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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Wicklung, Die spanische Statthalterschaft nahm meist sorgfältig Rücksicht ans
die Verkehrsinteressen ihrer nördlichen Provinzen, Zudem öffnete ihnen dieser
politische Zusammenhang den ungewehrteu Zugang zu den neuen Brennpunkten
des Welthandels, Lissabon, Sevilla, Antwerpen; ja der Verkehr zwischen den
sudlichen Kornlandcn des Weltreichs und seinen niederländischen Provinzen
geriet schon damals fast ganz in ihre Hände. Noch behauptete Antwerpen als
Hafen und Handelsplatz einen bedeutenden Vorrang vor Amsterdam. Die Zahl
der Schiffe betrug dort das Fünffache des Schiffsverkehrs im Amsterdamer
Hafen. Wie bedeutend aber der Aufschwung des Amsterdamer Handels z. B.
in der Zeit von 1531 bis 1566 war, das zeigen die Abgaben von der Wage
und vom Pfahlgeld. Die ersten stiegen um mehr als das Doppelte, die letzten
im Verhältnis von 3 zu 8, und das, ohne daß die Tarife verändert waren.

Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hat Holland eine höchst
leistungsfähige Handelsflotte und ein ausgezeichnetes, großes Seemaunspersvnal.
Einer Berufsslotte, um den Umfang des Handels, die Freiheit der Meere, die
errungne wirtschaftliche Stellung zu schützen, hatte es bis dahin nicht bedurft.
Die Kauffnhrer, die ohnehin meist mit Geschützen lind Waffen versehen waren,
um schweifenden Seeräubern begegnen und die Neutralität in Kriegen andrer
Mächte wahren zu können, waren auch zugleich die Kriegsflotte. Noch bestand
der Seekrieg überwiegend in Kaperei. Die großen Seeschlachten von Berufs-
flotten gehören einer spätern Zeit gewaltigerer Kämpfe an. Aber diese Zeit
war anch für Holland nahe herangerückt.

"Von der See ist Hollands Blüte, Macht und Ruhm gekommen; unsre
Hauptkraft liegt in dem Imperium in^ris," so schrieb 1618, mitten in der Zeit
des Freiheitskampfes ein holländischer Schriftsteller.

Als die spanische Knechtschaft die südlichen Niederlande überwältigte und
die nördlichen bedrohte, als Steuerdruck, Inquisition, Scheiterhaufen so furchtbar
auf dem Volke lasteten, da kam die Erlösung von der See her. Nie vielleicht
hätte sich das geüngstigte Volk wieder aufgerichtet ohne die Wassergeusen. Scharen
von Answandrern trieb das gransame Wüten Aldas aus dem Lande, die eifrigsten
Protestanten eilten ans dem Süden in das.Heer des Prinzen von Oranien,
unter ihnen auch der edle Marnix von Se. Aldcgondc, der Dichter des Liedes
Wilhelmus von Nassanwen. Aber die sicherste Zuflucht für alle freiheitliebenden
Elemente der ganzen Niederlande gewährte das Meer. Es waren meist See¬
leute aus Holland und Seeland, die die Scharen dieser Wassergeuseu bildeten.
Die ersten Kaperbriefe wurden 1568 durch die oranischen Prinzen an sie aus¬
gestellt. Der Kampf gegen den spanischen Tyrannen war ihre Lösung. Nur
Niederländer durften als Kapitäne, Leutnants, Schiffer angestellt werden. Die
Beute wurde geteilt, auch der Prinz erhielt seinen Anteil. Klein waren die
Schiffe, es waren nur notdürftig armierte Handelsfahrzeuge. Aber die Kaperei
mehrte schnell ihre Zahl, und die gesamte Mannschaft war seegcwandtes Volk.
So fing der Krieg an, der Hollands Bedeutung zum Range einer Weltmacht
erhob.


Wicklung, Die spanische Statthalterschaft nahm meist sorgfältig Rücksicht ans
die Verkehrsinteressen ihrer nördlichen Provinzen, Zudem öffnete ihnen dieser
politische Zusammenhang den ungewehrteu Zugang zu den neuen Brennpunkten
des Welthandels, Lissabon, Sevilla, Antwerpen; ja der Verkehr zwischen den
sudlichen Kornlandcn des Weltreichs und seinen niederländischen Provinzen
geriet schon damals fast ganz in ihre Hände. Noch behauptete Antwerpen als
Hafen und Handelsplatz einen bedeutenden Vorrang vor Amsterdam. Die Zahl
der Schiffe betrug dort das Fünffache des Schiffsverkehrs im Amsterdamer
Hafen. Wie bedeutend aber der Aufschwung des Amsterdamer Handels z. B.
in der Zeit von 1531 bis 1566 war, das zeigen die Abgaben von der Wage
und vom Pfahlgeld. Die ersten stiegen um mehr als das Doppelte, die letzten
im Verhältnis von 3 zu 8, und das, ohne daß die Tarife verändert waren.

Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hat Holland eine höchst
leistungsfähige Handelsflotte und ein ausgezeichnetes, großes Seemaunspersvnal.
Einer Berufsslotte, um den Umfang des Handels, die Freiheit der Meere, die
errungne wirtschaftliche Stellung zu schützen, hatte es bis dahin nicht bedurft.
Die Kauffnhrer, die ohnehin meist mit Geschützen lind Waffen versehen waren,
um schweifenden Seeräubern begegnen und die Neutralität in Kriegen andrer
Mächte wahren zu können, waren auch zugleich die Kriegsflotte. Noch bestand
der Seekrieg überwiegend in Kaperei. Die großen Seeschlachten von Berufs-
flotten gehören einer spätern Zeit gewaltigerer Kämpfe an. Aber diese Zeit
war anch für Holland nahe herangerückt.

„Von der See ist Hollands Blüte, Macht und Ruhm gekommen; unsre
Hauptkraft liegt in dem Imperium in^ris," so schrieb 1618, mitten in der Zeit
des Freiheitskampfes ein holländischer Schriftsteller.

Als die spanische Knechtschaft die südlichen Niederlande überwältigte und
die nördlichen bedrohte, als Steuerdruck, Inquisition, Scheiterhaufen so furchtbar
auf dem Volke lasteten, da kam die Erlösung von der See her. Nie vielleicht
hätte sich das geüngstigte Volk wieder aufgerichtet ohne die Wassergeusen. Scharen
von Answandrern trieb das gransame Wüten Aldas aus dem Lande, die eifrigsten
Protestanten eilten ans dem Süden in das.Heer des Prinzen von Oranien,
unter ihnen auch der edle Marnix von Se. Aldcgondc, der Dichter des Liedes
Wilhelmus von Nassanwen. Aber die sicherste Zuflucht für alle freiheitliebenden
Elemente der ganzen Niederlande gewährte das Meer. Es waren meist See¬
leute aus Holland und Seeland, die die Scharen dieser Wassergeuseu bildeten.
Die ersten Kaperbriefe wurden 1568 durch die oranischen Prinzen an sie aus¬
gestellt. Der Kampf gegen den spanischen Tyrannen war ihre Lösung. Nur
Niederländer durften als Kapitäne, Leutnants, Schiffer angestellt werden. Die
Beute wurde geteilt, auch der Prinz erhielt seinen Anteil. Klein waren die
Schiffe, es waren nur notdürftig armierte Handelsfahrzeuge. Aber die Kaperei
mehrte schnell ihre Zahl, und die gesamte Mannschaft war seegcwandtes Volk.
So fing der Krieg an, der Hollands Bedeutung zum Range einer Weltmacht
erhob.


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[0573] Wicklung, Die spanische Statthalterschaft nahm meist sorgfältig Rücksicht ans die Verkehrsinteressen ihrer nördlichen Provinzen, Zudem öffnete ihnen dieser politische Zusammenhang den ungewehrteu Zugang zu den neuen Brennpunkten des Welthandels, Lissabon, Sevilla, Antwerpen; ja der Verkehr zwischen den sudlichen Kornlandcn des Weltreichs und seinen niederländischen Provinzen geriet schon damals fast ganz in ihre Hände. Noch behauptete Antwerpen als Hafen und Handelsplatz einen bedeutenden Vorrang vor Amsterdam. Die Zahl der Schiffe betrug dort das Fünffache des Schiffsverkehrs im Amsterdamer Hafen. Wie bedeutend aber der Aufschwung des Amsterdamer Handels z. B. in der Zeit von 1531 bis 1566 war, das zeigen die Abgaben von der Wage und vom Pfahlgeld. Die ersten stiegen um mehr als das Doppelte, die letzten im Verhältnis von 3 zu 8, und das, ohne daß die Tarife verändert waren. Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hat Holland eine höchst leistungsfähige Handelsflotte und ein ausgezeichnetes, großes Seemaunspersvnal. Einer Berufsslotte, um den Umfang des Handels, die Freiheit der Meere, die errungne wirtschaftliche Stellung zu schützen, hatte es bis dahin nicht bedurft. Die Kauffnhrer, die ohnehin meist mit Geschützen lind Waffen versehen waren, um schweifenden Seeräubern begegnen und die Neutralität in Kriegen andrer Mächte wahren zu können, waren auch zugleich die Kriegsflotte. Noch bestand der Seekrieg überwiegend in Kaperei. Die großen Seeschlachten von Berufs- flotten gehören einer spätern Zeit gewaltigerer Kämpfe an. Aber diese Zeit war anch für Holland nahe herangerückt. „Von der See ist Hollands Blüte, Macht und Ruhm gekommen; unsre Hauptkraft liegt in dem Imperium in^ris," so schrieb 1618, mitten in der Zeit des Freiheitskampfes ein holländischer Schriftsteller. Als die spanische Knechtschaft die südlichen Niederlande überwältigte und die nördlichen bedrohte, als Steuerdruck, Inquisition, Scheiterhaufen so furchtbar auf dem Volke lasteten, da kam die Erlösung von der See her. Nie vielleicht hätte sich das geüngstigte Volk wieder aufgerichtet ohne die Wassergeusen. Scharen von Answandrern trieb das gransame Wüten Aldas aus dem Lande, die eifrigsten Protestanten eilten ans dem Süden in das.Heer des Prinzen von Oranien, unter ihnen auch der edle Marnix von Se. Aldcgondc, der Dichter des Liedes Wilhelmus von Nassanwen. Aber die sicherste Zuflucht für alle freiheitliebenden Elemente der ganzen Niederlande gewährte das Meer. Es waren meist See¬ leute aus Holland und Seeland, die die Scharen dieser Wassergeuseu bildeten. Die ersten Kaperbriefe wurden 1568 durch die oranischen Prinzen an sie aus¬ gestellt. Der Kampf gegen den spanischen Tyrannen war ihre Lösung. Nur Niederländer durften als Kapitäne, Leutnants, Schiffer angestellt werden. Die Beute wurde geteilt, auch der Prinz erhielt seinen Anteil. Klein waren die Schiffe, es waren nur notdürftig armierte Handelsfahrzeuge. Aber die Kaperei mehrte schnell ihre Zahl, und die gesamte Mannschaft war seegcwandtes Volk. So fing der Krieg an, der Hollands Bedeutung zum Range einer Weltmacht erhob.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/573>, abgerufen am 22.07.2024.