Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Wie der Volksgeist des heutigen Englands geworden ist müssen bei den vornehmen Männern, die, ohne in eine so intime Berührung Das ^orllill^ moll's vollö^e, eine andre ans demselben Geiste geborne Schon diese dürftigen Proben aus dem von Nostitz angehäuften reichen (Schluß folgt) Wie der Volksgeist des heutigen Englands geworden ist müssen bei den vornehmen Männern, die, ohne in eine so intime Berührung Das ^orllill^ moll's vollö^e, eine andre ans demselben Geiste geborne Schon diese dürftigen Proben aus dem von Nostitz angehäuften reichen (Schluß folgt) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291479"/> <fw type="header" place="top"> Wie der Volksgeist des heutigen Englands geworden ist</fw><lb/> <p xml:id="ID_1282" prev="#ID_1281"> müssen bei den vornehmen Männern, die, ohne in eine so intime Berührung<lb/> mit den Armen zu treten wie die Residents, als Lehrer thätig sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1283"> Das ^orllill^ moll's vollö^e, eine andre ans demselben Geiste geborne<lb/> Anstalt, zählt unter seinen Lehrern die Staatsmänner Lord Rosebery, Herzog<lb/> von Devonshire, Lord Kimberley, die Professoren Huxleh und Tindnll, den<lb/> Schriftsteller Rosetti, den Maler Buru Jones, den Bankier Sir John Lubbock,<lb/> den Großindustriellen Sir Th. Brasset) und viele andre Männer von ähnlicher<lb/> sozialer Stellung. Das ist etwas andres, als wenn man Vereine gründet<lb/> und Bibelstunden veranstaltet zu dem nusgesprochnen Zweck, die sündhaften<lb/> Seelen der Arbeiter zu bekehren, ihnen monarchische Gesinnung einzuimpfen<lb/> und sie vom Streiken zurückzuhalten oder ihre zuchtlose Jugend zu bändigen.<lb/> Das letzte geschieht ja in England auch, aber dort verhüllt man wenigstens<lb/> den Zweck, abgesehen davon, daß es sich nicht um die Sohne der schon ge¬<lb/> hobnen Arbeiter handelt, sondern um die Jugend, die elternlos auf dem Pflaster<lb/> aufwächst. Der gerade Weg, sagt Nostitz, „ist nicht immer der sicherste.<lb/> Religion und Bildung, die Sonntags- und Abendschulen unmittelbar bringen,<lb/> ist vielfach eine zu feine Kost für grobe und rebellische Mägen." Darum hat<lb/> William Smith in Glasgow eine Knabenkompagnie gebildet, militärisch uni¬<lb/> formiert und organisiert, und sein Beispiel hat Nachahmung gefunden, sodaß<lb/> England jetzt eine „Knabenbrigade" hat, die 3000 Offiziere und 33000 Mann<lb/> umfaßt. Wenn man diese Jungen, sagt Professor Henry Drummond, „das<lb/> nenut, was sie sind, nämlich Jungen, und von ihnen verlangt, daß sie in<lb/> der Sonntagsschule still sitzen, so wird keine Gewalt der Erde das von ihnen<lb/> erreichen. Aber wenn man ihnen eine Groschenmütze aufsetzt und sie Soldaten<lb/> nennt, was sie nicht sind, so kann man sie bis Mitternacht herum komman¬<lb/> dieren und nach allen Richtungen zurechtweisen. In der Schulklasse herrschte<lb/> Verwirrung, Zügellosigkeit, Chaos, bei der Kompagnie herrscht Ehrerbietung,<lb/> Begeisterung, Ruhe."</p><lb/> <p xml:id="ID_1284"> Schon diese dürftigen Proben aus dem von Nostitz angehäuften reichen<lb/> Stoff werden es begreiflich machen, daß und wie in England leichter ein<lb/> wirklicher Nationalgeist entsteh» kann als bei uns. Trotz der Vielgestaltigkeit<lb/> des englischen Sektenwesens ist auch die Religion kein trennendes Element<lb/> mehr, seitdem die Verfolgung und Entrechtung der Dissenters aufgehört hat,<lb/> und vollkommne Gewissensfreiheit herrscht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1285"> (Schluß folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0402]
Wie der Volksgeist des heutigen Englands geworden ist
müssen bei den vornehmen Männern, die, ohne in eine so intime Berührung
mit den Armen zu treten wie die Residents, als Lehrer thätig sind.
Das ^orllill^ moll's vollö^e, eine andre ans demselben Geiste geborne
Anstalt, zählt unter seinen Lehrern die Staatsmänner Lord Rosebery, Herzog
von Devonshire, Lord Kimberley, die Professoren Huxleh und Tindnll, den
Schriftsteller Rosetti, den Maler Buru Jones, den Bankier Sir John Lubbock,
den Großindustriellen Sir Th. Brasset) und viele andre Männer von ähnlicher
sozialer Stellung. Das ist etwas andres, als wenn man Vereine gründet
und Bibelstunden veranstaltet zu dem nusgesprochnen Zweck, die sündhaften
Seelen der Arbeiter zu bekehren, ihnen monarchische Gesinnung einzuimpfen
und sie vom Streiken zurückzuhalten oder ihre zuchtlose Jugend zu bändigen.
Das letzte geschieht ja in England auch, aber dort verhüllt man wenigstens
den Zweck, abgesehen davon, daß es sich nicht um die Sohne der schon ge¬
hobnen Arbeiter handelt, sondern um die Jugend, die elternlos auf dem Pflaster
aufwächst. Der gerade Weg, sagt Nostitz, „ist nicht immer der sicherste.
Religion und Bildung, die Sonntags- und Abendschulen unmittelbar bringen,
ist vielfach eine zu feine Kost für grobe und rebellische Mägen." Darum hat
William Smith in Glasgow eine Knabenkompagnie gebildet, militärisch uni¬
formiert und organisiert, und sein Beispiel hat Nachahmung gefunden, sodaß
England jetzt eine „Knabenbrigade" hat, die 3000 Offiziere und 33000 Mann
umfaßt. Wenn man diese Jungen, sagt Professor Henry Drummond, „das
nenut, was sie sind, nämlich Jungen, und von ihnen verlangt, daß sie in
der Sonntagsschule still sitzen, so wird keine Gewalt der Erde das von ihnen
erreichen. Aber wenn man ihnen eine Groschenmütze aufsetzt und sie Soldaten
nennt, was sie nicht sind, so kann man sie bis Mitternacht herum komman¬
dieren und nach allen Richtungen zurechtweisen. In der Schulklasse herrschte
Verwirrung, Zügellosigkeit, Chaos, bei der Kompagnie herrscht Ehrerbietung,
Begeisterung, Ruhe."
Schon diese dürftigen Proben aus dem von Nostitz angehäuften reichen
Stoff werden es begreiflich machen, daß und wie in England leichter ein
wirklicher Nationalgeist entsteh» kann als bei uns. Trotz der Vielgestaltigkeit
des englischen Sektenwesens ist auch die Religion kein trennendes Element
mehr, seitdem die Verfolgung und Entrechtung der Dissenters aufgehört hat,
und vollkommne Gewissensfreiheit herrscht.
(Schluß folgt)
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