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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Militärische Randglossen zum Burenkriege

und der Modder sei ein allen Stellen durchwatbar. Eine jämmerliche Führung,
die sich in solcher Weise eine Nase drehn läßt! In der Nacht zum 29. No¬
vember räumten die Buren die Stellung, um in eine neue, kaum mehr als
eine deutsche Meile nordwärts liegende (Spytfontein-Magersfontein), die vor¬
her schon befestigt war, zurückzugehn. Natürlich schrieen die Engländer sogleich:
Viktoria! und waren stolz darüber, daß sie gesiegt hätten, denn "noch niemals
seien englische Truppen einem gleich mörderischen Feuer ausgesetzt gewesen."
(Vg.i1^ <ub.remi<z1s.) Methuen wurde nicht wegen der unglaublich thörichten
Angriffsart getadelt, sondern hauptsächlich wegen der "hysterischen Fassung"
seines Telegramms (Lr. ^.). Er hatte von den schweren Verlusten gesprochen.
Dasselbe Blatt bezeichnet unterm 9. Dezember das Ergebnis des Kampfes am
Modder als diAlü? sAtistaetor/, und die I"uns8 schrieb am 39. November unter
dem Eindrucke der Siegesbotschaft: Der Entsatz von Kimberley sei jetzt nur
noch die Frage weniger Stunden! Auch gebührt dem englischen Weltblatt der
Ruhm, in Bezug auf die Schlächterei am Modder einen neuen Begriff erfunden
zu haben: "Die Nacht senkte sich über einen unentschiednen Sieg." Eine
Schlacht kann wohl "unentschieden" sein, aber ein Sieg? Man kann nur
lächeln zu solchen Versuchen, die Wahrheit zu verschleiern. Es war noch eine
blutige Lektion nötig, um den Söhnen Albions klar zu machen, daß in Süd¬
afrika ihre Stärke, Führung und Fechtart unzulänglich waren. Und sie ließ
nicht auf sich warten.

Wenn Methuens Depesche nach dem Kampfe am 28., daß "die Moral
der Buren gebrochen sei," der Wahrheit entsprochen Hütte: wozu dann die
zwölstägigc Pause am Modder? Sie war nötig, damit sich die englischen
Truppen von der Niederlage erholten, und damit frische Bataillone heran¬
gezogen werden konnten. Die ^. a. U. 6. (vom 9. Dezember) weiß es aber
besser; sie führte als Hauptgrund für den verzögerten Vormarsch den Umstand
an, daß Methuen erst die Heilung seiner Verwundung abwarten mußte, bevor
er das Kommando wieder übernehmen konnte! Unglaublich. Die Kriegs¬
geschichte lehrt uns, daß sich eine ganze Reihe hervorragender Heerführer unter
erschwerendern körperlichen Verhältnissen, als sie eine in vierzehn Tagen heilende
Fleischwunde mit sich zu bringen pflegt, der Heerführung nicht eine Stunde
entzogen haben. Und dann: wie ist es um den Wert eines Heeres bestellt,
worin beim Ausfallen des Oberbefehlshabers der Nächstältefte nicht ohne
weiteres das Kommando ergreift und auf eigne Verantwortung die Operationen
weiterführt?

(Fortsetzung folgt)




Militärische Randglossen zum Burenkriege

und der Modder sei ein allen Stellen durchwatbar. Eine jämmerliche Führung,
die sich in solcher Weise eine Nase drehn läßt! In der Nacht zum 29. No¬
vember räumten die Buren die Stellung, um in eine neue, kaum mehr als
eine deutsche Meile nordwärts liegende (Spytfontein-Magersfontein), die vor¬
her schon befestigt war, zurückzugehn. Natürlich schrieen die Engländer sogleich:
Viktoria! und waren stolz darüber, daß sie gesiegt hätten, denn „noch niemals
seien englische Truppen einem gleich mörderischen Feuer ausgesetzt gewesen."
(Vg.i1^ <ub.remi<z1s.) Methuen wurde nicht wegen der unglaublich thörichten
Angriffsart getadelt, sondern hauptsächlich wegen der „hysterischen Fassung"
seines Telegramms (Lr. ^.). Er hatte von den schweren Verlusten gesprochen.
Dasselbe Blatt bezeichnet unterm 9. Dezember das Ergebnis des Kampfes am
Modder als diAlü? sAtistaetor/, und die I"uns8 schrieb am 39. November unter
dem Eindrucke der Siegesbotschaft: Der Entsatz von Kimberley sei jetzt nur
noch die Frage weniger Stunden! Auch gebührt dem englischen Weltblatt der
Ruhm, in Bezug auf die Schlächterei am Modder einen neuen Begriff erfunden
zu haben: „Die Nacht senkte sich über einen unentschiednen Sieg." Eine
Schlacht kann wohl „unentschieden" sein, aber ein Sieg? Man kann nur
lächeln zu solchen Versuchen, die Wahrheit zu verschleiern. Es war noch eine
blutige Lektion nötig, um den Söhnen Albions klar zu machen, daß in Süd¬
afrika ihre Stärke, Führung und Fechtart unzulänglich waren. Und sie ließ
nicht auf sich warten.

Wenn Methuens Depesche nach dem Kampfe am 28., daß „die Moral
der Buren gebrochen sei," der Wahrheit entsprochen Hütte: wozu dann die
zwölstägigc Pause am Modder? Sie war nötig, damit sich die englischen
Truppen von der Niederlage erholten, und damit frische Bataillone heran¬
gezogen werden konnten. Die ^. a. U. 6. (vom 9. Dezember) weiß es aber
besser; sie führte als Hauptgrund für den verzögerten Vormarsch den Umstand
an, daß Methuen erst die Heilung seiner Verwundung abwarten mußte, bevor
er das Kommando wieder übernehmen konnte! Unglaublich. Die Kriegs¬
geschichte lehrt uns, daß sich eine ganze Reihe hervorragender Heerführer unter
erschwerendern körperlichen Verhältnissen, als sie eine in vierzehn Tagen heilende
Fleischwunde mit sich zu bringen pflegt, der Heerführung nicht eine Stunde
entzogen haben. Und dann: wie ist es um den Wert eines Heeres bestellt,
worin beim Ausfallen des Oberbefehlshabers der Nächstältefte nicht ohne
weiteres das Kommando ergreift und auf eigne Verantwortung die Operationen
weiterführt?

(Fortsetzung folgt)




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[0296] Militärische Randglossen zum Burenkriege und der Modder sei ein allen Stellen durchwatbar. Eine jämmerliche Führung, die sich in solcher Weise eine Nase drehn läßt! In der Nacht zum 29. No¬ vember räumten die Buren die Stellung, um in eine neue, kaum mehr als eine deutsche Meile nordwärts liegende (Spytfontein-Magersfontein), die vor¬ her schon befestigt war, zurückzugehn. Natürlich schrieen die Engländer sogleich: Viktoria! und waren stolz darüber, daß sie gesiegt hätten, denn „noch niemals seien englische Truppen einem gleich mörderischen Feuer ausgesetzt gewesen." (Vg.i1^ <ub.remi<z1s.) Methuen wurde nicht wegen der unglaublich thörichten Angriffsart getadelt, sondern hauptsächlich wegen der „hysterischen Fassung" seines Telegramms (Lr. ^.). Er hatte von den schweren Verlusten gesprochen. Dasselbe Blatt bezeichnet unterm 9. Dezember das Ergebnis des Kampfes am Modder als diAlü? sAtistaetor/, und die I"uns8 schrieb am 39. November unter dem Eindrucke der Siegesbotschaft: Der Entsatz von Kimberley sei jetzt nur noch die Frage weniger Stunden! Auch gebührt dem englischen Weltblatt der Ruhm, in Bezug auf die Schlächterei am Modder einen neuen Begriff erfunden zu haben: „Die Nacht senkte sich über einen unentschiednen Sieg." Eine Schlacht kann wohl „unentschieden" sein, aber ein Sieg? Man kann nur lächeln zu solchen Versuchen, die Wahrheit zu verschleiern. Es war noch eine blutige Lektion nötig, um den Söhnen Albions klar zu machen, daß in Süd¬ afrika ihre Stärke, Führung und Fechtart unzulänglich waren. Und sie ließ nicht auf sich warten. Wenn Methuens Depesche nach dem Kampfe am 28., daß „die Moral der Buren gebrochen sei," der Wahrheit entsprochen Hütte: wozu dann die zwölstägigc Pause am Modder? Sie war nötig, damit sich die englischen Truppen von der Niederlage erholten, und damit frische Bataillone heran¬ gezogen werden konnten. Die ^. a. U. 6. (vom 9. Dezember) weiß es aber besser; sie führte als Hauptgrund für den verzögerten Vormarsch den Umstand an, daß Methuen erst die Heilung seiner Verwundung abwarten mußte, bevor er das Kommando wieder übernehmen konnte! Unglaublich. Die Kriegs¬ geschichte lehrt uns, daß sich eine ganze Reihe hervorragender Heerführer unter erschwerendern körperlichen Verhältnissen, als sie eine in vierzehn Tagen heilende Fleischwunde mit sich zu bringen pflegt, der Heerführung nicht eine Stunde entzogen haben. Und dann: wie ist es um den Wert eines Heeres bestellt, worin beim Ausfallen des Oberbefehlshabers der Nächstältefte nicht ohne weiteres das Kommando ergreift und auf eigne Verantwortung die Operationen weiterführt? (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/296>, abgerufen am 22.07.2024.