Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Auf klassischem Boden Er riß die Thüren auf und trat zurück -- eine Menschenwelle drang ein -- Als sie sich verteilt hatten -- es ging alles wie im Sprung und Lauf --, Und dann dieses Blond! Was mochten wohl die Zöpfe wiegen, die da hinten Das zarte Weiß und Rot der Gesichter war bei der Frau etwas nachgedunkelt, Die Kleidung war aber überall gleich. Wetterloden hier wie dort. Bei den Ob sie nun von einer Burg in Alemannien herab einen "Convoi von Kauf¬ In einem Augenblick hatten sie die Galerie bis zum letzten Winkel mit aus¬ Trude, Trude! kam ein Geschrei aus den, hintersten Saal. Trude setzte sich in Trab, und mit ihr lief ein leises Beben über den Mosaik¬ Trude, sieh mal -- es klang wieder so laut, als ob Pferdegewicher und das Na, aber beinah nackend! Pfui, Frida! Wenn dich Leutnant Prittwitz sähe! Sie rannten weiter in den zweiten Saal zurück. Das Fresko von Rafael Nymphe von Titian. Da, noch eine -- -- om -- owma8 vamws -- das muß etwas Latei¬ Du, sei doch stille, ich geniere mich ja. Bei diesen Worten war der Versuch Auf klassischem Boden Er riß die Thüren auf und trat zurück — eine Menschenwelle drang ein — Als sie sich verteilt hatten — es ging alles wie im Sprung und Lauf —, Und dann dieses Blond! Was mochten wohl die Zöpfe wiegen, die da hinten Das zarte Weiß und Rot der Gesichter war bei der Frau etwas nachgedunkelt, Die Kleidung war aber überall gleich. Wetterloden hier wie dort. Bei den Ob sie nun von einer Burg in Alemannien herab einen „Convoi von Kauf¬ In einem Augenblick hatten sie die Galerie bis zum letzten Winkel mit aus¬ Trude, Trude! kam ein Geschrei aus den, hintersten Saal. Trude setzte sich in Trab, und mit ihr lief ein leises Beben über den Mosaik¬ Trude, sieh mal — es klang wieder so laut, als ob Pferdegewicher und das Na, aber beinah nackend! Pfui, Frida! Wenn dich Leutnant Prittwitz sähe! Sie rannten weiter in den zweiten Saal zurück. Das Fresko von Rafael Nymphe von Titian. Da, noch eine — — om — owma8 vamws — das muß etwas Latei¬ Du, sei doch stille, ich geniere mich ja. Bei diesen Worten war der Versuch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291504"/> <fw type="header" place="top"> Auf klassischem Boden</fw><lb/> <p xml:id="ID_1399"> Er riß die Thüren auf und trat zurück — eine Menschenwelle drang ein —<lb/> Sor Cesare stand und schaute: ein, zwei, drei, vier — fünf Spitzhüte mit krummen<lb/> Auerhnhnfedern, lange Leiber in grüne Wettcrloden genäht, und Häupter mit Lasten<lb/> weißblonden Haars. Sor Cesare stand noch immer unbeweglich. Er war ja auch<lb/> ein Römer, wenn schon ein später Abkömmling — dies hier aber mußten die<lb/> Barbaren sein, deren dröhnender Schritt einst das Weltreich hatte erbeben machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1400"> Als sie sich verteilt hatten — es ging alles wie im Sprung und Lauf —,<lb/> sah er, daß sie nicht bewaffnet waren, auch waren drei von ihnen weiblichen Ge¬<lb/> schlechts. Eine älter, die beiden andern jung, viel jünger sogar, als man in Rom<lb/> jemals sein kann. Denn diese unausgebildeten Nasen, diese wasserhellen Augen<lb/> flach auf deu runden Gesichtern — nichts von Sor Cescires tief versenkten Lichtern —,<lb/> dieses Milchweiß und Rosenrot konnte in Rom kein Säugling von sich rühmen<lb/> lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1401"> Und dann dieses Blond! Was mochten wohl die Zöpfe wiegen, die da hinten<lb/> um die nicht kleinen Köpfe gepackt waren, und auf denen der grüne Jagdhut fest¬<lb/> geklammert saß wie ein Äffchen auf einem Dromedar.</p><lb/> <p xml:id="ID_1402"> Das zarte Weiß und Rot der Gesichter war bei der Frau etwas nachgedunkelt,<lb/> bei den Männern — Vater und Sohn — zu einem gleichmäßigen roten Ton<lb/> vertieft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1403"> Die Kleidung war aber überall gleich. Wetterloden hier wie dort. Bei den<lb/> Frauen als glatte, sehr fußfreie Rocke, als wenn die schlammigen Tiberwildnisfe<lb/> noch zu durchwaten wären, wie zu der Zeit, als Romulus im Neste der Wölfin<lb/> lag; bei den Männern in engen Joppen und Hosen; bei allen gleichmäßig die grüne<lb/> weltmännische Farbe."</p><lb/> <p xml:id="ID_1404"> Ob sie nun von einer Burg in Alemannien herab einen „Convoi von Kauf¬<lb/> leuten überfallen hatten, der mit grünen Tücher von Bayern zur See zog, oder<lb/> ob sie von Rudolf Hertzog in Berlin mehrere Zentner dieses Stoffs bezogen —<lb/> jedenfalls waren sie gerüstet wie zur Bärenjagd, und Sor Cesare überzeugte sich<lb/> nur schwer, daß der Wiederhall ihrer Schritte ohne Nagelschuhe zustande kam.</p><lb/> <p xml:id="ID_1405"> In einem Augenblick hatten sie die Galerie bis zum letzten Winkel mit aus¬<lb/> schwärmenden Mannschaften durchsetzt, obgleich ihr Vordringen nicht leichtfüßig ge¬<lb/> schah, sondern so, als hätten sie mit jedem Schritt einen halben Morgen Weizen¬<lb/> boden emporzuheben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1406"> Trude, Trude! kam ein Geschrei aus den, hintersten Saal.</p><lb/> <p xml:id="ID_1407"> Trude setzte sich in Trab, und mit ihr lief ein leises Beben über den Mosaik¬<lb/> fußboden und kam zitternd von den schweigenden Wänden zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1408"> Trude, sieh mal — es klang wieder so laut, als ob Pferdegewicher und das<lb/> Geklapper von Milcheimern übertönt werden müßten — Trude, sieh mal, Fortuna<lb/> auf der Kugel, siehst du?</p><lb/> <p xml:id="ID_1409"> Na, aber beinah nackend! Pfui, Frida! Wenn dich Leutnant Prittwitz sähe!</p><lb/> <p xml:id="ID_1410"> Sie rannten weiter in den zweiten Saal zurück. Das Fresko von Rafael<lb/> wurden sie gar nicht gewahr, machten dagegen vor der Malerin einen Augenblick<lb/> Halt und besahen sie wie einen Ausstellungsgegenstand; dann schwärmten sie wieder<lb/> gegen die Wände aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1411"> Nymphe von Titian.</p><lb/> <p xml:id="ID_1412"> Da, noch eine — — om — owma8 vamws — das muß etwas Latei¬<lb/> nisches sein, was da drüber steht. Die haben aber alle nichts an. Titian wird<lb/> Kleider nicht gekannt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1413" next="#ID_1414"> Du, sei doch stille, ich geniere mich ja. Bei diesen Worten war der Versuch<lb/> bemerkbar, die Gewalt der Stimme zu dämpfen, aber mit unverminderter Kraft<lb/> kam die Antwort von Trude: Ach was! Hier versteht einen ja doch kein Mensch.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0427]
Auf klassischem Boden
Er riß die Thüren auf und trat zurück — eine Menschenwelle drang ein —
Sor Cesare stand und schaute: ein, zwei, drei, vier — fünf Spitzhüte mit krummen
Auerhnhnfedern, lange Leiber in grüne Wettcrloden genäht, und Häupter mit Lasten
weißblonden Haars. Sor Cesare stand noch immer unbeweglich. Er war ja auch
ein Römer, wenn schon ein später Abkömmling — dies hier aber mußten die
Barbaren sein, deren dröhnender Schritt einst das Weltreich hatte erbeben machen.
Als sie sich verteilt hatten — es ging alles wie im Sprung und Lauf —,
sah er, daß sie nicht bewaffnet waren, auch waren drei von ihnen weiblichen Ge¬
schlechts. Eine älter, die beiden andern jung, viel jünger sogar, als man in Rom
jemals sein kann. Denn diese unausgebildeten Nasen, diese wasserhellen Augen
flach auf deu runden Gesichtern — nichts von Sor Cescires tief versenkten Lichtern —,
dieses Milchweiß und Rosenrot konnte in Rom kein Säugling von sich rühmen
lassen.
Und dann dieses Blond! Was mochten wohl die Zöpfe wiegen, die da hinten
um die nicht kleinen Köpfe gepackt waren, und auf denen der grüne Jagdhut fest¬
geklammert saß wie ein Äffchen auf einem Dromedar.
Das zarte Weiß und Rot der Gesichter war bei der Frau etwas nachgedunkelt,
bei den Männern — Vater und Sohn — zu einem gleichmäßigen roten Ton
vertieft.
Die Kleidung war aber überall gleich. Wetterloden hier wie dort. Bei den
Frauen als glatte, sehr fußfreie Rocke, als wenn die schlammigen Tiberwildnisfe
noch zu durchwaten wären, wie zu der Zeit, als Romulus im Neste der Wölfin
lag; bei den Männern in engen Joppen und Hosen; bei allen gleichmäßig die grüne
weltmännische Farbe."
Ob sie nun von einer Burg in Alemannien herab einen „Convoi von Kauf¬
leuten überfallen hatten, der mit grünen Tücher von Bayern zur See zog, oder
ob sie von Rudolf Hertzog in Berlin mehrere Zentner dieses Stoffs bezogen —
jedenfalls waren sie gerüstet wie zur Bärenjagd, und Sor Cesare überzeugte sich
nur schwer, daß der Wiederhall ihrer Schritte ohne Nagelschuhe zustande kam.
In einem Augenblick hatten sie die Galerie bis zum letzten Winkel mit aus¬
schwärmenden Mannschaften durchsetzt, obgleich ihr Vordringen nicht leichtfüßig ge¬
schah, sondern so, als hätten sie mit jedem Schritt einen halben Morgen Weizen¬
boden emporzuheben.
Trude, Trude! kam ein Geschrei aus den, hintersten Saal.
Trude setzte sich in Trab, und mit ihr lief ein leises Beben über den Mosaik¬
fußboden und kam zitternd von den schweigenden Wänden zurück.
Trude, sieh mal — es klang wieder so laut, als ob Pferdegewicher und das
Geklapper von Milcheimern übertönt werden müßten — Trude, sieh mal, Fortuna
auf der Kugel, siehst du?
Na, aber beinah nackend! Pfui, Frida! Wenn dich Leutnant Prittwitz sähe!
Sie rannten weiter in den zweiten Saal zurück. Das Fresko von Rafael
wurden sie gar nicht gewahr, machten dagegen vor der Malerin einen Augenblick
Halt und besahen sie wie einen Ausstellungsgegenstand; dann schwärmten sie wieder
gegen die Wände aus.
Nymphe von Titian.
Da, noch eine — — om — owma8 vamws — das muß etwas Latei¬
nisches sein, was da drüber steht. Die haben aber alle nichts an. Titian wird
Kleider nicht gekannt haben.
Du, sei doch stille, ich geniere mich ja. Bei diesen Worten war der Versuch
bemerkbar, die Gewalt der Stimme zu dämpfen, aber mit unverminderter Kraft
kam die Antwort von Trude: Ach was! Hier versteht einen ja doch kein Mensch.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |