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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Ibsens romantische Stücke

huldigen ihm als Kaiser. Mit einem mäßige" Reste seines Geldes lehrt er
als verbitterter alter Mann in die Heimat zurück. In der Nahe der nor¬
wegischen Küste verspricht er dein Kapitän, den Matrosen, diesen armen Teufeln,
etwas zu schenken, damit sie den Ihrigen daheim eine kleine Freude machen
können. Den Kapitän, der das lobt, schreit er plötzlich an: "Seid Ihr toll?"
Er denkt gar uicht dran:

Das Schifflein scheitert. Den Schiffskoch, einen arme" Barsche", der sehr an
Weib und Kindern hängt, und den der Kapitän besonders seiner Freigebigkeit
empfohlen hat, stößt er von der Planke, auf der er sich selber rettet. Zu
Hanse kommt Peer gerade zurecht zu eiuer Auktion, in der Überreste des ärm¬
lichen Ghntschen Hausrath versteigert werden, und er selbst versteigert bei dieser
Gelegenheit zur Belustigung des Publikums, das ihn übrigens nicht erkennt,
sein Kaisertum und seine sonstigen "Windeier." Der Teufel, der sich ihm
schon im Schiff und auf der Planke als blasser Passagier vorgestellt hat, naht
ihm unter verschiednen Gestalten und erklärt, er müsse ihn erst umgießen, weil
er so, wie er ist, als ein Halber, für die Hölle ebenso wenig tauge wie für
den Himmel. Bei Solveig angelangt, die all die langen Jahre hindurch ge¬
duldig auf ihn gewartet hat, ruft er verzweifelt:

Er stürzt fort. Bom Teufel gepeinigt und geängstigt, kehrt er wieder zu
Solveigs Hütte zurück, bekennt seine Sünden, und sie singt den in ihrem
Schoß ruhenden "geliebten Knaben" in den ewigen Schlaf.

Paffarge giebt in der ersten Auflage seiner Übersetzung als Zweck dieser
dramatisierten allegorische-, Mürchenerzähluug an, der Dichter habe darstellen
wollen, wie ein mit überwiegender Phantasie und geringer Schaffenskraft aus¬
gestatteter Mensch an der Wirklichkeit scheitert. Im Vorwort zur zweiten Aus¬
gabe teilt er mit, Ibsen habe "ach seinem eignen Bekenntnis in Peer Gynt



^) Die das arme Mntvosenweib dein heimkehrenden Vater zur Begrüßung anzündet.
Ibsens romantische Stücke

huldigen ihm als Kaiser. Mit einem mäßige» Reste seines Geldes lehrt er
als verbitterter alter Mann in die Heimat zurück. In der Nahe der nor¬
wegischen Küste verspricht er dein Kapitän, den Matrosen, diesen armen Teufeln,
etwas zu schenken, damit sie den Ihrigen daheim eine kleine Freude machen
können. Den Kapitän, der das lobt, schreit er plötzlich an: „Seid Ihr toll?"
Er denkt gar uicht dran:

Das Schifflein scheitert. Den Schiffskoch, einen arme» Barsche», der sehr an
Weib und Kindern hängt, und den der Kapitän besonders seiner Freigebigkeit
empfohlen hat, stößt er von der Planke, auf der er sich selber rettet. Zu
Hanse kommt Peer gerade zurecht zu eiuer Auktion, in der Überreste des ärm¬
lichen Ghntschen Hausrath versteigert werden, und er selbst versteigert bei dieser
Gelegenheit zur Belustigung des Publikums, das ihn übrigens nicht erkennt,
sein Kaisertum und seine sonstigen „Windeier." Der Teufel, der sich ihm
schon im Schiff und auf der Planke als blasser Passagier vorgestellt hat, naht
ihm unter verschiednen Gestalten und erklärt, er müsse ihn erst umgießen, weil
er so, wie er ist, als ein Halber, für die Hölle ebenso wenig tauge wie für
den Himmel. Bei Solveig angelangt, die all die langen Jahre hindurch ge¬
duldig auf ihn gewartet hat, ruft er verzweifelt:

Er stürzt fort. Bom Teufel gepeinigt und geängstigt, kehrt er wieder zu
Solveigs Hütte zurück, bekennt seine Sünden, und sie singt den in ihrem
Schoß ruhenden „geliebten Knaben" in den ewigen Schlaf.

Paffarge giebt in der ersten Auflage seiner Übersetzung als Zweck dieser
dramatisierten allegorische-, Mürchenerzähluug an, der Dichter habe darstellen
wollen, wie ein mit überwiegender Phantasie und geringer Schaffenskraft aus¬
gestatteter Mensch an der Wirklichkeit scheitert. Im Vorwort zur zweiten Aus¬
gabe teilt er mit, Ibsen habe »ach seinem eignen Bekenntnis in Peer Gynt



^) Die das arme Mntvosenweib dein heimkehrenden Vater zur Begrüßung anzündet.
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[0447] Ibsens romantische Stücke huldigen ihm als Kaiser. Mit einem mäßige» Reste seines Geldes lehrt er als verbitterter alter Mann in die Heimat zurück. In der Nahe der nor¬ wegischen Küste verspricht er dein Kapitän, den Matrosen, diesen armen Teufeln, etwas zu schenken, damit sie den Ihrigen daheim eine kleine Freude machen können. Den Kapitän, der das lobt, schreit er plötzlich an: „Seid Ihr toll?" Er denkt gar uicht dran: Das Schifflein scheitert. Den Schiffskoch, einen arme» Barsche», der sehr an Weib und Kindern hängt, und den der Kapitän besonders seiner Freigebigkeit empfohlen hat, stößt er von der Planke, auf der er sich selber rettet. Zu Hanse kommt Peer gerade zurecht zu eiuer Auktion, in der Überreste des ärm¬ lichen Ghntschen Hausrath versteigert werden, und er selbst versteigert bei dieser Gelegenheit zur Belustigung des Publikums, das ihn übrigens nicht erkennt, sein Kaisertum und seine sonstigen „Windeier." Der Teufel, der sich ihm schon im Schiff und auf der Planke als blasser Passagier vorgestellt hat, naht ihm unter verschiednen Gestalten und erklärt, er müsse ihn erst umgießen, weil er so, wie er ist, als ein Halber, für die Hölle ebenso wenig tauge wie für den Himmel. Bei Solveig angelangt, die all die langen Jahre hindurch ge¬ duldig auf ihn gewartet hat, ruft er verzweifelt: Er stürzt fort. Bom Teufel gepeinigt und geängstigt, kehrt er wieder zu Solveigs Hütte zurück, bekennt seine Sünden, und sie singt den in ihrem Schoß ruhenden „geliebten Knaben" in den ewigen Schlaf. Paffarge giebt in der ersten Auflage seiner Übersetzung als Zweck dieser dramatisierten allegorische-, Mürchenerzähluug an, der Dichter habe darstellen wollen, wie ein mit überwiegender Phantasie und geringer Schaffenskraft aus¬ gestatteter Mensch an der Wirklichkeit scheitert. Im Vorwort zur zweiten Aus¬ gabe teilt er mit, Ibsen habe »ach seinem eignen Bekenntnis in Peer Gynt ^) Die das arme Mntvosenweib dein heimkehrenden Vater zur Begrüßung anzündet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/447>, abgerufen am 01.10.2024.