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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Militärische Randglossen zum Burenkriege

nun die ersten Berichte Whites bekannt geworden, und aus ihnen geht klar
hervor, daß er gegen seine ursprüngliche Absicht nur durch das dringende Er¬
suchen des Gouverneurs von Natal veranlaßt worden ist, in der bezeichneten
Stellung den Kampf aufzunehmen. Ist der Gouverneur von Natal nicht "die
Regierung"? Hat er nicht ganz unzweideutige Weisungen von London gehabt,
mit dem er in direkter telegraphischer Verbindung stand? Wir meinen, daß
dieses eine Beispiel allein die Fadenscheinigkeit der Regierungserklärung dar¬
thut. Und ferner: Butter schwamm selbst noch auf dem Meere, als den
Transportschiffen unterwegs -- doch wohl aus London? -- der Befehl zuging,
die Fahrt nach Möglichkeit zu beschleunigen. Die schnellsten kamen selbstver¬
ständlich zuerst am Kap an und wurden mit Rücksicht auf Ladysmith alsbald
nach Durbau weitergehetzt. Das Ergebnis war eine völlige Zerreißung der
Verbände und -- mit Rücksicht auf die Stärke der nach Natal gesandten Heeres¬
teile -- die Unmöglichkeit, mit dem verbleibenden Nest der Truppen die schon
vorbereiteten Operationen vom Norden der Kapkolonie aus in der Richtung
auf Bloemfontein zu beginnen. Was blieb da dem Oberstkommandierenden
übrig, als sich auch für seine Person nach Natal zu begeben, das zum Grabe
seines militärischen Ansehens werden sollte?

Vom 15. November bis etwa 5. Dezember landeten bei Durham an die
25000 Mann englischer Truppen. Den Oberbefehl führte hier, bis ihn Butter
selbst übernahm, der Generalleutnant Clery. Schon am 21. November, das
ist zu einer Zeit, wo die ersten Bataillone von Durham mit der Eisenbahn
nordwärts gesandt wurden, wußten englische Blätter ihren Lesern in fetten
Lettern die Mär zu verkünden: "Ladysmith ist frei; die Buren haben die Be¬
lagerung aufgehoben." Und zwei Tage später meinte ein "Weltblatt" wie die
^lass: "Da wir (in Natal) über eine solche Truppenmacht verfügen, kann
die gegenwärtige Lage kaum länger als ein oder zwei Tage dauern. General¬
major Clery. der im Süden von Ladysmith befehligt und jetzt in Estcourt
sein dürfte, wird wahrscheinlich die Buren angreifen, wo immer er sie in einiger¬
maßen beträchtlicher Zahl findet. Die allgemeine Lage berechtigt zu der An¬
nahme, daß wichtige Ereignisse unmittelbar bevorstehn, und daß deren Verlauf
kaum anders als für uns vorteilhaft sein kann." Ähnlich äußerten sich andre
Blätter, und zugleich führten die Zeitungsstrategen ein großes Wort über den
jeder gesunden Kriegführung hohnsprechenden Vorstoß der Buren von Lady¬
smith bis hart an Pietcrmaritzburg heran, der den englischen Aufmarsch auf
das ernstlichstc zu stören drohte. Hatten die bösen Buren doch die beiden
vordersten englischen Heeresgruppen - bei Estcourt und am Momfluß -
förmlich eingekreist und auf Tage von jeder Verbindung untereinander und
Mr Küste abgeschnitten. Aber es werde ihnen schlecht ergehn: entweder würden
ste wegen Mangels an Lebensmitteln verhungern oder von den englischen
Truppen aufgerieben werden; so meinten die englischen Sachverständigen, denn
sie waren der festen Überzeugung, daß der Bure abseits von der Eisenbahn
ebenso hilflos sei wie der verwöhnte Engländer. Und dann glaubten sie trotz


Grenzboten II 1900 ^
Militärische Randglossen zum Burenkriege

nun die ersten Berichte Whites bekannt geworden, und aus ihnen geht klar
hervor, daß er gegen seine ursprüngliche Absicht nur durch das dringende Er¬
suchen des Gouverneurs von Natal veranlaßt worden ist, in der bezeichneten
Stellung den Kampf aufzunehmen. Ist der Gouverneur von Natal nicht „die
Regierung"? Hat er nicht ganz unzweideutige Weisungen von London gehabt,
mit dem er in direkter telegraphischer Verbindung stand? Wir meinen, daß
dieses eine Beispiel allein die Fadenscheinigkeit der Regierungserklärung dar¬
thut. Und ferner: Butter schwamm selbst noch auf dem Meere, als den
Transportschiffen unterwegs — doch wohl aus London? — der Befehl zuging,
die Fahrt nach Möglichkeit zu beschleunigen. Die schnellsten kamen selbstver¬
ständlich zuerst am Kap an und wurden mit Rücksicht auf Ladysmith alsbald
nach Durbau weitergehetzt. Das Ergebnis war eine völlige Zerreißung der
Verbände und — mit Rücksicht auf die Stärke der nach Natal gesandten Heeres¬
teile — die Unmöglichkeit, mit dem verbleibenden Nest der Truppen die schon
vorbereiteten Operationen vom Norden der Kapkolonie aus in der Richtung
auf Bloemfontein zu beginnen. Was blieb da dem Oberstkommandierenden
übrig, als sich auch für seine Person nach Natal zu begeben, das zum Grabe
seines militärischen Ansehens werden sollte?

Vom 15. November bis etwa 5. Dezember landeten bei Durham an die
25000 Mann englischer Truppen. Den Oberbefehl führte hier, bis ihn Butter
selbst übernahm, der Generalleutnant Clery. Schon am 21. November, das
ist zu einer Zeit, wo die ersten Bataillone von Durham mit der Eisenbahn
nordwärts gesandt wurden, wußten englische Blätter ihren Lesern in fetten
Lettern die Mär zu verkünden: „Ladysmith ist frei; die Buren haben die Be¬
lagerung aufgehoben." Und zwei Tage später meinte ein „Weltblatt" wie die
^lass: „Da wir (in Natal) über eine solche Truppenmacht verfügen, kann
die gegenwärtige Lage kaum länger als ein oder zwei Tage dauern. General¬
major Clery. der im Süden von Ladysmith befehligt und jetzt in Estcourt
sein dürfte, wird wahrscheinlich die Buren angreifen, wo immer er sie in einiger¬
maßen beträchtlicher Zahl findet. Die allgemeine Lage berechtigt zu der An¬
nahme, daß wichtige Ereignisse unmittelbar bevorstehn, und daß deren Verlauf
kaum anders als für uns vorteilhaft sein kann." Ähnlich äußerten sich andre
Blätter, und zugleich führten die Zeitungsstrategen ein großes Wort über den
jeder gesunden Kriegführung hohnsprechenden Vorstoß der Buren von Lady¬
smith bis hart an Pietcrmaritzburg heran, der den englischen Aufmarsch auf
das ernstlichstc zu stören drohte. Hatten die bösen Buren doch die beiden
vordersten englischen Heeresgruppen - bei Estcourt und am Momfluß -
förmlich eingekreist und auf Tage von jeder Verbindung untereinander und
Mr Küste abgeschnitten. Aber es werde ihnen schlecht ergehn: entweder würden
ste wegen Mangels an Lebensmitteln verhungern oder von den englischen
Truppen aufgerieben werden; so meinten die englischen Sachverständigen, denn
sie waren der festen Überzeugung, daß der Bure abseits von der Eisenbahn
ebenso hilflos sei wie der verwöhnte Engländer. Und dann glaubten sie trotz


Grenzboten II 1900 ^
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[0289] Militärische Randglossen zum Burenkriege nun die ersten Berichte Whites bekannt geworden, und aus ihnen geht klar hervor, daß er gegen seine ursprüngliche Absicht nur durch das dringende Er¬ suchen des Gouverneurs von Natal veranlaßt worden ist, in der bezeichneten Stellung den Kampf aufzunehmen. Ist der Gouverneur von Natal nicht „die Regierung"? Hat er nicht ganz unzweideutige Weisungen von London gehabt, mit dem er in direkter telegraphischer Verbindung stand? Wir meinen, daß dieses eine Beispiel allein die Fadenscheinigkeit der Regierungserklärung dar¬ thut. Und ferner: Butter schwamm selbst noch auf dem Meere, als den Transportschiffen unterwegs — doch wohl aus London? — der Befehl zuging, die Fahrt nach Möglichkeit zu beschleunigen. Die schnellsten kamen selbstver¬ ständlich zuerst am Kap an und wurden mit Rücksicht auf Ladysmith alsbald nach Durbau weitergehetzt. Das Ergebnis war eine völlige Zerreißung der Verbände und — mit Rücksicht auf die Stärke der nach Natal gesandten Heeres¬ teile — die Unmöglichkeit, mit dem verbleibenden Nest der Truppen die schon vorbereiteten Operationen vom Norden der Kapkolonie aus in der Richtung auf Bloemfontein zu beginnen. Was blieb da dem Oberstkommandierenden übrig, als sich auch für seine Person nach Natal zu begeben, das zum Grabe seines militärischen Ansehens werden sollte? Vom 15. November bis etwa 5. Dezember landeten bei Durham an die 25000 Mann englischer Truppen. Den Oberbefehl führte hier, bis ihn Butter selbst übernahm, der Generalleutnant Clery. Schon am 21. November, das ist zu einer Zeit, wo die ersten Bataillone von Durham mit der Eisenbahn nordwärts gesandt wurden, wußten englische Blätter ihren Lesern in fetten Lettern die Mär zu verkünden: „Ladysmith ist frei; die Buren haben die Be¬ lagerung aufgehoben." Und zwei Tage später meinte ein „Weltblatt" wie die ^lass: „Da wir (in Natal) über eine solche Truppenmacht verfügen, kann die gegenwärtige Lage kaum länger als ein oder zwei Tage dauern. General¬ major Clery. der im Süden von Ladysmith befehligt und jetzt in Estcourt sein dürfte, wird wahrscheinlich die Buren angreifen, wo immer er sie in einiger¬ maßen beträchtlicher Zahl findet. Die allgemeine Lage berechtigt zu der An¬ nahme, daß wichtige Ereignisse unmittelbar bevorstehn, und daß deren Verlauf kaum anders als für uns vorteilhaft sein kann." Ähnlich äußerten sich andre Blätter, und zugleich führten die Zeitungsstrategen ein großes Wort über den jeder gesunden Kriegführung hohnsprechenden Vorstoß der Buren von Lady¬ smith bis hart an Pietcrmaritzburg heran, der den englischen Aufmarsch auf das ernstlichstc zu stören drohte. Hatten die bösen Buren doch die beiden vordersten englischen Heeresgruppen - bei Estcourt und am Momfluß - förmlich eingekreist und auf Tage von jeder Verbindung untereinander und Mr Küste abgeschnitten. Aber es werde ihnen schlecht ergehn: entweder würden ste wegen Mangels an Lebensmitteln verhungern oder von den englischen Truppen aufgerieben werden; so meinten die englischen Sachverständigen, denn sie waren der festen Überzeugung, daß der Bure abseits von der Eisenbahn ebenso hilflos sei wie der verwöhnte Engländer. Und dann glaubten sie trotz Grenzboten II 1900 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/289>, abgerufen am 01.10.2024.