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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Militärische Randglossen zum Burenkriege

notieren vergessen), wonach das Heer Butters durch die Niederlage am 15, De¬
zember völlig demoralisiert worden wäre. Die frühere Zuversicht auf das
gerade gegenüber den Buren vielgepriesene Bajonett sei gänzlich dahin, und
an ihre Stelle sei eine tiefe Entmutigung getreten. Man wisse im englischen
Lager ganz genau, daß die Angaben über die gewaltigen Verluste der Buren
der reine Schwindel seien, und da die Mannschaften erkannt hätten, daß sowohl
Gewehr als Geschütz auf Seite der Buren besser seien als im englischen Heere,
wollten sie sich nicht mehr zu "Manserfntter" hergeben. Das Vertrauen in
die Führung sei dahin, und die Mannschaften nahmen sich die unglaublichsten
Dinge heraus. Die Offiziere aber, machtlos in jeder Beziehung, ließen die
Leute gewähren usw. Der Berichterstatter mag etwas schwarz gesehen haben,
aber im ganzen werden die Zustände nicht erquicklich gewesen sein. Gebranntes
Kind scheut das Feuer. Augenscheinlich hat erst das Eintreffen der Division
Warren (5.) den General Butter zu einem neuen Versuch zur Sprengung des
Burenrings befähigt. Er verfügte jetzt über etwa 20 Bataillone, eine unes
Tausenden zählende berittne Infanterie, 3 Kavallerieregimenter, 7 Feldbatterien
und eine Gebirgsbatterie, dann noch über eine Anzahl Schiffsgeschntze. Als
Butter nach Südafrika abging, sagte er einem Freunde, er freue sich, in einem
Kriege deu Oberbefehl zu führen, worin die Kriegsflotte nichts zu thun habe.
Jetzt waren ihre Kanonen geradezu die Rettung der Engländer in wie vor
Ladysmith, dn die englischen Feldgeschütze nicht denen der Buren und noch
weniger deren Positionsgeschützcn gewachsen waren. Alle spätern Ableugnungen
dieser Unterlegenheit können nichts nützen. Darüber im Kapitel über die
"Kriegführung der Engländer" mehr.

Am 10. Januar begann Butter von Frere aus seine "überraschende"
Flankenbewegung in westlicher Richtung. Damit die Buren, die zahlreich im
Osten wie Westen von Colenso auf den, südlichen Tugelanfcr schwärmten, seine
Absicht uicht erraten sollten, ließ der englische General vorher schon eine --
Feldbahn von Frere "ach Springfield bauen! Die dummen Buren "ahme"
doch sicherlich an, daß das nur zum Spaß geschehe. Um sie weiter in Un¬
klarheit zu erhalten, zog er, kaum einen Tagemarsch vor ihrer Stellung auf
dem nördlichen Tngelaufer, mit einem Troß von 1000 Ochsenwagen dorthin
und gebrauchte 6 Tage bis sein rechter, 7 bis 8 Tage bis sein linker Flügel
(Warren) den Tugela um deu bezeichneten Stellen -- Potgieters Furt und
Trichards Furt -- überschritten, trotzdem daß der Feind hierbei keinen
nennenswerten Widerstand leistete und die genannten Furten nur 35 und
40 Kilometer von Frere entfernt liegen!

In der endlos langen Fuhrwerkkoloilue waren auch 270 Wagen mit
Lebensmitteln für die Eingeschlossenen. Wie ans Ladysmith schon am 9. Januar
heliographiert wurde, bereiteten die Stadtväter eine kunstvolle Adresse vor, die
Butter beim Einzuge überreicht werden sollte. Damit war es nun freilich noch
viel zu früh, gerade wie sich am 11. Dezember die Jungfrauen Kimberleys
vorzeitig mit weißen Kleidern geschmückt hatten.


Militärische Randglossen zum Burenkriege

notieren vergessen), wonach das Heer Butters durch die Niederlage am 15, De¬
zember völlig demoralisiert worden wäre. Die frühere Zuversicht auf das
gerade gegenüber den Buren vielgepriesene Bajonett sei gänzlich dahin, und
an ihre Stelle sei eine tiefe Entmutigung getreten. Man wisse im englischen
Lager ganz genau, daß die Angaben über die gewaltigen Verluste der Buren
der reine Schwindel seien, und da die Mannschaften erkannt hätten, daß sowohl
Gewehr als Geschütz auf Seite der Buren besser seien als im englischen Heere,
wollten sie sich nicht mehr zu „Manserfntter" hergeben. Das Vertrauen in
die Führung sei dahin, und die Mannschaften nahmen sich die unglaublichsten
Dinge heraus. Die Offiziere aber, machtlos in jeder Beziehung, ließen die
Leute gewähren usw. Der Berichterstatter mag etwas schwarz gesehen haben,
aber im ganzen werden die Zustände nicht erquicklich gewesen sein. Gebranntes
Kind scheut das Feuer. Augenscheinlich hat erst das Eintreffen der Division
Warren (5.) den General Butter zu einem neuen Versuch zur Sprengung des
Burenrings befähigt. Er verfügte jetzt über etwa 20 Bataillone, eine unes
Tausenden zählende berittne Infanterie, 3 Kavallerieregimenter, 7 Feldbatterien
und eine Gebirgsbatterie, dann noch über eine Anzahl Schiffsgeschntze. Als
Butter nach Südafrika abging, sagte er einem Freunde, er freue sich, in einem
Kriege deu Oberbefehl zu führen, worin die Kriegsflotte nichts zu thun habe.
Jetzt waren ihre Kanonen geradezu die Rettung der Engländer in wie vor
Ladysmith, dn die englischen Feldgeschütze nicht denen der Buren und noch
weniger deren Positionsgeschützcn gewachsen waren. Alle spätern Ableugnungen
dieser Unterlegenheit können nichts nützen. Darüber im Kapitel über die
„Kriegführung der Engländer" mehr.

Am 10. Januar begann Butter von Frere aus seine „überraschende"
Flankenbewegung in westlicher Richtung. Damit die Buren, die zahlreich im
Osten wie Westen von Colenso auf den, südlichen Tugelanfcr schwärmten, seine
Absicht uicht erraten sollten, ließ der englische General vorher schon eine —
Feldbahn von Frere »ach Springfield bauen! Die dummen Buren »ahme»
doch sicherlich an, daß das nur zum Spaß geschehe. Um sie weiter in Un¬
klarheit zu erhalten, zog er, kaum einen Tagemarsch vor ihrer Stellung auf
dem nördlichen Tngelaufer, mit einem Troß von 1000 Ochsenwagen dorthin
und gebrauchte 6 Tage bis sein rechter, 7 bis 8 Tage bis sein linker Flügel
(Warren) den Tugela um deu bezeichneten Stellen — Potgieters Furt und
Trichards Furt — überschritten, trotzdem daß der Feind hierbei keinen
nennenswerten Widerstand leistete und die genannten Furten nur 35 und
40 Kilometer von Frere entfernt liegen!

In der endlos langen Fuhrwerkkoloilue waren auch 270 Wagen mit
Lebensmitteln für die Eingeschlossenen. Wie ans Ladysmith schon am 9. Januar
heliographiert wurde, bereiteten die Stadtväter eine kunstvolle Adresse vor, die
Butter beim Einzuge überreicht werden sollte. Damit war es nun freilich noch
viel zu früh, gerade wie sich am 11. Dezember die Jungfrauen Kimberleys
vorzeitig mit weißen Kleidern geschmückt hatten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/390>, abgerufen am 01.10.2024.