Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.Uaroline von Braunschweig rinnen bezeigen mir gleiche Teilnahme. Doch bewundre ich den englischen Am 7. Januar 1796 wurde ihr eine Tochter geboren, die in der Taufe Die Erziehung der Tochter bis zum achten Lebensjahre verblieb nach Mit welchen Beweisgründen so schweren Beschuldigungen Gewicht ver¬ Uaroline von Braunschweig rinnen bezeigen mir gleiche Teilnahme. Doch bewundre ich den englischen Am 7. Januar 1796 wurde ihr eine Tochter geboren, die in der Taufe Die Erziehung der Tochter bis zum achten Lebensjahre verblieb nach Mit welchen Beweisgründen so schweren Beschuldigungen Gewicht ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0620" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/233172"/> <fw type="header" place="top"> Uaroline von Braunschweig</fw><lb/> <p xml:id="ID_1992" prev="#ID_1991"> rinnen bezeigen mir gleiche Teilnahme. Doch bewundre ich den englischen<lb/> Charakter, und nichts kann mir schmeichelhafter sein als die Aufnahme, welche<lb/> bei meinem öffentlichen Erscheinen meiner wartete. Vor kurzem hat mich das<lb/> Haupttheater sehr befriedigt. Der Anblick war imposant, und als die Ver¬<lb/> sammlung das Volkslied zu singen begann, schien es mir, als hätte ich etwas<lb/> Erhabneres nie gesehen und gehört. Doch warum rede ich von dergleichen<lb/> Sachen? Elende und böse Gesinnungen umgeben mich, und jeden meiner<lb/> Schritte stellt man in ein böses Licht. Die Gräfin (Lady Jersey) ist noch<lb/> immer hier. Ich Haffe sie und weiß, daß sie ebenso gegen mich gesinnt ist.<lb/> Mein Gemahl ist ganz für sie eingenommen, und so mögen Sie leicht das<lb/> Übrige erraten. Man sagt, ich würde ein Mädchen bekommen. Der Prinz<lb/> wünscht sich einen Sohn. Mir gilt es gleich, denn nach englischem Gesetz<lb/> haben die Eltern in der Zukunft wenig mit ihren Kindern zu schaffen. Davor<lb/> erschrecke ich, Sie haben wohl die englischen Zeitungen gesehen? Denken Sie,<lb/> meine Teure, was die Tochter des Herzogs von Braunschweig fühlen muß!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1993"> Am 7. Januar 1796 wurde ihr eine Tochter geboren, die in der Taufe<lb/> den Namen Charlotte erhielt. Eine Annäherung der Gatten hat dieses Er¬<lb/> eignis nicht im Gefolge gehabt, vielmehr datiert von jenem Zeitpunkt auch die<lb/> äußerliche Trennung beider. Carlton House (das Palais des Prinzen von<lb/> Wales) blieb freilich wie zuvor die Stadtwohnung Karolinens, und wie zuvor<lb/> hatte sie sich der Demütigung zu unterwerfen, mit den Maitressen des Prinzen<lb/> unter dem Dache desselben Palastes zu wohnen. Allein man erlaubte ihr<lb/> einen langen und ungestörten Aufenthalt auf dem Lande, und unmittelbar nach<lb/> dem Abschluß der Trennungsverhandlungen verließ sie mit ihrer Tochter London,<lb/> um die Sommer- und Herbstmonate in Shrewsbury House, einer Villa in<lb/> der reizenden Hügellandschaft zwischen Charlton und Woolwich zu verleben.<lb/> Hier genoß sie die glücklichste Zeit ihres Lebens. Und während einer Reihe von<lb/> Jahren kehrte sie immer wieder nach diesem ländlichen Zufluchtsort zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1994"> Die Erziehung der Tochter bis zum achten Lebensjahre verblieb nach<lb/> englischem Gesetz der Mutter. Zu Anfang des Jahres 1805 verließ Charlotte<lb/> Shrewsburys House und bezog mit eigner Hofhaltung eine im Windsorpark<lb/> gelegne Villa. Kaum ein Jahr später fällt dann die Katastrophe in dem Leben<lb/> Karolinens, die ihresgleichen in der neuern Geschichte der Fürstenhöfe schwerlich<lb/> haben dürfte: ich meine die Klage wegen Ehebruchs, die der Prinz von Wales<lb/> gegen seine Gemahlin bei seinem königlichen Vater angebracht hatte. Die An¬<lb/> klage des Prinzen stützte sich auf die Denunziation eines gewissen John Douglas<lb/> und dessen Gattin, die beide früher im Kreise der Prinzessin von Wales wohl<lb/> gelitten, aber auf Grund von Indiskretionen daraus waren verwiesen worden.<lb/> Thatsache war, daß die Prinzessin schon im Jahre 1802 den Sohn eines<lb/> armen Segelmachers aus Charlton, Namens Austin, adoptiert hatte und dieses<lb/> Kind gemeinschaftlich mit ihrer Tochter hatte erziehn lassen. Dieser Knabe,<lb/> sprengten nun ihre Feinde aus, sei der Sprößling einer illegitimen Liebe der<lb/> Prinzessin. Und das böse Gerücht, einmal ins Leben gerufen, flog auf raschen<lb/> Schwingen weiter in die Vergangenheit zurück. Man wollte wissen, es sei<lb/> dies nicht der erste Fehltritt, ja man scheute sich nicht, sogar die Legitimität<lb/> der Prinzessin Charlotte selbst in Frage zu stellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1995" next="#ID_1996"> Mit welchen Beweisgründen so schweren Beschuldigungen Gewicht ver¬<lb/> liehen wurde, ist unbekannt, denn die Einzelheiten der Anklageakten gelangten<lb/> nur zu der Einsicht eines engern Kreises von Personen, und den Wenigen,<lb/> die darum wußten, geboten leichtbegreifliche Rücksichten Stillschweigen. That¬<lb/> sache ist, daß der König eine Untersuchungskommission ernannte, daß die mit<lb/> dem Namen vslivato InveMZatiori bezeichnete Untersuchung in Lord Granvilles</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0620]
Uaroline von Braunschweig
rinnen bezeigen mir gleiche Teilnahme. Doch bewundre ich den englischen
Charakter, und nichts kann mir schmeichelhafter sein als die Aufnahme, welche
bei meinem öffentlichen Erscheinen meiner wartete. Vor kurzem hat mich das
Haupttheater sehr befriedigt. Der Anblick war imposant, und als die Ver¬
sammlung das Volkslied zu singen begann, schien es mir, als hätte ich etwas
Erhabneres nie gesehen und gehört. Doch warum rede ich von dergleichen
Sachen? Elende und böse Gesinnungen umgeben mich, und jeden meiner
Schritte stellt man in ein böses Licht. Die Gräfin (Lady Jersey) ist noch
immer hier. Ich Haffe sie und weiß, daß sie ebenso gegen mich gesinnt ist.
Mein Gemahl ist ganz für sie eingenommen, und so mögen Sie leicht das
Übrige erraten. Man sagt, ich würde ein Mädchen bekommen. Der Prinz
wünscht sich einen Sohn. Mir gilt es gleich, denn nach englischem Gesetz
haben die Eltern in der Zukunft wenig mit ihren Kindern zu schaffen. Davor
erschrecke ich, Sie haben wohl die englischen Zeitungen gesehen? Denken Sie,
meine Teure, was die Tochter des Herzogs von Braunschweig fühlen muß!"
Am 7. Januar 1796 wurde ihr eine Tochter geboren, die in der Taufe
den Namen Charlotte erhielt. Eine Annäherung der Gatten hat dieses Er¬
eignis nicht im Gefolge gehabt, vielmehr datiert von jenem Zeitpunkt auch die
äußerliche Trennung beider. Carlton House (das Palais des Prinzen von
Wales) blieb freilich wie zuvor die Stadtwohnung Karolinens, und wie zuvor
hatte sie sich der Demütigung zu unterwerfen, mit den Maitressen des Prinzen
unter dem Dache desselben Palastes zu wohnen. Allein man erlaubte ihr
einen langen und ungestörten Aufenthalt auf dem Lande, und unmittelbar nach
dem Abschluß der Trennungsverhandlungen verließ sie mit ihrer Tochter London,
um die Sommer- und Herbstmonate in Shrewsbury House, einer Villa in
der reizenden Hügellandschaft zwischen Charlton und Woolwich zu verleben.
Hier genoß sie die glücklichste Zeit ihres Lebens. Und während einer Reihe von
Jahren kehrte sie immer wieder nach diesem ländlichen Zufluchtsort zurück.
Die Erziehung der Tochter bis zum achten Lebensjahre verblieb nach
englischem Gesetz der Mutter. Zu Anfang des Jahres 1805 verließ Charlotte
Shrewsburys House und bezog mit eigner Hofhaltung eine im Windsorpark
gelegne Villa. Kaum ein Jahr später fällt dann die Katastrophe in dem Leben
Karolinens, die ihresgleichen in der neuern Geschichte der Fürstenhöfe schwerlich
haben dürfte: ich meine die Klage wegen Ehebruchs, die der Prinz von Wales
gegen seine Gemahlin bei seinem königlichen Vater angebracht hatte. Die An¬
klage des Prinzen stützte sich auf die Denunziation eines gewissen John Douglas
und dessen Gattin, die beide früher im Kreise der Prinzessin von Wales wohl
gelitten, aber auf Grund von Indiskretionen daraus waren verwiesen worden.
Thatsache war, daß die Prinzessin schon im Jahre 1802 den Sohn eines
armen Segelmachers aus Charlton, Namens Austin, adoptiert hatte und dieses
Kind gemeinschaftlich mit ihrer Tochter hatte erziehn lassen. Dieser Knabe,
sprengten nun ihre Feinde aus, sei der Sprößling einer illegitimen Liebe der
Prinzessin. Und das böse Gerücht, einmal ins Leben gerufen, flog auf raschen
Schwingen weiter in die Vergangenheit zurück. Man wollte wissen, es sei
dies nicht der erste Fehltritt, ja man scheute sich nicht, sogar die Legitimität
der Prinzessin Charlotte selbst in Frage zu stellen.
Mit welchen Beweisgründen so schweren Beschuldigungen Gewicht ver¬
liehen wurde, ist unbekannt, denn die Einzelheiten der Anklageakten gelangten
nur zu der Einsicht eines engern Kreises von Personen, und den Wenigen,
die darum wußten, geboten leichtbegreifliche Rücksichten Stillschweigen. That¬
sache ist, daß der König eine Untersuchungskommission ernannte, daß die mit
dem Namen vslivato InveMZatiori bezeichnete Untersuchung in Lord Granvilles
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