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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Die Blüte und der verfall der holländischen Seemacht

Auch wegen der großen und langen Seefahrt war die Erwerbung ferner
Kolonien von dein höchsten praktischen Wert, Je länger die Reise war, um so
stärker mußte die Bemannung sein, wodurch im Kolonialverkehr eine gleiche
Tonnenzahl bedeutend mehr Seeleute, zumal Matrosen heranzubilden imstande
war, als im Verkehr mit den europäischen Nachbarn, Deal das eigentlich
Bildende für den Seemann ist doch immer der möglichst lange Dienst auf dem
Meere selber gewesen. Aber die langen Seereisen erforderten auch eine an¬
sehnlichere Größe der Schiffe, und große Schiffe eigneten sich, wenn nötig,
wieder besonders gut zur Verwendung als Kriegsschiffe, Auf große Schichten
des Volks, sowohl in den Niederlanden wie in England, wirkte der Kolonial¬
handel gerade in diesen Richtungen außerordentlich fördernd.

Rasch dehnte sich das ostindische Kolonialreich der Niederländer aus. List
und Gewalt, tiefste Demütigung und herrische Grausamkeit waren die Hebel
der Fortschritte, Im Jahre 1619 wurde Batavia die Residenz des General-
gouöerneurs. Sogar mit dem starren Japan wurden Handelsbeziehungen an¬
geknüpft, auf Formosa entstand eine holländische Kolonie für den Handel mit
China, der durch die Eroberung der Straße von Malakka noch eine weitere
Sicherung erfuhr. Im Jahre 1657 wurde das überreiche Cehlon den Portu¬
giesen entrissen. Nach Südosten waren Neu-Seeland und Vandiemenslnnd
die äußersten holländischen Posten. Erst gegen Ende deS siebzehnten Jahr-
hunderts wurde das Kapland als Stützpunkt auf der indische" Handelsstraße
von den Holländer" besetzt.

Nicht ebenso glücklich war die Lage der westindischen Kompagnie, Sie
sollte die eigentliche Waffe gege" Spanien sein, in organisierten Seeraub mit
starken Geschwadern den Verkehr- zwischen Spanien und Amerika unmöglich
machen. Darüber hinaus aber schritt sie vor allem zur Eroberung Brasiliens.
Bis 1636 waren große Teile des köstlichen Landes den Portugiesen abge¬
rungen. Von der Hauptstadt Necifc aus entfaltete Moritz von Oranien als
Generalstatthalter der Kompagnie eine weise weitschauende Negententhätigkeit,
Doch der Glanz währte nicht lange. Die heimischen Siedler, die fester als
Besatzungen und Kanonen die Eroberungen behaupten sollten, bliebe" aus, die
Handelsherren von Amsterdam aber schrieen über die ungeheuern Summe", die
die Kolonie koste, verlangten, daß sie etwas Ordentliches einbringen oder auf¬
gegeben werden solle. Als sich Portugal 1640 wieder von Spinne" losriß,
wirkte dieser Befrei""gskrieg auch jenseits des Ozeans gewaltig stärkend auf
de" Widerstand der Portugiesen und Mischlinge gegen Holland. Und un"
erteilte die Kompagnie dem Prinzen de" Abschied und verminderte die kost¬
spielige" militärische" Kräfte der Kolonie ganz bedentend. Die Folgen zeigten
sich sofort; 1654 war ganz Brasilien von den Portugiesen wiedergewonnen,
und auch die westafrikanischen Eroberungen der Holländer gingen zum Teil
wieder verloren. Wieder war der Seeraub das Hauptgeschäft der Kompagnie,
dazu ein enormer Schmuggel zwischen den spanischen Häfen Amerikas und den
holländische" Stapelplätzen in Westindien,


Die Blüte und der verfall der holländischen Seemacht

Auch wegen der großen und langen Seefahrt war die Erwerbung ferner
Kolonien von dein höchsten praktischen Wert, Je länger die Reise war, um so
stärker mußte die Bemannung sein, wodurch im Kolonialverkehr eine gleiche
Tonnenzahl bedeutend mehr Seeleute, zumal Matrosen heranzubilden imstande
war, als im Verkehr mit den europäischen Nachbarn, Deal das eigentlich
Bildende für den Seemann ist doch immer der möglichst lange Dienst auf dem
Meere selber gewesen. Aber die langen Seereisen erforderten auch eine an¬
sehnlichere Größe der Schiffe, und große Schiffe eigneten sich, wenn nötig,
wieder besonders gut zur Verwendung als Kriegsschiffe, Auf große Schichten
des Volks, sowohl in den Niederlanden wie in England, wirkte der Kolonial¬
handel gerade in diesen Richtungen außerordentlich fördernd.

Rasch dehnte sich das ostindische Kolonialreich der Niederländer aus. List
und Gewalt, tiefste Demütigung und herrische Grausamkeit waren die Hebel
der Fortschritte, Im Jahre 1619 wurde Batavia die Residenz des General-
gouöerneurs. Sogar mit dem starren Japan wurden Handelsbeziehungen an¬
geknüpft, auf Formosa entstand eine holländische Kolonie für den Handel mit
China, der durch die Eroberung der Straße von Malakka noch eine weitere
Sicherung erfuhr. Im Jahre 1657 wurde das überreiche Cehlon den Portu¬
giesen entrissen. Nach Südosten waren Neu-Seeland und Vandiemenslnnd
die äußersten holländischen Posten. Erst gegen Ende deS siebzehnten Jahr-
hunderts wurde das Kapland als Stützpunkt auf der indische» Handelsstraße
von den Holländer» besetzt.

Nicht ebenso glücklich war die Lage der westindischen Kompagnie, Sie
sollte die eigentliche Waffe gege» Spanien sein, in organisierten Seeraub mit
starken Geschwadern den Verkehr- zwischen Spanien und Amerika unmöglich
machen. Darüber hinaus aber schritt sie vor allem zur Eroberung Brasiliens.
Bis 1636 waren große Teile des köstlichen Landes den Portugiesen abge¬
rungen. Von der Hauptstadt Necifc aus entfaltete Moritz von Oranien als
Generalstatthalter der Kompagnie eine weise weitschauende Negententhätigkeit,
Doch der Glanz währte nicht lange. Die heimischen Siedler, die fester als
Besatzungen und Kanonen die Eroberungen behaupten sollten, bliebe» aus, die
Handelsherren von Amsterdam aber schrieen über die ungeheuern Summe», die
die Kolonie koste, verlangten, daß sie etwas Ordentliches einbringen oder auf¬
gegeben werden solle. Als sich Portugal 1640 wieder von Spinne» losriß,
wirkte dieser Befrei»»gskrieg auch jenseits des Ozeans gewaltig stärkend auf
de» Widerstand der Portugiesen und Mischlinge gegen Holland. Und un»
erteilte die Kompagnie dem Prinzen de» Abschied und verminderte die kost¬
spielige» militärische» Kräfte der Kolonie ganz bedentend. Die Folgen zeigten
sich sofort; 1654 war ganz Brasilien von den Portugiesen wiedergewonnen,
und auch die westafrikanischen Eroberungen der Holländer gingen zum Teil
wieder verloren. Wieder war der Seeraub das Hauptgeschäft der Kompagnie,
dazu ein enormer Schmuggel zwischen den spanischen Häfen Amerikas und den
holländische» Stapelplätzen in Westindien,


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[0576] Die Blüte und der verfall der holländischen Seemacht Auch wegen der großen und langen Seefahrt war die Erwerbung ferner Kolonien von dein höchsten praktischen Wert, Je länger die Reise war, um so stärker mußte die Bemannung sein, wodurch im Kolonialverkehr eine gleiche Tonnenzahl bedeutend mehr Seeleute, zumal Matrosen heranzubilden imstande war, als im Verkehr mit den europäischen Nachbarn, Deal das eigentlich Bildende für den Seemann ist doch immer der möglichst lange Dienst auf dem Meere selber gewesen. Aber die langen Seereisen erforderten auch eine an¬ sehnlichere Größe der Schiffe, und große Schiffe eigneten sich, wenn nötig, wieder besonders gut zur Verwendung als Kriegsschiffe, Auf große Schichten des Volks, sowohl in den Niederlanden wie in England, wirkte der Kolonial¬ handel gerade in diesen Richtungen außerordentlich fördernd. Rasch dehnte sich das ostindische Kolonialreich der Niederländer aus. List und Gewalt, tiefste Demütigung und herrische Grausamkeit waren die Hebel der Fortschritte, Im Jahre 1619 wurde Batavia die Residenz des General- gouöerneurs. Sogar mit dem starren Japan wurden Handelsbeziehungen an¬ geknüpft, auf Formosa entstand eine holländische Kolonie für den Handel mit China, der durch die Eroberung der Straße von Malakka noch eine weitere Sicherung erfuhr. Im Jahre 1657 wurde das überreiche Cehlon den Portu¬ giesen entrissen. Nach Südosten waren Neu-Seeland und Vandiemenslnnd die äußersten holländischen Posten. Erst gegen Ende deS siebzehnten Jahr- hunderts wurde das Kapland als Stützpunkt auf der indische» Handelsstraße von den Holländer» besetzt. Nicht ebenso glücklich war die Lage der westindischen Kompagnie, Sie sollte die eigentliche Waffe gege» Spanien sein, in organisierten Seeraub mit starken Geschwadern den Verkehr- zwischen Spanien und Amerika unmöglich machen. Darüber hinaus aber schritt sie vor allem zur Eroberung Brasiliens. Bis 1636 waren große Teile des köstlichen Landes den Portugiesen abge¬ rungen. Von der Hauptstadt Necifc aus entfaltete Moritz von Oranien als Generalstatthalter der Kompagnie eine weise weitschauende Negententhätigkeit, Doch der Glanz währte nicht lange. Die heimischen Siedler, die fester als Besatzungen und Kanonen die Eroberungen behaupten sollten, bliebe» aus, die Handelsherren von Amsterdam aber schrieen über die ungeheuern Summe», die die Kolonie koste, verlangten, daß sie etwas Ordentliches einbringen oder auf¬ gegeben werden solle. Als sich Portugal 1640 wieder von Spinne» losriß, wirkte dieser Befrei»»gskrieg auch jenseits des Ozeans gewaltig stärkend auf de» Widerstand der Portugiesen und Mischlinge gegen Holland. Und un» erteilte die Kompagnie dem Prinzen de» Abschied und verminderte die kost¬ spielige» militärische» Kräfte der Kolonie ganz bedentend. Die Folgen zeigten sich sofort; 1654 war ganz Brasilien von den Portugiesen wiedergewonnen, und auch die westafrikanischen Eroberungen der Holländer gingen zum Teil wieder verloren. Wieder war der Seeraub das Hauptgeschäft der Kompagnie, dazu ein enormer Schmuggel zwischen den spanischen Häfen Amerikas und den holländische» Stapelplätzen in Westindien,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/576>, abgerufen am 22.07.2024.