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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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organisierten Provinzialbehörde lviirden in zweckmäßig begrenzten Bezirken
dauernd volle Beschäftigung finden; sie könnten und wurden mit der landwirt-
schaftliche" Bevölkerung und den Bedürfnissen ihres Bezirks innig verwachsen,
Vertrauen erwerben, und so auch, ähnlich den Landräten (alten Schlags), das
Wohl ihres Bezirks freudig zu ihrer Lebensaufgabe machen. Das Verlangen
nach einer solchen Organisation ist nicht neu; ich verweise auf die umsichtige
Schrift des seiner verdienstvollen Thätigkeit leider viel zu früh durch den Tod
entrissenen Glcchel.*) Bisher scheint die Stantsregiernng diesem Gedanken
noch nicht ernstlich näher getreten zu sein. Er würde eine Abzweigung vieler
Dinge von dein Geschäftskreise der Regierungen und Landräte verlangen, die
man diesen zu nehmen vielleicht mehr ans andern als aus rein volkswirt¬
schaftlichen Gründen Bedenken zu tragen scheint.

Zu den Angriffen des Aufsatzes in Ur, 5 ans die leitenden Behörden,
die Generalkoininissionen, mag kurz bemerkt werden: Gewiß ist ihre Thätigkeit
mehr kontrollierend als selbstschaffend; ich deute sie mir daher auch weit
minder erfreulich, als die der Kommissare, Ob das Aufsichtsperson"! zu
reichlich bemessen ist, darüber fehlt mir das eigue Urteil, im ganzen ist in
diesem Punkte die Oberrechnungskammer ziemlich feinfühlig. Zu bedenken ist
aber, daß ein Teil der bei der Behörde beschäftigten Landmesser Vorarbeiten
für das Grundsteuerkataster liefert, daß den Generalkoininissionen manche Ge¬
schäfte obliegen, die eine Thätigkeit des Kommissars und Landmessers nicht
voraussetzen, und von denen man daher draußen wenig weiß; und vor
allen,, daß die wichtigste und lohnendste Aufgabe der Mitglieder der General-
kommissionen in der belehrenden und ergänzenden persönlichen Leitung der
Kommissare, zumal der jünger", besteht. Der ältere Brauch, den Mitgliedern
auch einzelne besonders schwierige Geschäfte zur eignen kommissarischen Be¬
arbeitung zu übertragen, das beste Mittel, sie mit der Praxis in: Felde wie
mit den Freuden und Leiden der Kommissare in Fühlung zu erhalten, soll in
neuerer Zeit, wie ich meine, mehr aus Etatsrücksichten, und nicht zum Vorteil
der Sache, stark beschränkt worden sein. Die den Mißvergnügten gnr zu
deutlich kennzeichnenden Detailschildernilgen des Aufsatzes dürfen billig über¬
gangen werden.

Am Schlüsse kommt der Verfasser ans einige auch im Abgeordnetenhause
und in der Tagespresse jüngst erhabnen Angriffe gegen das jetzt gesetzlich be¬
stehende Verfahren der Generalkoininissionen. Ganz so schlecht, wie geschildert,
kann das Verfahren nicht sein. Die weitaus größte Zahl der in Preußen
möglichen Zusammenlegungen ist damit durchgeführt worden, und die Erfolge
find, trotz nicht wegzuleugnender einzelner Mißgriffe, segensreich gewesen. Für
das den Zusammenlegungen zuletzt eroberte Gebiet, die Rheinprovinz, hat diesen
Erfolg noch jüngst der Abgeordnete Schmitz (Düsseldorf) im Landtage iinein-
Neschrünkt anerkannt. Ein Nachteil ist die oft lange Dauer der Sachen. Doch



Die preußische Agrargesetzgebung. Rückblick und Ausblick von A. Glatzel, Wirklichem
Geheimen Oberregierungsrat, Präsidenten des OberlandeAulturgerichts. Berlin, Pnrcy, 1895.

organisierten Provinzialbehörde lviirden in zweckmäßig begrenzten Bezirken
dauernd volle Beschäftigung finden; sie könnten und wurden mit der landwirt-
schaftliche» Bevölkerung und den Bedürfnissen ihres Bezirks innig verwachsen,
Vertrauen erwerben, und so auch, ähnlich den Landräten (alten Schlags), das
Wohl ihres Bezirks freudig zu ihrer Lebensaufgabe machen. Das Verlangen
nach einer solchen Organisation ist nicht neu; ich verweise auf die umsichtige
Schrift des seiner verdienstvollen Thätigkeit leider viel zu früh durch den Tod
entrissenen Glcchel.*) Bisher scheint die Stantsregiernng diesem Gedanken
noch nicht ernstlich näher getreten zu sein. Er würde eine Abzweigung vieler
Dinge von dein Geschäftskreise der Regierungen und Landräte verlangen, die
man diesen zu nehmen vielleicht mehr ans andern als aus rein volkswirt¬
schaftlichen Gründen Bedenken zu tragen scheint.

Zu den Angriffen des Aufsatzes in Ur, 5 ans die leitenden Behörden,
die Generalkoininissionen, mag kurz bemerkt werden: Gewiß ist ihre Thätigkeit
mehr kontrollierend als selbstschaffend; ich deute sie mir daher auch weit
minder erfreulich, als die der Kommissare, Ob das Aufsichtsperson«! zu
reichlich bemessen ist, darüber fehlt mir das eigue Urteil, im ganzen ist in
diesem Punkte die Oberrechnungskammer ziemlich feinfühlig. Zu bedenken ist
aber, daß ein Teil der bei der Behörde beschäftigten Landmesser Vorarbeiten
für das Grundsteuerkataster liefert, daß den Generalkoininissionen manche Ge¬
schäfte obliegen, die eine Thätigkeit des Kommissars und Landmessers nicht
voraussetzen, und von denen man daher draußen wenig weiß; und vor
allen,, daß die wichtigste und lohnendste Aufgabe der Mitglieder der General-
kommissionen in der belehrenden und ergänzenden persönlichen Leitung der
Kommissare, zumal der jünger», besteht. Der ältere Brauch, den Mitgliedern
auch einzelne besonders schwierige Geschäfte zur eignen kommissarischen Be¬
arbeitung zu übertragen, das beste Mittel, sie mit der Praxis in: Felde wie
mit den Freuden und Leiden der Kommissare in Fühlung zu erhalten, soll in
neuerer Zeit, wie ich meine, mehr aus Etatsrücksichten, und nicht zum Vorteil
der Sache, stark beschränkt worden sein. Die den Mißvergnügten gnr zu
deutlich kennzeichnenden Detailschildernilgen des Aufsatzes dürfen billig über¬
gangen werden.

Am Schlüsse kommt der Verfasser ans einige auch im Abgeordnetenhause
und in der Tagespresse jüngst erhabnen Angriffe gegen das jetzt gesetzlich be¬
stehende Verfahren der Generalkoininissionen. Ganz so schlecht, wie geschildert,
kann das Verfahren nicht sein. Die weitaus größte Zahl der in Preußen
möglichen Zusammenlegungen ist damit durchgeführt worden, und die Erfolge
find, trotz nicht wegzuleugnender einzelner Mißgriffe, segensreich gewesen. Für
das den Zusammenlegungen zuletzt eroberte Gebiet, die Rheinprovinz, hat diesen
Erfolg noch jüngst der Abgeordnete Schmitz (Düsseldorf) im Landtage iinein-
Neschrünkt anerkannt. Ein Nachteil ist die oft lange Dauer der Sachen. Doch



Die preußische Agrargesetzgebung. Rückblick und Ausblick von A. Glatzel, Wirklichem
Geheimen Oberregierungsrat, Präsidenten des OberlandeAulturgerichts. Berlin, Pnrcy, 1895.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/533>, abgerufen am 24.07.2024.