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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Der llamxf zwischen Rom und den Germanen

des Stifters zu erklären. Man braucht nach alledem auch keinen Schwund
des Germanenbluts in Spanien anzunehmen; vielmehr dürfte die Sache so
liegen, daß das Germanenblut dort die glutvolle iberisch-afrikanische Färbung
angenommen hat, daß aber gerade von ihn: die Kraft, Innigkeit und Beständig¬
keit stammt, die wir im Glaubensleben der Spanier wie in ihrer Malerei be¬
wundern. Wie grundverschieden ist davon der heitere, bloß ästhetische Katho¬
lizismus der Italiener, an deren nicht selten bis auf den Stuhl Petri reichenden
Leichtfertigkeit und Liederlichkeit die Spanier so oft Anstoß genommen haben!
Und auch hier wird es nun schwer sein zu beweisen, daß sich das germanische
Element gerade um die Zeit verloren habe, wo der Niedergang beginnt, der
geistige Niedergang, versteht sich, denn politisch sind sie ja zu allen Zeiten
ohnmächtig gewesen. Chamberlain scheint anzunehmen, daß die Blüte Italiens
so lange gewährt habe, als die Longobarden noch geschieden von den Chaos¬
menschen nach ihrem eignen Rechte lebten. Nun haben ja in der Lombardei
zweifellos Longobarden an der Spitze der Stadtverwaltungen gestanden, aber ist
das auch in dem mächtigen Venedig der Fall gewesen, das bekanntlich zu der
Zeit des Hunneneinfalls von italischen Flüchtlingen gegründet worden ist?
Was hätten die Longobarden, die gleich allen Germanen Grundbesitzer zu
werden strebten und wurden, in den Lagunen zu suchen gehabt? Und die
Städte Tusciens, des geistigen Herzens der Halbinsel, waren zweifellos von
gewerbfleißigen Jtalikern bewohnt, die sich im Kampfe mit deu germanischen
Feudalherren als die stärkern erwiesen. Haben diese Jtaliker nun wahrscheinlich
durch die Aufnahme der besiegten "Magnaten" in ihre Städte eine Blutauf¬
frischung und Blutverbesserung erfahren, war also diese Mischung notwendig,
um die Blütenpracht des vierzehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts
zu erzeugen, so ist doch wahrlich nicht zu versteh", wie der Verlust an unge¬
mischtem Germanenblute einen Niedergang verursacht haben soll; noch unver¬
ständlicher wird die Sache, wenn man mit Chamberlain an das Blutvergießen
in den städtischen Parteikämpfen denkt, denn die waren ja vorüber, als Italien
seine höchste Blüte entfaltete. Seite 697 schreibt Chamberlain: "Ein einziger
Gang durch die Galerie der Portrütbüsten im Berliner Museum wird davon
überzeugen, daß der Typus der große" Italiener in der That heute völlig
ausgetilgt ist. Hin und wieder blitzt die Erinnerung daran auf, wenn wir
einen Trupp der prächtigen, gigantischen Tagelöhner durchmustern, die "unsre
Straßen und Eisenbahnen bauen: die physische Kraft, die edle Stirn, die kühne
^ase, das glutvolle Auge; doch es siud nur arme Überlebende aus dem Schiff¬
bruch des italienischen Germanentums! Physisch ist dieses Verschwinden durch
angegebnen Gründe hinreichend erklärt öder wahrscheinlichste Grund ist, daß
is v?. ^ eingewanderten Germanen kleiner war als die der Jtaliker, daß
a w diese den Mischtypus mehr bestimmen mußten als jenej, dazu kommt aber
a -> em sehr wichtiges die moralische Zertretung bestimmter Geistesrichtungen
l /"^ ^ ^siensecle. so zu sagen; der Edle wurde zum Erdarbeiter
Mabgedruckt, der Unedle wurde Herr und schaltete nach seinem Sinn." Wenn


Der llamxf zwischen Rom und den Germanen

des Stifters zu erklären. Man braucht nach alledem auch keinen Schwund
des Germanenbluts in Spanien anzunehmen; vielmehr dürfte die Sache so
liegen, daß das Germanenblut dort die glutvolle iberisch-afrikanische Färbung
angenommen hat, daß aber gerade von ihn: die Kraft, Innigkeit und Beständig¬
keit stammt, die wir im Glaubensleben der Spanier wie in ihrer Malerei be¬
wundern. Wie grundverschieden ist davon der heitere, bloß ästhetische Katho¬
lizismus der Italiener, an deren nicht selten bis auf den Stuhl Petri reichenden
Leichtfertigkeit und Liederlichkeit die Spanier so oft Anstoß genommen haben!
Und auch hier wird es nun schwer sein zu beweisen, daß sich das germanische
Element gerade um die Zeit verloren habe, wo der Niedergang beginnt, der
geistige Niedergang, versteht sich, denn politisch sind sie ja zu allen Zeiten
ohnmächtig gewesen. Chamberlain scheint anzunehmen, daß die Blüte Italiens
so lange gewährt habe, als die Longobarden noch geschieden von den Chaos¬
menschen nach ihrem eignen Rechte lebten. Nun haben ja in der Lombardei
zweifellos Longobarden an der Spitze der Stadtverwaltungen gestanden, aber ist
das auch in dem mächtigen Venedig der Fall gewesen, das bekanntlich zu der
Zeit des Hunneneinfalls von italischen Flüchtlingen gegründet worden ist?
Was hätten die Longobarden, die gleich allen Germanen Grundbesitzer zu
werden strebten und wurden, in den Lagunen zu suchen gehabt? Und die
Städte Tusciens, des geistigen Herzens der Halbinsel, waren zweifellos von
gewerbfleißigen Jtalikern bewohnt, die sich im Kampfe mit deu germanischen
Feudalherren als die stärkern erwiesen. Haben diese Jtaliker nun wahrscheinlich
durch die Aufnahme der besiegten „Magnaten" in ihre Städte eine Blutauf¬
frischung und Blutverbesserung erfahren, war also diese Mischung notwendig,
um die Blütenpracht des vierzehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts
zu erzeugen, so ist doch wahrlich nicht zu versteh», wie der Verlust an unge¬
mischtem Germanenblute einen Niedergang verursacht haben soll; noch unver¬
ständlicher wird die Sache, wenn man mit Chamberlain an das Blutvergießen
in den städtischen Parteikämpfen denkt, denn die waren ja vorüber, als Italien
seine höchste Blüte entfaltete. Seite 697 schreibt Chamberlain: „Ein einziger
Gang durch die Galerie der Portrütbüsten im Berliner Museum wird davon
überzeugen, daß der Typus der große» Italiener in der That heute völlig
ausgetilgt ist. Hin und wieder blitzt die Erinnerung daran auf, wenn wir
einen Trupp der prächtigen, gigantischen Tagelöhner durchmustern, die »unsre
Straßen und Eisenbahnen bauen: die physische Kraft, die edle Stirn, die kühne
^ase, das glutvolle Auge; doch es siud nur arme Überlebende aus dem Schiff¬
bruch des italienischen Germanentums! Physisch ist dieses Verschwinden durch
angegebnen Gründe hinreichend erklärt öder wahrscheinlichste Grund ist, daß
is v?. ^ eingewanderten Germanen kleiner war als die der Jtaliker, daß
a w diese den Mischtypus mehr bestimmen mußten als jenej, dazu kommt aber
a -> em sehr wichtiges die moralische Zertretung bestimmter Geistesrichtungen
l /"^ ^ ^siensecle. so zu sagen; der Edle wurde zum Erdarbeiter
Mabgedruckt, der Unedle wurde Herr und schaltete nach seinem Sinn." Wenn


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[0157] Der llamxf zwischen Rom und den Germanen des Stifters zu erklären. Man braucht nach alledem auch keinen Schwund des Germanenbluts in Spanien anzunehmen; vielmehr dürfte die Sache so liegen, daß das Germanenblut dort die glutvolle iberisch-afrikanische Färbung angenommen hat, daß aber gerade von ihn: die Kraft, Innigkeit und Beständig¬ keit stammt, die wir im Glaubensleben der Spanier wie in ihrer Malerei be¬ wundern. Wie grundverschieden ist davon der heitere, bloß ästhetische Katho¬ lizismus der Italiener, an deren nicht selten bis auf den Stuhl Petri reichenden Leichtfertigkeit und Liederlichkeit die Spanier so oft Anstoß genommen haben! Und auch hier wird es nun schwer sein zu beweisen, daß sich das germanische Element gerade um die Zeit verloren habe, wo der Niedergang beginnt, der geistige Niedergang, versteht sich, denn politisch sind sie ja zu allen Zeiten ohnmächtig gewesen. Chamberlain scheint anzunehmen, daß die Blüte Italiens so lange gewährt habe, als die Longobarden noch geschieden von den Chaos¬ menschen nach ihrem eignen Rechte lebten. Nun haben ja in der Lombardei zweifellos Longobarden an der Spitze der Stadtverwaltungen gestanden, aber ist das auch in dem mächtigen Venedig der Fall gewesen, das bekanntlich zu der Zeit des Hunneneinfalls von italischen Flüchtlingen gegründet worden ist? Was hätten die Longobarden, die gleich allen Germanen Grundbesitzer zu werden strebten und wurden, in den Lagunen zu suchen gehabt? Und die Städte Tusciens, des geistigen Herzens der Halbinsel, waren zweifellos von gewerbfleißigen Jtalikern bewohnt, die sich im Kampfe mit deu germanischen Feudalherren als die stärkern erwiesen. Haben diese Jtaliker nun wahrscheinlich durch die Aufnahme der besiegten „Magnaten" in ihre Städte eine Blutauf¬ frischung und Blutverbesserung erfahren, war also diese Mischung notwendig, um die Blütenpracht des vierzehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts zu erzeugen, so ist doch wahrlich nicht zu versteh», wie der Verlust an unge¬ mischtem Germanenblute einen Niedergang verursacht haben soll; noch unver¬ ständlicher wird die Sache, wenn man mit Chamberlain an das Blutvergießen in den städtischen Parteikämpfen denkt, denn die waren ja vorüber, als Italien seine höchste Blüte entfaltete. Seite 697 schreibt Chamberlain: „Ein einziger Gang durch die Galerie der Portrütbüsten im Berliner Museum wird davon überzeugen, daß der Typus der große» Italiener in der That heute völlig ausgetilgt ist. Hin und wieder blitzt die Erinnerung daran auf, wenn wir einen Trupp der prächtigen, gigantischen Tagelöhner durchmustern, die »unsre Straßen und Eisenbahnen bauen: die physische Kraft, die edle Stirn, die kühne ^ase, das glutvolle Auge; doch es siud nur arme Überlebende aus dem Schiff¬ bruch des italienischen Germanentums! Physisch ist dieses Verschwinden durch angegebnen Gründe hinreichend erklärt öder wahrscheinlichste Grund ist, daß is v?. ^ eingewanderten Germanen kleiner war als die der Jtaliker, daß a w diese den Mischtypus mehr bestimmen mußten als jenej, dazu kommt aber a -> em sehr wichtiges die moralische Zertretung bestimmter Geistesrichtungen l /"^ ^ ^siensecle. so zu sagen; der Edle wurde zum Erdarbeiter Mabgedruckt, der Unedle wurde Herr und schaltete nach seinem Sinn." Wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/157>, abgerufen am 03.07.2024.