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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Gin zeitgenössischer Bericht über den Rastadter
Gesandtenmord

uf den nachfolgenden Blättern soll über ein neuerdings aufge-
fundnes Aktenstück zur Geschichte des Rastadter Gesaudteumords
vom 28. April 1799 berichtet werden. Sowohl wegen seines
Inhalts als wegen der Person des Verfassers darf dieses Do¬
kument ans die Aufmerksamkeit von Freunden vergangner Dinge
und Menschen Anspruch erheben.

Worum es sich bei dem Rastadter Kongreß und bei dem auf diesen fol¬
genden Verbrechen gehandelt hat, ist der Hauptsache nach allgemein bekannt.
Vom 9. Dezember 1797 bis zum 23. April 1799 waren wegen der Wiederher¬
stellung des Friedens zwischen dein rönnscheu Reich deutscher Nation und der
französischen Republik zu Rastatt Verhandlungen gepflogen worden, deren Er¬
gebnislosigkeit einerseits durch die Schwerfälligkeit der entwürdigte" alten
Reichsmaschine und die -Zwiespältigkeit der deutschen Fürsten und Stände,
andrerseits durch die Maßlosigkeit der französischen Ansprüche und die Bru¬
talität der Pariser Bevollmächtigten Roberjot, Bonnier und Jean Debrh ver¬
schuldet worden war. Während die Mehrzahl der ans dem Kongresse vertretnen
deutschen Regierungen mit dem gemeinsamen Feinde Geheimverhandlungen über
die Erwerbung säkularisierter geistlicher Stifter unterhielt, schraubten die Fran¬
zosen ihre Ansprüche beständig in die Höhe und verlangten schließlich die Ab¬
tretung des gesamten linken Rheinufers. Obgleich sich das ohnmächtige Reich
zu diesem schmählichen Zugeständnis bequemen mußte, konnte eine Verständigung
anch jetzt nicht erzielt werden; bei dem Ausbruch des zweiten Koalitionskriegs
waren die Kongreßmitglieder noch mit ihrer Penelopearbeit beschäftigt. Die
Fäden sollten jedoch bald zerrissen werden. Nachdem die österreichischen Bevoll¬
mächtigten den Kongreß am 13. April 1799 verlassen hatten, erklärte die Reichs¬
deputation um 23. April ihre Thätigkeit für suspendiert, zugleich aber wurde
die Umgegend Rastatts von österreichischen Truppen besetzt. Daraufhin erklärten


Grenzboten I 1900 72


Gin zeitgenössischer Bericht über den Rastadter
Gesandtenmord

uf den nachfolgenden Blättern soll über ein neuerdings aufge-
fundnes Aktenstück zur Geschichte des Rastadter Gesaudteumords
vom 28. April 1799 berichtet werden. Sowohl wegen seines
Inhalts als wegen der Person des Verfassers darf dieses Do¬
kument ans die Aufmerksamkeit von Freunden vergangner Dinge
und Menschen Anspruch erheben.

Worum es sich bei dem Rastadter Kongreß und bei dem auf diesen fol¬
genden Verbrechen gehandelt hat, ist der Hauptsache nach allgemein bekannt.
Vom 9. Dezember 1797 bis zum 23. April 1799 waren wegen der Wiederher¬
stellung des Friedens zwischen dein rönnscheu Reich deutscher Nation und der
französischen Republik zu Rastatt Verhandlungen gepflogen worden, deren Er¬
gebnislosigkeit einerseits durch die Schwerfälligkeit der entwürdigte» alten
Reichsmaschine und die -Zwiespältigkeit der deutschen Fürsten und Stände,
andrerseits durch die Maßlosigkeit der französischen Ansprüche und die Bru¬
talität der Pariser Bevollmächtigten Roberjot, Bonnier und Jean Debrh ver¬
schuldet worden war. Während die Mehrzahl der ans dem Kongresse vertretnen
deutschen Regierungen mit dem gemeinsamen Feinde Geheimverhandlungen über
die Erwerbung säkularisierter geistlicher Stifter unterhielt, schraubten die Fran¬
zosen ihre Ansprüche beständig in die Höhe und verlangten schließlich die Ab¬
tretung des gesamten linken Rheinufers. Obgleich sich das ohnmächtige Reich
zu diesem schmählichen Zugeständnis bequemen mußte, konnte eine Verständigung
anch jetzt nicht erzielt werden; bei dem Ausbruch des zweiten Koalitionskriegs
waren die Kongreßmitglieder noch mit ihrer Penelopearbeit beschäftigt. Die
Fäden sollten jedoch bald zerrissen werden. Nachdem die österreichischen Bevoll¬
mächtigten den Kongreß am 13. April 1799 verlassen hatten, erklärte die Reichs¬
deputation um 23. April ihre Thätigkeit für suspendiert, zugleich aber wurde
die Umgegend Rastatts von österreichischen Truppen besetzt. Daraufhin erklärten


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[0577] [Abbildung] Gin zeitgenössischer Bericht über den Rastadter Gesandtenmord uf den nachfolgenden Blättern soll über ein neuerdings aufge- fundnes Aktenstück zur Geschichte des Rastadter Gesaudteumords vom 28. April 1799 berichtet werden. Sowohl wegen seines Inhalts als wegen der Person des Verfassers darf dieses Do¬ kument ans die Aufmerksamkeit von Freunden vergangner Dinge und Menschen Anspruch erheben. Worum es sich bei dem Rastadter Kongreß und bei dem auf diesen fol¬ genden Verbrechen gehandelt hat, ist der Hauptsache nach allgemein bekannt. Vom 9. Dezember 1797 bis zum 23. April 1799 waren wegen der Wiederher¬ stellung des Friedens zwischen dein rönnscheu Reich deutscher Nation und der französischen Republik zu Rastatt Verhandlungen gepflogen worden, deren Er¬ gebnislosigkeit einerseits durch die Schwerfälligkeit der entwürdigte» alten Reichsmaschine und die -Zwiespältigkeit der deutschen Fürsten und Stände, andrerseits durch die Maßlosigkeit der französischen Ansprüche und die Bru¬ talität der Pariser Bevollmächtigten Roberjot, Bonnier und Jean Debrh ver¬ schuldet worden war. Während die Mehrzahl der ans dem Kongresse vertretnen deutschen Regierungen mit dem gemeinsamen Feinde Geheimverhandlungen über die Erwerbung säkularisierter geistlicher Stifter unterhielt, schraubten die Fran¬ zosen ihre Ansprüche beständig in die Höhe und verlangten schließlich die Ab¬ tretung des gesamten linken Rheinufers. Obgleich sich das ohnmächtige Reich zu diesem schmählichen Zugeständnis bequemen mußte, konnte eine Verständigung anch jetzt nicht erzielt werden; bei dem Ausbruch des zweiten Koalitionskriegs waren die Kongreßmitglieder noch mit ihrer Penelopearbeit beschäftigt. Die Fäden sollten jedoch bald zerrissen werden. Nachdem die österreichischen Bevoll¬ mächtigten den Kongreß am 13. April 1799 verlassen hatten, erklärte die Reichs¬ deputation um 23. April ihre Thätigkeit für suspendiert, zugleich aber wurde die Umgegend Rastatts von österreichischen Truppen besetzt. Daraufhin erklärten Grenzboten I 1900 72

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/577>, abgerufen am 04.07.2024.