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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Ans den: Llsaß

sollte den geplagten Weber" des Riesengebirges auch die Kunst ennnal ihre
goldnen Thore öffnen, so würde fie ein schlesischer Stoskopf sicherlich zu weit
arößerm Danke verpflichten als ihr berühmter, menschenfreundlicher Darsteller.
Grebers Lucie ist in seiner Art ein Meisterstück: mit einer staunenswerten
Ökonomie und einer psychologischen Kunst, die in die kleinsten Yerzensfalten
hineinzuleuchten versteht, ist hier in einen einzigen Alt em ganzes Meuscheu-
schicksal znsanimengedrängt. das unsre innigste Teilnahme zu fesseln vermag,
aber man wird dieser Teilnahme nicht froh. Der Druck des Leben, legt sich
mit seiner ganzen Schwere ans die Seele; sie wird erschüttert, aber nicht be¬
freit. Nun ist ja freilich schon die bloße Spannung des Gemüts in die die
Kunst des Dichters uns versetzt, wohlthuend, und erfreulicher noch wir t die
Betrachtung dieser Kunst selber, der technischen MeisterscM des Dichter^ be-
sonders auf solche, die hier ihr eignes künstlerisches Ideal in seltner Voll-
kommenheit verwirklicht sehen; aber diese Spannung vermag nur vorübergehend
zu wirken und den Gesamteindruck des Peinlichen nicht aufzuheben, und tech¬
nisches Urteil ist immer nur Sache Weniger. Alle innern Vorzüge und die
freudigste Vewimdrmig einzelner reichen nicht ans. dieses Stück auf den. Theater,
"in wenigsten auf einer Volksbühne, einzubürgern, und die äußere Zugkraft
die gegenwärtig dem elsüssischen Dialektstück schon als solchem anhaftet und
hier noch durch den guten Klang des Antornamens verstärkt wird, vermag
immer nur einmal zu wirken.

^^.^Trotzdem hat dieses Stück gerade für das elsässische Dialektdrama bahn-
brechende'Bedeutung: es hat ihm den Weg zur tragischen Kunst gewiesen.
Bleibt diese auch für den große" Gang der Weltbegebenheiten und deu Glanz
des Heldentums allezeit auf die Pracht und das Pathos der Schriftsprache
angewiesen, so darf sie doch kraft ihrer Berechtigung, auch das Ringen eine,
schlichten Daseins darzustellen solche Darstellung wohl in das einfache Gewand
der Volkssprache kleiden, und daß die Mundart des Elsasses dazu geeignet ist.
hat Grebers Lucie überzeugend dargethan. Der Dichter hat aber auch für
s'we eigne Person den Beweis erbracht, daß ihm zur Ausübiuig solcher Kunst
alle wünschenswerten Mittel zu Gebote stehn; wenn die Tendenz des Erstlings¬
werks, das ursprünglich wohl nicht auf ein Volkstheater berechne war und
dessen Entstehung vor die Gründung des Straßlmrger Unternehmen. M den
volkstümlichen Charakter aufhebt, 'so kauu das die Anerkennung dieser Be¬
gabung selbst nicht einschränken.

^--Auch sehen wir in seinem zweiten Sittendra.na, D' Jumpfer Prmze fe,
unsern Dichter dem Volkstümlicheu, das er in seinen Schwanken so sicher be¬
herrscht, schon näher rücken. Naturalistisch ist anch dieses Stück und die hier
dargestellte Verführnngsqeschichte, die die liebreizende und sittsam aber für
höhere Gesellschaftskreise erzogne Tochter einfacher Bürgersleute durch do.-
wMge Machenschaften des Anspruchs ans beide Teile des Titels beraubt den
"bischer Hohn ihr angehängt, wirkt wenig erquicklich; ja eben die Naturtreue.""t der die psychologische Gestaltungskraft des Dichters das unbescholtue
Gren


zbownI 1900
Ans den: Llsaß

sollte den geplagten Weber« des Riesengebirges auch die Kunst ennnal ihre
goldnen Thore öffnen, so würde fie ein schlesischer Stoskopf sicherlich zu weit
arößerm Danke verpflichten als ihr berühmter, menschenfreundlicher Darsteller.
Grebers Lucie ist in seiner Art ein Meisterstück: mit einer staunenswerten
Ökonomie und einer psychologischen Kunst, die in die kleinsten Yerzensfalten
hineinzuleuchten versteht, ist hier in einen einzigen Alt em ganzes Meuscheu-
schicksal znsanimengedrängt. das unsre innigste Teilnahme zu fesseln vermag,
aber man wird dieser Teilnahme nicht froh. Der Druck des Leben, legt sich
mit seiner ganzen Schwere ans die Seele; sie wird erschüttert, aber nicht be¬
freit. Nun ist ja freilich schon die bloße Spannung des Gemüts in die die
Kunst des Dichters uns versetzt, wohlthuend, und erfreulicher noch wir t die
Betrachtung dieser Kunst selber, der technischen MeisterscM des Dichter^ be-
sonders auf solche, die hier ihr eignes künstlerisches Ideal in seltner Voll-
kommenheit verwirklicht sehen; aber diese Spannung vermag nur vorübergehend
zu wirken und den Gesamteindruck des Peinlichen nicht aufzuheben, und tech¬
nisches Urteil ist immer nur Sache Weniger. Alle innern Vorzüge und die
freudigste Vewimdrmig einzelner reichen nicht ans. dieses Stück auf den. Theater,
"in wenigsten auf einer Volksbühne, einzubürgern, und die äußere Zugkraft
die gegenwärtig dem elsüssischen Dialektstück schon als solchem anhaftet und
hier noch durch den guten Klang des Antornamens verstärkt wird, vermag
immer nur einmal zu wirken.

^^.^Trotzdem hat dieses Stück gerade für das elsässische Dialektdrama bahn-
brechende'Bedeutung: es hat ihm den Weg zur tragischen Kunst gewiesen.
Bleibt diese auch für den große» Gang der Weltbegebenheiten und deu Glanz
des Heldentums allezeit auf die Pracht und das Pathos der Schriftsprache
angewiesen, so darf sie doch kraft ihrer Berechtigung, auch das Ringen eine,
schlichten Daseins darzustellen solche Darstellung wohl in das einfache Gewand
der Volkssprache kleiden, und daß die Mundart des Elsasses dazu geeignet ist.
hat Grebers Lucie überzeugend dargethan. Der Dichter hat aber auch für
s'we eigne Person den Beweis erbracht, daß ihm zur Ausübiuig solcher Kunst
alle wünschenswerten Mittel zu Gebote stehn; wenn die Tendenz des Erstlings¬
werks, das ursprünglich wohl nicht auf ein Volkstheater berechne war und
dessen Entstehung vor die Gründung des Straßlmrger Unternehmen. M den
volkstümlichen Charakter aufhebt, 'so kauu das die Anerkennung dieser Be¬
gabung selbst nicht einschränken.

^--Auch sehen wir in seinem zweiten Sittendra.na, D' Jumpfer Prmze fe,
unsern Dichter dem Volkstümlicheu, das er in seinen Schwanken so sicher be¬
herrscht, schon näher rücken. Naturalistisch ist anch dieses Stück und die hier
dargestellte Verführnngsqeschichte, die die liebreizende und sittsam aber für
höhere Gesellschaftskreise erzogne Tochter einfacher Bürgersleute durch do.-
wMge Machenschaften des Anspruchs ans beide Teile des Titels beraubt den
"bischer Hohn ihr angehängt, wirkt wenig erquicklich; ja eben die Naturtreue.""t der die psychologische Gestaltungskraft des Dichters das unbescholtue
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[0641] Ans den: Llsaß sollte den geplagten Weber« des Riesengebirges auch die Kunst ennnal ihre goldnen Thore öffnen, so würde fie ein schlesischer Stoskopf sicherlich zu weit arößerm Danke verpflichten als ihr berühmter, menschenfreundlicher Darsteller. Grebers Lucie ist in seiner Art ein Meisterstück: mit einer staunenswerten Ökonomie und einer psychologischen Kunst, die in die kleinsten Yerzensfalten hineinzuleuchten versteht, ist hier in einen einzigen Alt em ganzes Meuscheu- schicksal znsanimengedrängt. das unsre innigste Teilnahme zu fesseln vermag, aber man wird dieser Teilnahme nicht froh. Der Druck des Leben, legt sich mit seiner ganzen Schwere ans die Seele; sie wird erschüttert, aber nicht be¬ freit. Nun ist ja freilich schon die bloße Spannung des Gemüts in die die Kunst des Dichters uns versetzt, wohlthuend, und erfreulicher noch wir t die Betrachtung dieser Kunst selber, der technischen MeisterscM des Dichter^ be- sonders auf solche, die hier ihr eignes künstlerisches Ideal in seltner Voll- kommenheit verwirklicht sehen; aber diese Spannung vermag nur vorübergehend zu wirken und den Gesamteindruck des Peinlichen nicht aufzuheben, und tech¬ nisches Urteil ist immer nur Sache Weniger. Alle innern Vorzüge und die freudigste Vewimdrmig einzelner reichen nicht ans. dieses Stück auf den. Theater, "in wenigsten auf einer Volksbühne, einzubürgern, und die äußere Zugkraft die gegenwärtig dem elsüssischen Dialektstück schon als solchem anhaftet und hier noch durch den guten Klang des Antornamens verstärkt wird, vermag immer nur einmal zu wirken. ^^.^Trotzdem hat dieses Stück gerade für das elsässische Dialektdrama bahn- brechende'Bedeutung: es hat ihm den Weg zur tragischen Kunst gewiesen. Bleibt diese auch für den große» Gang der Weltbegebenheiten und deu Glanz des Heldentums allezeit auf die Pracht und das Pathos der Schriftsprache angewiesen, so darf sie doch kraft ihrer Berechtigung, auch das Ringen eine, schlichten Daseins darzustellen solche Darstellung wohl in das einfache Gewand der Volkssprache kleiden, und daß die Mundart des Elsasses dazu geeignet ist. hat Grebers Lucie überzeugend dargethan. Der Dichter hat aber auch für s'we eigne Person den Beweis erbracht, daß ihm zur Ausübiuig solcher Kunst alle wünschenswerten Mittel zu Gebote stehn; wenn die Tendenz des Erstlings¬ werks, das ursprünglich wohl nicht auf ein Volkstheater berechne war und dessen Entstehung vor die Gründung des Straßlmrger Unternehmen. M den volkstümlichen Charakter aufhebt, 'so kauu das die Anerkennung dieser Be¬ gabung selbst nicht einschränken. ^--Auch sehen wir in seinem zweiten Sittendra.na, D' Jumpfer Prmze fe, unsern Dichter dem Volkstümlicheu, das er in seinen Schwanken so sicher be¬ herrscht, schon näher rücken. Naturalistisch ist anch dieses Stück und die hier dargestellte Verführnngsqeschichte, die die liebreizende und sittsam aber für höhere Gesellschaftskreise erzogne Tochter einfacher Bürgersleute durch do.- wMge Machenschaften des Anspruchs ans beide Teile des Titels beraubt den "bischer Hohn ihr angehängt, wirkt wenig erquicklich; ja eben die Naturtreue.""t der die psychologische Gestaltungskraft des Dichters das unbescholtue Gren zbownI 1900

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/641>, abgerufen am 04.07.2024.