Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.Englische Meinungsmache liehen, aber berechtigten icliotiv bezeichnen würde. Diesen Lügen und Lächer¬ *) Der Vergleich des Krieges zwischen Frankreich und Deutschland ist überhaupt sehr be¬ liebt. "Welche Aufmerksamkeit würde man in Frankreich oder in Deutschland im August 1870 Politikern geschenkt haben, die ihre Regierungen aufgefordert hätten, die Feindseligkeiten ein¬ zustellen," ruft die Limss (16. März) aus, um damit den Ruf nach Frieden zwischen England und Transvaal zu widerlegen! Jn Frankreich scheint eine ähnliche Rolle dem Wolv zuzufallen, in Österreich einem
mir gänzlich unbekannten Blatte, der "Information," das der v-ni^ Nov" (26. Februar 1900) zu folgender Betrachtung dient: "Der Kaiser von Österreich soll folgenden Ausspruch gethan haben, der einige Wahrheit enthalt. "Was, soll er zu einem Diplomaten geäußert haben, alle Lumpen und Strolche von Europa scheinen sich gegen England zusammen gerottet zu haben." Ein Wiener Tageblatt, Die Information, giebt eine anregende Erläuterung zu diesem Kaiser¬ worte: "So wie im Kriege mit Preußen Napoleon alle deutschen Verbrecher auf seiner Seite hatte, so ist augenblicklich das große Heer der "Deklassierten", die ganze internationale Halb¬ welt gegen England auf Kriegsfuß. Wo immer ein mit schlichtem Abschied entlassener Offizier ist, ein abgesetzter Beamter, so kann man ihn physisch oder moralisch im arti-englischen Lager finden. Daß der Mörder Brttsewitz seinen Degen den Buren zur Verfügung gestellt hatte, ist kein bloßer Zufall: es ist so zu sagen eine psychologische Notwendigkeit. Alle Reaktionäre und Absolutisten einerseits, alle Umstürzler und roten Republikaner andrerseits sind arti-englisch" Wohlgemerkt, dieses Zeug findet sich nicht etwa in irgend einem Winkelblatt, sondern in der größten liberalen Zeitung Englands, dem einstigen Leibblatte des lÄMä via ins.n Gladstone. Englische Meinungsmache liehen, aber berechtigten icliotiv bezeichnen würde. Diesen Lügen und Lächer¬ *) Der Vergleich des Krieges zwischen Frankreich und Deutschland ist überhaupt sehr be¬ liebt. „Welche Aufmerksamkeit würde man in Frankreich oder in Deutschland im August 1870 Politikern geschenkt haben, die ihre Regierungen aufgefordert hätten, die Feindseligkeiten ein¬ zustellen," ruft die Limss (16. März) aus, um damit den Ruf nach Frieden zwischen England und Transvaal zu widerlegen! Jn Frankreich scheint eine ähnliche Rolle dem Wolv zuzufallen, in Österreich einem
mir gänzlich unbekannten Blatte, der „Information," das der v-ni^ Nov« (26. Februar 1900) zu folgender Betrachtung dient: „Der Kaiser von Österreich soll folgenden Ausspruch gethan haben, der einige Wahrheit enthalt. »Was, soll er zu einem Diplomaten geäußert haben, alle Lumpen und Strolche von Europa scheinen sich gegen England zusammen gerottet zu haben.« Ein Wiener Tageblatt, Die Information, giebt eine anregende Erläuterung zu diesem Kaiser¬ worte: »So wie im Kriege mit Preußen Napoleon alle deutschen Verbrecher auf seiner Seite hatte, so ist augenblicklich das große Heer der »Deklassierten«, die ganze internationale Halb¬ welt gegen England auf Kriegsfuß. Wo immer ein mit schlichtem Abschied entlassener Offizier ist, ein abgesetzter Beamter, so kann man ihn physisch oder moralisch im arti-englischen Lager finden. Daß der Mörder Brttsewitz seinen Degen den Buren zur Verfügung gestellt hatte, ist kein bloßer Zufall: es ist so zu sagen eine psychologische Notwendigkeit. Alle Reaktionäre und Absolutisten einerseits, alle Umstürzler und roten Republikaner andrerseits sind arti-englisch« Wohlgemerkt, dieses Zeug findet sich nicht etwa in irgend einem Winkelblatt, sondern in der größten liberalen Zeitung Englands, dem einstigen Leibblatte des lÄMä via ins.n Gladstone. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0632" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/233184"/> <fw type="header" place="top"> Englische Meinungsmache</fw><lb/> <p xml:id="ID_2029" prev="#ID_2028" next="#ID_2030"> liehen, aber berechtigten icliotiv bezeichnen würde. Diesen Lügen und Lächer¬<lb/> lichkeiten glauben wir guten irregeleiteten Deutschen aufs Wort; weshalb kommen<lb/> wir auch uicht zu dem Bronnen lautrer Wahrheit, den die englische Bericht¬<lb/> erstattung längst angestochen hat, und der nun jn durch den „Kaiserlich süd¬<lb/> afrikanischen Verband" aller Welt zufließen soll! Natürlich erhält der Frank¬<lb/> furter Generalanzeiger dafür eine öffentliche Belobigung, da er doch „die Ver¬<lb/> kommenheit und die Verlogenheit eines großen Teils der deutschen Presse ans<lb/> Licht zieht: die Ausdrücke, mit der er dieses schmähliche Verfahren brandmarkt,<lb/> sind keineswegs zu hart!" Wie erhebend muß das Gefühl des Frankfurter<lb/> Generalanzeigers sein, zu wissen, daß er nach englischer Anschauung alle jene<lb/> hochangesehenen Blätter unsers und seines Vaterlands und „fünfzig andre"<lb/> deutsche Zeitungen für etwas gebrandmarkt hat, was sie nie geschrieben<lb/> haben! Aber die Liebe zu dieser Leistung ist damit noch nicht erschöpft. Am<lb/> 24. Februar kommt die 1imo8 noch einmal darauf zurück. Wenn die Berliner<lb/> Neusten Nachrichten den lächerlichen Vergleich der 1im,68, die Englands Ver¬<lb/> halten gegen Transvaal in eine Reihe mit dem Deutschlands gegen Elsaß-<lb/> Lothringen stellen möchte,scharf zurückweisen, so muß diese Verurteilung auf<lb/> der völligen „Unkenntnis der grundlegenden Verhältnisse der neuern Geschichte<lb/> Südafrikas" und auf Nachrichten beruhn, die auch dieses Blatt — von jener<lb/> Londoner Fabrik beziehe, die doch „der Frankfurter Generalanzeiger in so<lb/> lustiger Weise lächerlich gemacht hat." Wer sich die Mühe nimmt, dieses ganze<lb/> Lügengespinst aufmerksam zu verfolgen und zu entwirren, der wird begreifet!,<lb/> daß es an der Zeit ist, davor zu warnen. Es soll nun gar nicht behauptet<lb/> werden, daß der ursprüngliche Brief eines Deutschen in England und der Auf¬<lb/> satz in dem Frankfurter Blatte^) in enger Beziehung mit dem Berichterstatter</p><lb/> <note xml:id="FID_116" place="foot"> *) Der Vergleich des Krieges zwischen Frankreich und Deutschland ist überhaupt sehr be¬<lb/> liebt. „Welche Aufmerksamkeit würde man in Frankreich oder in Deutschland im August 1870<lb/> Politikern geschenkt haben, die ihre Regierungen aufgefordert hätten, die Feindseligkeiten ein¬<lb/> zustellen," ruft die Limss (16. März) aus, um damit den Ruf nach Frieden zwischen England<lb/> und Transvaal zu widerlegen!</note><lb/> <note xml:id="FID_117" place="foot"> Jn Frankreich scheint eine ähnliche Rolle dem Wolv zuzufallen, in Österreich einem<lb/> mir gänzlich unbekannten Blatte, der „Information," das der v-ni^ Nov« (26. Februar 1900)<lb/> zu folgender Betrachtung dient: „Der Kaiser von Österreich soll folgenden Ausspruch gethan<lb/> haben, der einige Wahrheit enthalt. »Was, soll er zu einem Diplomaten geäußert haben, alle<lb/> Lumpen und Strolche von Europa scheinen sich gegen England zusammen gerottet zu haben.«<lb/> Ein Wiener Tageblatt, Die Information, giebt eine anregende Erläuterung zu diesem Kaiser¬<lb/> worte: »So wie im Kriege mit Preußen Napoleon alle deutschen Verbrecher auf seiner Seite<lb/> hatte, so ist augenblicklich das große Heer der »Deklassierten«, die ganze internationale Halb¬<lb/> welt gegen England auf Kriegsfuß. Wo immer ein mit schlichtem Abschied entlassener Offizier<lb/> ist, ein abgesetzter Beamter, so kann man ihn physisch oder moralisch im arti-englischen Lager<lb/> finden. Daß der Mörder Brttsewitz seinen Degen den Buren zur Verfügung gestellt hatte, ist<lb/> kein bloßer Zufall: es ist so zu sagen eine psychologische Notwendigkeit. Alle Reaktionäre und<lb/> Absolutisten einerseits, alle Umstürzler und roten Republikaner andrerseits sind arti-englisch«<lb/> Wohlgemerkt, dieses Zeug findet sich nicht etwa in irgend einem Winkelblatt, sondern in der<lb/> größten liberalen Zeitung Englands, dem einstigen Leibblatte des lÄMä via ins.n Gladstone.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0632]
Englische Meinungsmache
liehen, aber berechtigten icliotiv bezeichnen würde. Diesen Lügen und Lächer¬
lichkeiten glauben wir guten irregeleiteten Deutschen aufs Wort; weshalb kommen
wir auch uicht zu dem Bronnen lautrer Wahrheit, den die englische Bericht¬
erstattung längst angestochen hat, und der nun jn durch den „Kaiserlich süd¬
afrikanischen Verband" aller Welt zufließen soll! Natürlich erhält der Frank¬
furter Generalanzeiger dafür eine öffentliche Belobigung, da er doch „die Ver¬
kommenheit und die Verlogenheit eines großen Teils der deutschen Presse ans
Licht zieht: die Ausdrücke, mit der er dieses schmähliche Verfahren brandmarkt,
sind keineswegs zu hart!" Wie erhebend muß das Gefühl des Frankfurter
Generalanzeigers sein, zu wissen, daß er nach englischer Anschauung alle jene
hochangesehenen Blätter unsers und seines Vaterlands und „fünfzig andre"
deutsche Zeitungen für etwas gebrandmarkt hat, was sie nie geschrieben
haben! Aber die Liebe zu dieser Leistung ist damit noch nicht erschöpft. Am
24. Februar kommt die 1imo8 noch einmal darauf zurück. Wenn die Berliner
Neusten Nachrichten den lächerlichen Vergleich der 1im,68, die Englands Ver¬
halten gegen Transvaal in eine Reihe mit dem Deutschlands gegen Elsaß-
Lothringen stellen möchte,scharf zurückweisen, so muß diese Verurteilung auf
der völligen „Unkenntnis der grundlegenden Verhältnisse der neuern Geschichte
Südafrikas" und auf Nachrichten beruhn, die auch dieses Blatt — von jener
Londoner Fabrik beziehe, die doch „der Frankfurter Generalanzeiger in so
lustiger Weise lächerlich gemacht hat." Wer sich die Mühe nimmt, dieses ganze
Lügengespinst aufmerksam zu verfolgen und zu entwirren, der wird begreifet!,
daß es an der Zeit ist, davor zu warnen. Es soll nun gar nicht behauptet
werden, daß der ursprüngliche Brief eines Deutschen in England und der Auf¬
satz in dem Frankfurter Blatte^) in enger Beziehung mit dem Berichterstatter
*) Der Vergleich des Krieges zwischen Frankreich und Deutschland ist überhaupt sehr be¬
liebt. „Welche Aufmerksamkeit würde man in Frankreich oder in Deutschland im August 1870
Politikern geschenkt haben, die ihre Regierungen aufgefordert hätten, die Feindseligkeiten ein¬
zustellen," ruft die Limss (16. März) aus, um damit den Ruf nach Frieden zwischen England
und Transvaal zu widerlegen!
Jn Frankreich scheint eine ähnliche Rolle dem Wolv zuzufallen, in Österreich einem
mir gänzlich unbekannten Blatte, der „Information," das der v-ni^ Nov« (26. Februar 1900)
zu folgender Betrachtung dient: „Der Kaiser von Österreich soll folgenden Ausspruch gethan
haben, der einige Wahrheit enthalt. »Was, soll er zu einem Diplomaten geäußert haben, alle
Lumpen und Strolche von Europa scheinen sich gegen England zusammen gerottet zu haben.«
Ein Wiener Tageblatt, Die Information, giebt eine anregende Erläuterung zu diesem Kaiser¬
worte: »So wie im Kriege mit Preußen Napoleon alle deutschen Verbrecher auf seiner Seite
hatte, so ist augenblicklich das große Heer der »Deklassierten«, die ganze internationale Halb¬
welt gegen England auf Kriegsfuß. Wo immer ein mit schlichtem Abschied entlassener Offizier
ist, ein abgesetzter Beamter, so kann man ihn physisch oder moralisch im arti-englischen Lager
finden. Daß der Mörder Brttsewitz seinen Degen den Buren zur Verfügung gestellt hatte, ist
kein bloßer Zufall: es ist so zu sagen eine psychologische Notwendigkeit. Alle Reaktionäre und
Absolutisten einerseits, alle Umstürzler und roten Republikaner andrerseits sind arti-englisch«
Wohlgemerkt, dieses Zeug findet sich nicht etwa in irgend einem Winkelblatt, sondern in der
größten liberalen Zeitung Englands, dem einstigen Leibblatte des lÄMä via ins.n Gladstone.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |