein, er würde kein Heimweh bekommen! Und sollte er auch nie ein
andres Heim finde», als das Schiff mit seinem unsteten Leben, so wollte er doch
jederzeit die Freiheit preisen und zufrieden sein.
Aber Asmund bekam nicht zu viel Zeit, wo er sich tummeln konnte wie ein
losgelassenes Füllen.
Die Begegnung mit Ragna warf auf einmal alle seine Gedanken über den
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