Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Frauenlöhne in Frankreich suchung zu Ausgaben aller Art ist zu groß. Die gegenseitige Versicherung Was die Prinzipale betrifft, so sind, wie schon bemerkt, die zahlreichen Es sind auch wohlthätige Vereinigungen gegründet worden, die Arbeits¬ Die auf den Erwerb angewiesenen Mädchen ziehn jetzt immer mehr eine Frauenlöhne in Frankreich suchung zu Ausgaben aller Art ist zu groß. Die gegenseitige Versicherung Was die Prinzipale betrifft, so sind, wie schon bemerkt, die zahlreichen Es sind auch wohlthätige Vereinigungen gegründet worden, die Arbeits¬ Die auf den Erwerb angewiesenen Mädchen ziehn jetzt immer mehr eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0622" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291033"/> <fw type="header" place="top"> Frauenlöhne in Frankreich</fw><lb/> <p xml:id="ID_2121" prev="#ID_2120"> suchung zu Ausgaben aller Art ist zu groß. Die gegenseitige Versicherung<lb/> gegen Arbeitslosigkeit hält Graf d'Haussonville in der Bekleidungsindustrie für<lb/> unmöglich. Dagegen empfiehlt er, die Kinder möglichst früh zur Sparsamkeit<lb/> anzuleiten; ein erster Versuch ist damit gemacht worden, daß den Kindern bei<lb/> Preisverteilnngen statt der bisher üblichen Geschenkwerke Sparkassenbücher<lb/> übergeben werden. Da besonders die Zahlung der Miete den Arbeiterinnen<lb/> Schwierigkeiten bereitet, hat das 8McU<zg.t as 1'glZnills eine (üg-isss as lo^srs<lb/> gegründet, in die die Arbeiterinnen wöchentlich einen kleinen Betrag einzahlen<lb/> können, der ihnen mit 20 Prozent verzinst wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_2122"> Was die Prinzipale betrifft, so sind, wie schon bemerkt, die zahlreichen<lb/> kleinen Geschäfte, die nur mit Mühe ihr Auskommen finden, nicht in der Lage,<lb/> die Arbeiterinnen während der toten Saison zu beschäftigen. Die Leiter der<lb/> großen Konfektionsgeschäfte können dagegen die Arbeit so verteilen, daß wenigstens<lb/> keine völlige Unterbrechung eintritt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2123"> Es sind auch wohlthätige Vereinigungen gegründet worden, die Arbeits¬<lb/> lose durch Arbeit unterstützen (g,ssi8eg,ii<zö xg.r 1s travail). So läßt z. B. die<lb/> Vereinigung im 14. Pariser Gemeindebezirk die beschäftigungslosen Näherinnen<lb/> Kleider anfertigen, die von der Schulkasse (os,isss ass ssolss) übernommen<lb/> werden. In mehreren Vierteln sind auch Arbeitshäuser für beschäftigungslose<lb/> Arbeiterinnen eingerichtet worden. So hat das bedeutendste, l'Osuvrs ass<lb/> msrss as tamills, in wenigen Jahren schon 5000 Familienmütter durch Arbeit<lb/> unterstützt. Diese Anstalt konnte allerdings nur dadurch bestehn, daß ihr von<lb/> wohlthätigen Gönnern ein bedeutender Betriebsfonds überwiesen wurde. Der<lb/> Absatz der Arbeitsprodukte verursacht diesen Anstalten auch bedeutende Schwierig¬<lb/> keiten, da die Ladenmieten außerordentlich hoch sind. Und schließlich können<lb/> diese Anstalten auch nur Arbeiterinnen zu Hilfe kommen, die zufällig ohne<lb/> Beschäftigung sind, nicht aber der großen Masse von Konfektionsarbeiterinnen,<lb/> die beim Beginn der toten Saison alle auf einmal aufs Straßenpflaster ge¬<lb/> worfen werden. Gegenüber einer solchen Fülle von Elend sind auch die segens¬<lb/> reichsten Einrichtungen machtlos.</p><lb/> <p xml:id="ID_2124" next="#ID_2125"> Die auf den Erwerb angewiesenen Mädchen ziehn jetzt immer mehr eine<lb/> Stelle in einem Bankgeschäft, in den Bureaus einer Eisenbahngesellschaft oder<lb/> als Telephonistin und Telegraphistin vor. Dort können sie allerdings nicht<lb/> wie in der Moden- und Blumenindustrie einen Lohn bis zu 4 Franken täglich<lb/> erreichen, aber sie haben eine feste Stellung; sie brauchen die Arbeitslosigkeit<lb/> nicht zu fürchten, und sie ziehn diese Stellen auch deshalb vor, weil sie nach<lb/> einem höhern sozialen Rang streben. Als Beamtinnen fühlen sie sich un¬<lb/> endlich weit über den Arbeiterinnen erhaben, aber auch ihre Lage ist in den<lb/> meisten Füllen nicht beneidenswert. Graf d'Haussonville hat für sie den<lb/> charakteristischen Namen non-olasss'Sö erfunden. Im Gegensatz zu den as'olasss'hö,<lb/> die aus ihrer ursprünglichen sozialen Stellung hinabgesunken sind, handelt es<lb/> sich hier um Mädchen und Frauen, die aus dem Volke hervorgegangen sind, sich<lb/> emporgearbeitet haben und die Befähigung zur Lehrerin, Gouvernante, Bureau-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0622]
Frauenlöhne in Frankreich
suchung zu Ausgaben aller Art ist zu groß. Die gegenseitige Versicherung
gegen Arbeitslosigkeit hält Graf d'Haussonville in der Bekleidungsindustrie für
unmöglich. Dagegen empfiehlt er, die Kinder möglichst früh zur Sparsamkeit
anzuleiten; ein erster Versuch ist damit gemacht worden, daß den Kindern bei
Preisverteilnngen statt der bisher üblichen Geschenkwerke Sparkassenbücher
übergeben werden. Da besonders die Zahlung der Miete den Arbeiterinnen
Schwierigkeiten bereitet, hat das 8McU<zg.t as 1'glZnills eine (üg-isss as lo^srs
gegründet, in die die Arbeiterinnen wöchentlich einen kleinen Betrag einzahlen
können, der ihnen mit 20 Prozent verzinst wird.
Was die Prinzipale betrifft, so sind, wie schon bemerkt, die zahlreichen
kleinen Geschäfte, die nur mit Mühe ihr Auskommen finden, nicht in der Lage,
die Arbeiterinnen während der toten Saison zu beschäftigen. Die Leiter der
großen Konfektionsgeschäfte können dagegen die Arbeit so verteilen, daß wenigstens
keine völlige Unterbrechung eintritt.
Es sind auch wohlthätige Vereinigungen gegründet worden, die Arbeits¬
lose durch Arbeit unterstützen (g,ssi8eg,ii<zö xg.r 1s travail). So läßt z. B. die
Vereinigung im 14. Pariser Gemeindebezirk die beschäftigungslosen Näherinnen
Kleider anfertigen, die von der Schulkasse (os,isss ass ssolss) übernommen
werden. In mehreren Vierteln sind auch Arbeitshäuser für beschäftigungslose
Arbeiterinnen eingerichtet worden. So hat das bedeutendste, l'Osuvrs ass
msrss as tamills, in wenigen Jahren schon 5000 Familienmütter durch Arbeit
unterstützt. Diese Anstalt konnte allerdings nur dadurch bestehn, daß ihr von
wohlthätigen Gönnern ein bedeutender Betriebsfonds überwiesen wurde. Der
Absatz der Arbeitsprodukte verursacht diesen Anstalten auch bedeutende Schwierig¬
keiten, da die Ladenmieten außerordentlich hoch sind. Und schließlich können
diese Anstalten auch nur Arbeiterinnen zu Hilfe kommen, die zufällig ohne
Beschäftigung sind, nicht aber der großen Masse von Konfektionsarbeiterinnen,
die beim Beginn der toten Saison alle auf einmal aufs Straßenpflaster ge¬
worfen werden. Gegenüber einer solchen Fülle von Elend sind auch die segens¬
reichsten Einrichtungen machtlos.
Die auf den Erwerb angewiesenen Mädchen ziehn jetzt immer mehr eine
Stelle in einem Bankgeschäft, in den Bureaus einer Eisenbahngesellschaft oder
als Telephonistin und Telegraphistin vor. Dort können sie allerdings nicht
wie in der Moden- und Blumenindustrie einen Lohn bis zu 4 Franken täglich
erreichen, aber sie haben eine feste Stellung; sie brauchen die Arbeitslosigkeit
nicht zu fürchten, und sie ziehn diese Stellen auch deshalb vor, weil sie nach
einem höhern sozialen Rang streben. Als Beamtinnen fühlen sie sich un¬
endlich weit über den Arbeiterinnen erhaben, aber auch ihre Lage ist in den
meisten Füllen nicht beneidenswert. Graf d'Haussonville hat für sie den
charakteristischen Namen non-olasss'Sö erfunden. Im Gegensatz zu den as'olasss'hö,
die aus ihrer ursprünglichen sozialen Stellung hinabgesunken sind, handelt es
sich hier um Mädchen und Frauen, die aus dem Volke hervorgegangen sind, sich
emporgearbeitet haben und die Befähigung zur Lehrerin, Gouvernante, Bureau-
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