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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Militärische Randglossen zum Burenkriege

Erinnern solche Auslassungen nicht an den unerfüllt gebliebner Ruf von
1870: Ä Lsrlm?

Allem aber setzt in demselben Lr. H.. der englische Generalmajor Bengough
die Krone auf mit seinen kritischen Betrachtungen über die Lage. Er ist zu
beneiden um seinen geradezu unverwüstlichen Optimismus, der hie und da in
den reinen strategischen Wahnsinn übergeht. Hier ein paar Proben zur Er¬
heiterung unsrer Leser:

25. November: Betrachtet man die englische Einheit im Oberbefehl, die
Vollendetheit unsrer Organisation und die Mittel zu den schnellsten und nach¬
haltigsten Operationen, und sieht man dann auf der andern Seite einen viel¬
köpfigen Kriegsrat mit geteilten Meinungen, halbe Maßregeln in Bezug auf
die Operationen und die Nichtausnutzung günstiger Gelegenheiten, so kann das
endliche Ergebnis nicht zweifelhaft sein. -- Die Teilung der englischen Streit-
kräfte in zwei oder drei Kolonnen bietet nur Vorteile ohne Nachteile. Sie
wird die eingeborne Bevölkerung und die Afrikcmder niederhalten, die Haupt¬
stadt des Freistaats direkt bedrohen (!), die Stellung der Drcckensberge(!) in
der Flanke umgehn und den jetzt bei Ladysmith stehenden Buren den Rückzug
abschneiden. Die Buren werden sich auf Unternehmungen gegen eine der drei
Kolonnen, deren jede für sich allein eine ausreichende Gefechtskraft hat, nicht
einlassen. Den Buren blieben nur drei Möglichkeiten: der Versuch, Pretoria
noch rasch zu erreichen und zu verteidigen; die Auflösung aller Streitkräfte
und der Guerillakrieg, oder endlich bedingungslose Wafsenstreckuug. In Bezug
auf die erste Möglichkeit erscheint es nach der zu erwartenden entscheidenden
Niederlage Jouberts wenig wahrscheinlich, daß ein solcher Versuch gelingen
werde. Volksanfgebote streben im Gegensatz zu den regulären Truppen nach
einer Niederlage auseinander. Voraussichtlich wird seitens der Buren nach
einer solchen gar kein Versuch mehr zur Verteidigung Pretorias gemacht
werden. Wenn sie ihre Farmer in des Feindes Hand sehen, wird ihnen der
Mut sinken. Aso.

2. Dezember: Die Woge der burischen Invasion hat zu ebben begonnen,
und der britische Erfolg hat eingesetzt, um vorwärts zu finden, bis der Union
Jack über Bloemfontein und Pretoria weht. -- In ein paar Tagen wird
General Gatacrc voraussichtlich imstande sein, die Offensive in der ernstesten
Weise zu ergreifen und womöglich Methuen die Hand zu reichen (be: den
Entfernungen!). Methuen hat einen wichtigen, "wenn nicht entscheidenden"
Erfolg davongetragen. Aber die eigentliche Entscheidung wird erst fallen, wenn
die drei Kolonnen (Gataere, Methuen, Butter) in Kooperation getreten send.
Eine Versammlung der vier Divisionen Butters in der Linie Harysnnth-
Ladysmith (dieses östlich, jenes westlich von den Drakensbergen!) wird die
Buren in Natal vom Freistaat abschneiden und ihren Rückzug nach Pretoria
bedrohen. (!) Bis zum Ende des Kriegs wird sicherlich, wenn auch nur aus
strategischen Gründen, eine Eisenbahn Richmond (unweit Pietermaritzburg)-
Oueenstown hergestellt sein.(!)


Militärische Randglossen zum Burenkriege

Erinnern solche Auslassungen nicht an den unerfüllt gebliebner Ruf von
1870: Ä Lsrlm?

Allem aber setzt in demselben Lr. H.. der englische Generalmajor Bengough
die Krone auf mit seinen kritischen Betrachtungen über die Lage. Er ist zu
beneiden um seinen geradezu unverwüstlichen Optimismus, der hie und da in
den reinen strategischen Wahnsinn übergeht. Hier ein paar Proben zur Er¬
heiterung unsrer Leser:

25. November: Betrachtet man die englische Einheit im Oberbefehl, die
Vollendetheit unsrer Organisation und die Mittel zu den schnellsten und nach¬
haltigsten Operationen, und sieht man dann auf der andern Seite einen viel¬
köpfigen Kriegsrat mit geteilten Meinungen, halbe Maßregeln in Bezug auf
die Operationen und die Nichtausnutzung günstiger Gelegenheiten, so kann das
endliche Ergebnis nicht zweifelhaft sein. — Die Teilung der englischen Streit-
kräfte in zwei oder drei Kolonnen bietet nur Vorteile ohne Nachteile. Sie
wird die eingeborne Bevölkerung und die Afrikcmder niederhalten, die Haupt¬
stadt des Freistaats direkt bedrohen (!), die Stellung der Drcckensberge(!) in
der Flanke umgehn und den jetzt bei Ladysmith stehenden Buren den Rückzug
abschneiden. Die Buren werden sich auf Unternehmungen gegen eine der drei
Kolonnen, deren jede für sich allein eine ausreichende Gefechtskraft hat, nicht
einlassen. Den Buren blieben nur drei Möglichkeiten: der Versuch, Pretoria
noch rasch zu erreichen und zu verteidigen; die Auflösung aller Streitkräfte
und der Guerillakrieg, oder endlich bedingungslose Wafsenstreckuug. In Bezug
auf die erste Möglichkeit erscheint es nach der zu erwartenden entscheidenden
Niederlage Jouberts wenig wahrscheinlich, daß ein solcher Versuch gelingen
werde. Volksanfgebote streben im Gegensatz zu den regulären Truppen nach
einer Niederlage auseinander. Voraussichtlich wird seitens der Buren nach
einer solchen gar kein Versuch mehr zur Verteidigung Pretorias gemacht
werden. Wenn sie ihre Farmer in des Feindes Hand sehen, wird ihnen der
Mut sinken. Aso.

2. Dezember: Die Woge der burischen Invasion hat zu ebben begonnen,
und der britische Erfolg hat eingesetzt, um vorwärts zu finden, bis der Union
Jack über Bloemfontein und Pretoria weht. — In ein paar Tagen wird
General Gatacrc voraussichtlich imstande sein, die Offensive in der ernstesten
Weise zu ergreifen und womöglich Methuen die Hand zu reichen (be: den
Entfernungen!). Methuen hat einen wichtigen, „wenn nicht entscheidenden"
Erfolg davongetragen. Aber die eigentliche Entscheidung wird erst fallen, wenn
die drei Kolonnen (Gataere, Methuen, Butter) in Kooperation getreten send.
Eine Versammlung der vier Divisionen Butters in der Linie Harysnnth-
Ladysmith (dieses östlich, jenes westlich von den Drakensbergen!) wird die
Buren in Natal vom Freistaat abschneiden und ihren Rückzug nach Pretoria
bedrohen. (!) Bis zum Ende des Kriegs wird sicherlich, wenn auch nur aus
strategischen Gründen, eine Eisenbahn Richmond (unweit Pietermaritzburg)-
Oueenstown hergestellt sein.(!)


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[0291] Militärische Randglossen zum Burenkriege Erinnern solche Auslassungen nicht an den unerfüllt gebliebner Ruf von 1870: Ä Lsrlm? Allem aber setzt in demselben Lr. H.. der englische Generalmajor Bengough die Krone auf mit seinen kritischen Betrachtungen über die Lage. Er ist zu beneiden um seinen geradezu unverwüstlichen Optimismus, der hie und da in den reinen strategischen Wahnsinn übergeht. Hier ein paar Proben zur Er¬ heiterung unsrer Leser: 25. November: Betrachtet man die englische Einheit im Oberbefehl, die Vollendetheit unsrer Organisation und die Mittel zu den schnellsten und nach¬ haltigsten Operationen, und sieht man dann auf der andern Seite einen viel¬ köpfigen Kriegsrat mit geteilten Meinungen, halbe Maßregeln in Bezug auf die Operationen und die Nichtausnutzung günstiger Gelegenheiten, so kann das endliche Ergebnis nicht zweifelhaft sein. — Die Teilung der englischen Streit- kräfte in zwei oder drei Kolonnen bietet nur Vorteile ohne Nachteile. Sie wird die eingeborne Bevölkerung und die Afrikcmder niederhalten, die Haupt¬ stadt des Freistaats direkt bedrohen (!), die Stellung der Drcckensberge(!) in der Flanke umgehn und den jetzt bei Ladysmith stehenden Buren den Rückzug abschneiden. Die Buren werden sich auf Unternehmungen gegen eine der drei Kolonnen, deren jede für sich allein eine ausreichende Gefechtskraft hat, nicht einlassen. Den Buren blieben nur drei Möglichkeiten: der Versuch, Pretoria noch rasch zu erreichen und zu verteidigen; die Auflösung aller Streitkräfte und der Guerillakrieg, oder endlich bedingungslose Wafsenstreckuug. In Bezug auf die erste Möglichkeit erscheint es nach der zu erwartenden entscheidenden Niederlage Jouberts wenig wahrscheinlich, daß ein solcher Versuch gelingen werde. Volksanfgebote streben im Gegensatz zu den regulären Truppen nach einer Niederlage auseinander. Voraussichtlich wird seitens der Buren nach einer solchen gar kein Versuch mehr zur Verteidigung Pretorias gemacht werden. Wenn sie ihre Farmer in des Feindes Hand sehen, wird ihnen der Mut sinken. Aso. 2. Dezember: Die Woge der burischen Invasion hat zu ebben begonnen, und der britische Erfolg hat eingesetzt, um vorwärts zu finden, bis der Union Jack über Bloemfontein und Pretoria weht. — In ein paar Tagen wird General Gatacrc voraussichtlich imstande sein, die Offensive in der ernstesten Weise zu ergreifen und womöglich Methuen die Hand zu reichen (be: den Entfernungen!). Methuen hat einen wichtigen, „wenn nicht entscheidenden" Erfolg davongetragen. Aber die eigentliche Entscheidung wird erst fallen, wenn die drei Kolonnen (Gataere, Methuen, Butter) in Kooperation getreten send. Eine Versammlung der vier Divisionen Butters in der Linie Harysnnth- Ladysmith (dieses östlich, jenes westlich von den Drakensbergen!) wird die Buren in Natal vom Freistaat abschneiden und ihren Rückzug nach Pretoria bedrohen. (!) Bis zum Ende des Kriegs wird sicherlich, wenn auch nur aus strategischen Gründen, eine Eisenbahn Richmond (unweit Pietermaritzburg)- Oueenstown hergestellt sein.(!)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/291>, abgerufen am 25.08.2024.