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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Zur Auswandrung nach Brasilien

schon heute gesagt, daß der Süden Brasiliens das einzige richtige Emwandrungs-
Ziel des deutschen Ansiedlers ist.

Die Vorbedingung und zwar die hauptsächlichste für dus Gedeihen von
Auswandrern, die ihre Schritte nach überseeischen Ländern lenken, ist, daß einer¬
seits die politischen Verhältnisse dieser Länder dein Einwandrer Gewähr dafür
Listen, daß dieser auch die Früchte seines Fleißes genießt, andrerseits, daß der
Staatskolonisation ein auf Jahrzehnte hinaus fest gegliederter Plan zu Grunde
"egt. Der Präsident der Republik sonne die Governadore der einzelnen
Bundesstaaten Brasiliens werden auf vier Jahre gewählt; der Personenwechsel
hat für gewöhnlich auch einen solchen in den Verwnltungszweigcn zur Folge;
na Einwandrungswesen ist es während des zehnjährigen Bestehns der Republik
Brasilien entschieden der Fall gewesen. Die Governadore in den Einzel-
staaten werden von der politischen Partei, die gerade die Gewalt in der Hand
hat, geschoben, man möchte sagen "ernannt," denn von einer freien Wahl ist
^ure Rede. Sämtliche Staatsbeamte, darunter auch etwaige Koloniedirektoren
und deren Subalterne, gehören zur Partei der Regierenden, Beschwerden von
Ansiedlern gegen staatliche Kolonicdirektoren haben deshalb in den meisten
Mllen nicht nur keinen Erfolg, sondern verschlimmern oft noch die Lage des'
eschwerdcführers. So gründete der Staat S, Paulo mit großen Kosten in
winil bei Cmupinas eine Kolonie und siedelte dort in den Jahren 1897/98
putsche Schweizer an. Der brasilianische Koloniedirektor behandelte die neuen
' usiedler wie Schwarze zur Sklavcuzcit; mehrere dieser Ansiedler beschwerten
Reh bei der Staatsregierung in S, Paulo, und da diese keine Abhilfe schaffte,
Erließ der Teil der Ansiedler, der uoch Barmittel hatte, die Kolonie.

Ume Kolonien können nnr dann schnell vorwärts kommen, wenn ihnen
^e Möglichkeit geboten wird, die gewonnenen Produkte leicht und vorteilhaft
-setzen, d, h, wenn die Kolonie so nahe als möglich an die Peripherie größerer
^haften herangeschoben, und wenn dann nach dem Innern des Landes zu
ner kolonisiert wird. Bei der Anlegung von Stnatskolonien verführt man
^Ng in der entgegengesetzten Art, d, h. man schickt die Einwandrer in ganz
gewohnte Gegenden, weit ab von Verkehrspunkten, und überläßt dann die
^ung derartig angelegter Kolonien ihrem Schicksale; man giebt zwar vor,
w va ^ Peripherie größerer, bewohnter Ortschaften zu weiter kolonisieren zu
sol-s - ^ "Wollen" bleibt es für gewöhnlich, denn wenn sich
qea? ^^°e liegenden Kolonien jahrelang durch Not und Elend durch-
' Werdet haben, sind die zwischen ihnen und den nächsten größern, oft mehrere
^ gerufen entfernten Ortschaften liegenden Regicrungslündereien schon längst
die Parteifreunde (Landhaifische) zu Schleuderpreisen vergeben, und
"der? ^ Urwalde liegenden Kolonien bleiben ohne Verbindungswege,
nickt-"?' vorhanden sind, sind sie in einem unfahrbaren Zustande, weil
^ Aufbesserung gethan wird,

^
Natur t^ ^ ^"^ Stantskolonisation von der Negierung in Aussicht gestellte
^Verpflegung -- ein sehr dehnbarer Begriff - dient gewissenlosen Liese-


Zur Auswandrung nach Brasilien

schon heute gesagt, daß der Süden Brasiliens das einzige richtige Emwandrungs-
Ziel des deutschen Ansiedlers ist.

Die Vorbedingung und zwar die hauptsächlichste für dus Gedeihen von
Auswandrern, die ihre Schritte nach überseeischen Ländern lenken, ist, daß einer¬
seits die politischen Verhältnisse dieser Länder dein Einwandrer Gewähr dafür
Listen, daß dieser auch die Früchte seines Fleißes genießt, andrerseits, daß der
Staatskolonisation ein auf Jahrzehnte hinaus fest gegliederter Plan zu Grunde
"egt. Der Präsident der Republik sonne die Governadore der einzelnen
Bundesstaaten Brasiliens werden auf vier Jahre gewählt; der Personenwechsel
hat für gewöhnlich auch einen solchen in den Verwnltungszweigcn zur Folge;
na Einwandrungswesen ist es während des zehnjährigen Bestehns der Republik
Brasilien entschieden der Fall gewesen. Die Governadore in den Einzel-
staaten werden von der politischen Partei, die gerade die Gewalt in der Hand
hat, geschoben, man möchte sagen „ernannt," denn von einer freien Wahl ist
^ure Rede. Sämtliche Staatsbeamte, darunter auch etwaige Koloniedirektoren
und deren Subalterne, gehören zur Partei der Regierenden, Beschwerden von
Ansiedlern gegen staatliche Kolonicdirektoren haben deshalb in den meisten
Mllen nicht nur keinen Erfolg, sondern verschlimmern oft noch die Lage des'
eschwerdcführers. So gründete der Staat S, Paulo mit großen Kosten in
winil bei Cmupinas eine Kolonie und siedelte dort in den Jahren 1897/98
putsche Schweizer an. Der brasilianische Koloniedirektor behandelte die neuen
' usiedler wie Schwarze zur Sklavcuzcit; mehrere dieser Ansiedler beschwerten
Reh bei der Staatsregierung in S, Paulo, und da diese keine Abhilfe schaffte,
Erließ der Teil der Ansiedler, der uoch Barmittel hatte, die Kolonie.

Ume Kolonien können nnr dann schnell vorwärts kommen, wenn ihnen
^e Möglichkeit geboten wird, die gewonnenen Produkte leicht und vorteilhaft
-setzen, d, h, wenn die Kolonie so nahe als möglich an die Peripherie größerer
^haften herangeschoben, und wenn dann nach dem Innern des Landes zu
ner kolonisiert wird. Bei der Anlegung von Stnatskolonien verführt man
^Ng in der entgegengesetzten Art, d, h. man schickt die Einwandrer in ganz
gewohnte Gegenden, weit ab von Verkehrspunkten, und überläßt dann die
^ung derartig angelegter Kolonien ihrem Schicksale; man giebt zwar vor,
w va ^ Peripherie größerer, bewohnter Ortschaften zu weiter kolonisieren zu
sol-s - ^ "Wollen" bleibt es für gewöhnlich, denn wenn sich
qea? ^^°e liegenden Kolonien jahrelang durch Not und Elend durch-
' Werdet haben, sind die zwischen ihnen und den nächsten größern, oft mehrere
^ gerufen entfernten Ortschaften liegenden Regicrungslündereien schon längst
die Parteifreunde (Landhaifische) zu Schleuderpreisen vergeben, und
»der? ^ Urwalde liegenden Kolonien bleiben ohne Verbindungswege,
nickt-"?' vorhanden sind, sind sie in einem unfahrbaren Zustande, weil
^ Aufbesserung gethan wird,

^
Natur t^ ^ ^"^ Stantskolonisation von der Negierung in Aussicht gestellte
^Verpflegung — ein sehr dehnbarer Begriff - dient gewissenlosen Liese-


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[0495] Zur Auswandrung nach Brasilien schon heute gesagt, daß der Süden Brasiliens das einzige richtige Emwandrungs- Ziel des deutschen Ansiedlers ist. Die Vorbedingung und zwar die hauptsächlichste für dus Gedeihen von Auswandrern, die ihre Schritte nach überseeischen Ländern lenken, ist, daß einer¬ seits die politischen Verhältnisse dieser Länder dein Einwandrer Gewähr dafür Listen, daß dieser auch die Früchte seines Fleißes genießt, andrerseits, daß der Staatskolonisation ein auf Jahrzehnte hinaus fest gegliederter Plan zu Grunde "egt. Der Präsident der Republik sonne die Governadore der einzelnen Bundesstaaten Brasiliens werden auf vier Jahre gewählt; der Personenwechsel hat für gewöhnlich auch einen solchen in den Verwnltungszweigcn zur Folge; na Einwandrungswesen ist es während des zehnjährigen Bestehns der Republik Brasilien entschieden der Fall gewesen. Die Governadore in den Einzel- staaten werden von der politischen Partei, die gerade die Gewalt in der Hand hat, geschoben, man möchte sagen „ernannt," denn von einer freien Wahl ist ^ure Rede. Sämtliche Staatsbeamte, darunter auch etwaige Koloniedirektoren und deren Subalterne, gehören zur Partei der Regierenden, Beschwerden von Ansiedlern gegen staatliche Kolonicdirektoren haben deshalb in den meisten Mllen nicht nur keinen Erfolg, sondern verschlimmern oft noch die Lage des' eschwerdcführers. So gründete der Staat S, Paulo mit großen Kosten in winil bei Cmupinas eine Kolonie und siedelte dort in den Jahren 1897/98 putsche Schweizer an. Der brasilianische Koloniedirektor behandelte die neuen ' usiedler wie Schwarze zur Sklavcuzcit; mehrere dieser Ansiedler beschwerten Reh bei der Staatsregierung in S, Paulo, und da diese keine Abhilfe schaffte, Erließ der Teil der Ansiedler, der uoch Barmittel hatte, die Kolonie. Ume Kolonien können nnr dann schnell vorwärts kommen, wenn ihnen ^e Möglichkeit geboten wird, die gewonnenen Produkte leicht und vorteilhaft -setzen, d, h, wenn die Kolonie so nahe als möglich an die Peripherie größerer ^haften herangeschoben, und wenn dann nach dem Innern des Landes zu ner kolonisiert wird. Bei der Anlegung von Stnatskolonien verführt man ^Ng in der entgegengesetzten Art, d, h. man schickt die Einwandrer in ganz gewohnte Gegenden, weit ab von Verkehrspunkten, und überläßt dann die ^ung derartig angelegter Kolonien ihrem Schicksale; man giebt zwar vor, w va ^ Peripherie größerer, bewohnter Ortschaften zu weiter kolonisieren zu sol-s - ^ "Wollen" bleibt es für gewöhnlich, denn wenn sich qea? ^^°e liegenden Kolonien jahrelang durch Not und Elend durch- ' Werdet haben, sind die zwischen ihnen und den nächsten größern, oft mehrere ^ gerufen entfernten Ortschaften liegenden Regicrungslündereien schon längst die Parteifreunde (Landhaifische) zu Schleuderpreisen vergeben, und »der? ^ Urwalde liegenden Kolonien bleiben ohne Verbindungswege, nickt-"?' vorhanden sind, sind sie in einem unfahrbaren Zustande, weil ^ Aufbesserung gethan wird, ^ Natur t^ ^ ^"^ Stantskolonisation von der Negierung in Aussicht gestellte ^Verpflegung — ein sehr dehnbarer Begriff - dient gewissenlosen Liese-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/495>, abgerufen am 04.07.2024.